Autoindustrie : Ex-Nissan-Chef Ghosn: "Es geht um Komplott, Verschwörung, Hinterhalt"

In einer Videobotschaft hat der ehemalige Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn alle Untreuevorwürfe gegen ihn zurückgewiesen. Der seit letzter Woche erneut in Japan inhaftierte Manager stellte sich in der Videoaufzeichnung als Opfer einer Verschwörung beim japanischen Autobauer Nissan dar.

"Es geht nicht um Gier oder Diktatur, hier geht es um ein Komplott, eine Verschwörung, einen Hinterhalt", sagte Ghosn auf dem Video, das seine Anwälte der Presse am Dienstag in Tokio vorspielten.

Ghosn soll nach der Anklage der Staatsanwaltschaft über Jahre zig Millionen Dollar an Einkünften widerrechtlich verschwiegen und Gelder von Nissan veruntreut haben. In dieser Woche wollte er sich erstmals seit seiner Verhaftung in einer Pressekonferenz direkt an die Öffentlichkeit wenden. Doch einen Tag nach der Ankündigung dazu nahm ihn die Staatsanwaltschaft in Tokio erneut fest wegen des Verdachts, er habe 5 Mio. Dollar (4,5 Mio. Euro) Firmengelder beiseitegeschafft. Zuvor war er einen Monat lang gegen eine Kaution von 9 Mio. Dollar auf freiem Fuß gewesen, währenddessen wurde das Video gedreht.

Nach Ghosns Darstellung steckt hinter der behaupteten Verschwörung ein Machtkampf um die von ihm angestrebte engere Zusammenarbeit von Renault und Nissan, die seit rund 20 Jahren kooperieren. "Es gab die Befürchtung, dass der nächste Schritt der Allianz zu einer Konvergenz und einer Fusion einige Leute oder die Eigenständigkeit von Nissan auf gewisse Weise gefährden würde." Er nannte in dem Video auch Namen, doch diese wurden aus rechtlichen Gründen herausgeschnitten.

Ghosns Rechtsanwalt Junichiro Hironaka prangerte das harte Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen den einst gefeierten Automanager und seine Ehefrau an. Er sei körperlich und mental stark unter Druck gesetzt worden, um ein Geständnis zu erzwingen. Die Staatsanwaltschaft war für eine Stellungnahme dazu nicht unmittelbar zu erreichen.

Kritiker aus dem Westen halten dem japanischen Justizsystem Geiselnahme-Methoden vor, weil Beschuldigte ohne Geständnis oft nicht auf Kaution freigelassen werden. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte sich über die Haftbedingungen Ghosns besorgt geäußert, nach eigenen Worten auch im Gespräch mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe. Auf die Bitte von Ghosns Ehefrau an die französische Regierung, Ghosn zu unterstützten, reagierte Finanzminister Bruno Le Maire zuletzt zurückhaltend. Er sei nicht sicher, dass politisches Eingreifen unbedingt der beste Weg wäre, um zu helfen, sagte er dem Radiosender France Info diese Woche.

Ein Gericht in Tokio entschied am Freitag, dass die Staatsanwaltschaft Ghosn noch bis zum 14. April festhalten darf. Diese Frist kann auf Anfrage um weitere zehn Tage verlängert werden.

Ghosns Nachfolger als operativer Konzern-Chef von Nissan, Hiroto Saikawa, hatte die Vorwürfe im vergangenen Jahr öffentlich gemacht. Der japanische Autobauer setzte den Manager unmittelbar nach dessen Verhaftung im November als Verwaltungsratsvorsitzenden ab. Die Hauptversammlung vollzog das mit einem formellen Beschluss am Montag nach. Renault hatte mit Konsequenzen gezögert, weil die Gesetzesverstöße nicht erwiesen sind, dann aber den bisherigen Michelin-Chef Jean-Dominique Senard zum Chairman sowie Interimschef Thierry Bollore zum regulären Vorstandsvorsitzenden ernannt. Ghosn trat bei Renault selbst zurück, blieb aber Direktoriumsmitglied. Der Prozess gegen ihn könnte in Tokio im Herbst beginnen. Es drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Nissans Kritik an der Übermacht von Renault war schon länger bekannt. Mitte März einigten sich Renault, Nissan und der seit 2016 zu dem Bündnis gehörende Autobauer Mitsubishi auf eine gleichberechtigte Partnerschaft. (reuters/dpa/apa/red)