Award : Fabrik2012: Siegerlächeln

Erich Dörflinger Flextronics International Fabrik 2012
© Helene Waldner

Gewinner der Kategorie „Konzerne“Flextronics International GmbH, Althofen Bis zu einer Stunde vor Produktionsstart können die Kunden online eingreifen und ihre Bestellung abändern. Wie man solch ein System implementiert, zeigte Flextronics-Geschäftsführer Erich Dörflinger und holte nicht zuletzt damit den Kategoriesieg „Konzerne“ nach Kärnten. Dörflinger schwört auf vertikale Integration und schaffte es, das Schlagwort „Wertstrommanagement“ lebendig zu machen: „Als wir damit begannen, die Abteilungsstruktur aufzulösen, gab es selbstverständlich Widerstände. Nicht jeder Abteilungsleiter ist auch ein guter Wertstrommanager. Doch die Mauern mussten ganz einfach weg.“ Pilotversuch Der Prozess begann mit einem kleinen Pilotversuch, dessen Erfolg, so Dörflinger, auch die Skeptiker überzeugte. Heute sind die Value-stream-Teams bei Flextronics auch räumlich geeint. Ergänzend dazu gibt es eine dichte Struktur von Kaizen-Teams für einzelne Projekte. Bei der Neugestaltung eines Raumes mit Arbeitsplätzen etwa waren die täglich dort tätigen Frauen ebenso im Team wie Mitglieder des Betriebsrates. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigte: Da die Kolleginnen Stehend-Arbeitsplätze wollten, war die Integration der bei diesem Thema notorisch skeptischen Betriebsräte ein zentraler Faktor für die konfliktfreie Umsetzung. Der Gipfel der Integration aber ist die Zusammenarbeit mit dem Kunden u-blox und dem Lieferanten Multek. u-blox fertigt GPS/GSM-Module, rund 12 Millionen Stück pro Jahr. Erich Dörflinger beschreibt die Produktion der hochkomplexen Bauteile mit einem Bild: „Das ist wie ein Trichter, in den die Teilchen fallen: Da sie eckig sind, entstehen Lücken. Dreht man die Teilchen aber ein wenig, so schließen sich diese Lücken.“ Und Flextronics drehte. Gemeinsam mit dem Kunden wurde der gesamte Prozess in seine Einzelteile zerlegt, wurden zwei hochkomplexe Fertigungslinien vernetzt. In einem zweiten Schritt stießen die Mitarbeiter von Multek hinzu, „insgesamt haben wir dreimal eine Woche Kaizen absolviert“, erzählt Dörflinger, „und wissen Sie, was die Haupterkenntnis war? Derartige Ideen scheitern tatsächlich meist nur an der Kommunikation.“ Nicht so in diesem Fall: Die u-blox-Mitarbeiter können heute online den Produktionsplan der kommenden drei Wochen einsehen und per Joystick manipulieren. Mit nur einer Stunde Vorlauf ist ein Volumen von 25 bis 30 Prozent kurzfristig veränderbar. Das Procedere machte nicht nur beim Fabrik2012-Award Furore, es brachte Flextronics heuer auch den Logistik-Preis des VNL ein. Hier geht´s weiter

Gewinner der Kategorie „Unternehmen“ (unter 5000 Mitarbeiter)Kostwein Maschinenbau GmbH, Klagenfurt Hans Kostwein überspannte den Bogen fast. „Wir wollen das beste Maschinenbauunternehmen ganz Europas werden“, verkündete er seinen Mitarbeitern. Und die, vom rührigen Chef einiges gewöhnt, zweifelten nun doch an seinem Realitätssinn. Wie intensiv der Kärntner Maschinenbauer seitdem am ambitionierten Ziel arbeitet, präsentierte Hans Kostwein im Rahmen der Jurysitzung von Fabrik2012 – und holte sich den Gesamtsieg in der Kategorie „Unternehmen“. „Jetzt spinnt er.“ Auch bei Kostwein ist viel die Rede von Innovation und KVP – doch was das konkret bedeuten kann, zeigt ein Beispiel: das „Projekt Verpackungsmaschine“. „Synchrone Taktfertigung praktizieren wir schon lange“, erzählt Hans Kostwein, „doch ich wollte fünf zum Teil sehr unterschiedliche Produkte über eine gemeinsame Montagelinie führen. Und: Ich wollte eine Produktivitätssteigerung um 20 Prozent.“ Wie die Mitarbeiter reagierten? „Jetzt spinnt er“, zitiert Kostwein und erzählt, wie er sich auf die Suche nach einer Benchmark machte: „Ich bin losgefahren und habe mir die Produktion eines großen Autoherstellers angesehen. Was ich dort gesehen habe, wollte ich unbedingt auf unsere Produktion herunterbrechen. Also haben wir einen kleinen Piloten gestartet – und siehe da: Man konnte es auch auf eine Kapazität von 20 Maschinen pro Woche anwenden.“ Kostwein drehte jeden Stein im Prozess um – und so entstanden hochoriginelle Lösungen. Beispiel Intralogistik: Die Boxen mit den Kleinteilen sind im Regal auf Waagen gelagert, die über einen Server mit dem ERP-System gekoppelt sind. Einmal pro Nacht kommt es zu einem Wägevorgang, und wenn das ermittelte Gewicht nicht dem hinterlegten Mindestgewicht entspricht, ergeht eine automatische Bestellung an den Lieferanten beziehungsweise an die eigene Produktion. Die Fehlerkosten sanken um 30 Prozent, während die Produktivität um 20 Prozent zulegte. „Als die Mitarbeiter eines Tages zu mir kamen und meinten, sie würden gerne die Montagehalle neu ausmalen, da wusste ich: Jetzt sind sie überzeugt.“ Ein Urteil, dem sich die Jury vollinhaltlich anschloss. Hier geht´s weiter

Finalist in der Kategorie „Unternehmen“Gewinner des Sonderpreises „Energie- und Umweltmanagement“Eisenwerk Sulzau-Werfen, R. & E. Weinberger AG, Tenneck Ins Finale des Fabrik-Awards kommt man nicht mit gelungenem Energiemanagement allein, und Werkleiter Frank Schröder präsentierte im Rahmen der Jurysitzung denn auch hochintelligente Konzepte zur Rüstoptimierung, zur Zustandsüberwachung von Werkzeugen und kritischen Maschinenkomponenten. Ein Just-in-time-Projekt hatte die Senkung der Halbfabrikat-Bestände zum Ziel und erbrachte im Verein mit den verkürzten Rüstzeiten eine Minimierung um 32 Prozent binnen zwei Jahren. LED-OffensiveDen Award aber gab es diesmal für die Konzepte des Walzenherstellers zum Thema Energie und Umwelt. Durch Wärmeauskopplung gewinnt das Werk knapp eine Million Kilowattstunden, die es zum Teil selbst nutzt, überwiegend jedoch an eine benachbarte Siedlung abgibt. Durch Dachisolierung und Heizungssteuerung in der Dreherei sparte man mehr als 750.000 Kilowattstunden an Gas pro Jahr. Der Einsatz von LED-Lampen statt Quecksilberdampflampen brachte weitere 120.000 Kilowattstunden. Unterm Strich senkte das Eisenwerk Sulzau-Werfen seinen Stromverbrauch von 9,35 Gigajoule pro Tonne Fertiggewicht im Jahr 2009 auf aktuell 7,57 Gigajoule. Hier geht´s weiter

Finalist in der Kategorie „Unternehmen“Vetropack Austria, Pöchlarn Der Mann steht auf einer Leiter und wirft schwungvoll eine Flasche auf den Boden, die ihm – intakt – immer wieder gereicht wird. Was ein wenig nach TV-Sketch aussieht, ist tatsächlich pure Innovation: „Die Idee, gehärtetes Glas für Glasverpackungen einzusetzen, hat uns von Beginn an elektrisiert“, erzählt Johann Reiter, Geschäftsführer der Vetropack Austria. Die fertig produzierten Flaschen werden hierzu aufgeheizt und gezielt von innen und von außen abgekühlt. Infolge unterschiedlicher Abkühlungsgeschwindigkeiten entsteht Zugspannung im Kern und Druckspannung an der Oberfläche. In ausreichendem Maße, wie der Test ergab: 95 Prozent der thermisch gehärteten Flaschen gingen nicht zu Bruch. Das Endziel der Entwicklung des „Hard-Glass“-Prozesses, erläutert Reiter, ist die Einbindung in den In-process-line-Betrieb. Im kommenden Jahr ist Produktionsstart. „Projekt Druckanlage“ Innovation war der Königsweg von Vetropack ins Finale des Wettbewerbs. Ein weiteres Beispiel: das „Projekt Druckluftanlage“. Vetropack ersetzte zwei bestehende Turbokompressoren durch fünf flexible Einheiten. „So können wir Verbrauchsschwankungen optimal ausgleichen und die Gesamtliefermenge an Luft deutlich reduzieren“, erzählt Reiter. Eine eigene Wärmerückgewinnungsanlage sorgt für die Erwärmung der Druckluft zur Vermeidung von Kondensation. In Zahlen: Knapp 2,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr werden eingespart, der Energiebedarf des Werks sank um rund 24 Prozent. Hier geht´s weiter

Finalist in der Kategorie „Konzerne“Eaton Industries (Austria) GmbH, Schrems Die größte Leistung war wohl eine psychologische. Als Moeller 2008 vom Energiemanagement-Spezialisten Eaton gekauft wurde, prallte amerikanische Unternehmensphilosophie ziemlich hart auf Waldviertler Tradition. Hans-Jürgen Kolar, der Leiter des Eaton-Werks in Schrems, erzählt ziemlich offen über diesen Clash: „Uns war von Beginn an klar, dass wir das internationale System herunterbrechen mussten. Die Widerstände seitens der Belegschaft waren teilweise schon sehr spürbar.“ Über Nacht waren die Mitarbeiter mit einem ausgeklügelten Business-System konfrontiert, mit Kaizen und Six Sigma und zahllosen englischen Termini. Beziehungspflege Kolar und sein Team schafften es, all das behutsam ins Waldviertel zu verpflanzen. Zahlreiche Maßnahmen hinsichtlich Sicherheit, Umweltschutz, Ausbildung und Zusatzqualifikation, aber auch in der Produktion selbst sowie in den Beziehungen zu Lieferanten und Kunden führten nicht nur ins Fabrik2012-Finale, sondern auch zu Ergebnissen wie diesen: Ein Projekt zur Optimierung von Materialverlusten, an dem Mitarbeiter von Eaton, eines Entsorgers, einer Recyclingfirma und der Caritas beteiligt waren, erbrachte eine Ersparnis von rund 450.000 Euro pro Jahr. Ein weiteres Projekt zielte auf die Erhöhung des Automatisierungsgrades in der Produktion von FI-Schaltern. Binnen zwei Jahren stieg die Anzahl der produzierten Stück pro Mitarbeiter von 125 auf fast 500. Hier geht´s weiter

Finalist in der Kategorie „Konzerne“Zumtobel AG, Dornbirn Zumtobel setzt auf Daten. Genauer: auf deren maximale Transparenz. In allen Fertigungsbereichen hängen Steuerungsboards, die die Mitarbeiter tagesaktuell über die Kennzahlen auf dem Laufenden halten. Dies geht so weit, dass sie online eine Live-Version des umfassenden Operation-Cockpits einsehen können. Transparenz, die zu Flexibilisierung führt, wie Thomas Bischof, Global Operations Director Lighting, erklärt: „Unser Werk in Dornbirn liefert jährlich rund 23.000 verschiedene Produkte, und das führt zu Schwankungen von bis zu 50 Prozent pro Woche selbst bei unseren Hauptproduktlinien.“ Die Antwort des Leuchtenherstellers: Verzicht auf Planaufträge zur Steuerung der Produktion. Die Planung erfolgt maximal auf drei bis vier Tage mit voller Kapazität, um kurzfristige Flexibilität zu gewährleisten. „In definierten Fertigungsbereichen“, erzählt Bischof, „praktizieren wir sogar Selbststeuerung: Der Marktbedarf ist für alle Mitarbeiter vor Ort ersichtlich, und sie decken diesen eigenverantwortlich.“ Montage-Arbeitsplätze? Werden nach den Ergebnissen der KVP-Werkstatt optimiert. Online-Konfigurator Wie das alles bei den Kunden ankommt? Etwa in Form des Online-Konfigurators für Leuchten: Eine neue Variante wird sofort mit einer Artikelnummer hinterlegt, gleichzeitig werden automatisch Stückliste und Arbeitsplan generiert. Basierend auf einer Maximalstückliste und Zeitmodulen, werden die benötigten Dokumente automatisch erstellt und der Produktion zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis: Der Kunde bekommt sofort nach der Bestellung den Liefertermin genannt. Bernhard Fragner Fabrik2012 – Der Award Gemeinsam mit Fraunhofer Austria schreiben INDUSTRIEMAGAZIN und das Schwestermagazin FACTORY alljährlich den härtesten Wettbewerb für produzierende Unternehmen aus. Gesucht wird der beste Produktionsstandort – dabei kommt ein ganzheitliches Bewertungsmodell zur Anwendung. Ein Spezialistenteam von Fraunhofer besuchte jeden einzelnen der Vorfinalisten für eine etwa eintägige Vor-Ort-Evaluierung. Aus den gesammelten Erkenntnissen ermittelten die Experten dann je drei Finalisten in den Kategorien „Unternehmen“ und „Konzerne“. Sie erhielten die Chance, ihren Betrieb vor einer hochkarätigen Jury und öffentlich zu präsentieren. Daraus wurde der Gesamtsieger ausgewählt. Details zu Bewertungsmodell und Evaluierung unter www.fabrik2012.at