Energie : EVN-Chef Hofer: "Lutz Claassen war sehr eigen"

Burkhart Hofer
© Waldner

INDUSTRIEMAGAZIN: Ihr zweitgrößter Einzelaktionär, die deutsche EnBW, ist mit Ihnen unzufrieden. Er sagt, Sie erfüllen die für Sie vorgesehene Vorreiterrolle in Südosteuropa nicht und will nun seine Anteile verkaufen. Was haben Sie falsch gemacht?Burkhard Hofer: Ich glaube, dass die EnBW mit unserem Auslandsengagement durchaus zufrieden ist. Wir sind heute im Strombereich neben Niederösterreich in Bulgarien, Mazedonien und in Albanien tätig – und haben hier im ersten Quartal 2009/10 ein knapp positives Ergebnis erwirtschaftet. Man könnte meinen, Sie halten den Grund für den Ausstieg für vorgeschoben? Die EnBW gehört zu den Unternehmen, die ihren Führungsanspruch bekräftigen und ihre Beteiligungen voll konsolidieren wollen. Da das mit der EVN und dem Land Niederösterreich als größtem Einzelaktionär nicht möglich ist, plant sie nun konsequenterweise den Ausstieg. Dennoch wäre es in all den Jahren möglich gewesen, gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen. Gab es keine Anknüpfungspunkte oder stimmt die Chemie nicht?Das lag sicherlich auch an den Personen. EnBW-Chef Utz Claassen, der dem Unternehmen bis 2007 vorstand, war sehr eigen. Dabei hätte es viele Anknüpfungspunkte gegeben – und zwar im Energie- als auch im Umweltgeschäft. Eine Einladung zu einer Zusammenarbeit haben wir von der EnBW damals aber nie erhalten. Zum jetzigen EnBW-Chef haben wir ein sehr positives und konstruktives Gesprächsklima.Ganz so rund scheint es in Südosteuropa für Sie aber nicht zu laufen. In Bulgarien kam Ihnen kürzlich ein Partner abhanden. Kam die Entscheidung des Salzburger Baukonzerns Alpine, aus dem gemeinsamen Kraftwerksprojekt auszusteigen, für Sie überraschend?Ja, das kann man schon sagen. Immerhin verfolgen wir das Wasserkraft-Projekt Gorna Arda seit 2009 gemeinsam. Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach dem Alpine-Rückzug?Ja, wir wollen das Projekt mit dem verblieben Partner realisieren. Das ist die staatliche NEK, die mit rund 69,9 Prozent beteiligt ist. In einem ersten Schritt wird die EVN die Anteile, der Alpine übernehmen. Gemeinsam mit der NEK werden wir das Wasserkraftprojekt neu bewerten und gemeinsam entscheiden, in welcher Form es umgesetzt werden kann. Lesen Sie auf Seite 2 wie Burkhard Hofer die Gefahren einer Re-Verstaatlichung in Bulgarien einschätzt.

Es heißt, die Alpine wolle mit diesem Schritt ihre Verhandlungsposition gegenüber der Regierung verbessern, was die Konditionen angeht. Halten Sie einen Wiedereinstieg Ihres ehemaligen Partners für realistisch?Alles ist möglich. Die Baufirma wird im Rahmen einer Ausschreibung neu auszuwählen sein. Sollte die Alpine daraus als Best-Bieter hervorgehen, wäre sie wieder mit im Boot. Könnte die Budgetnot in Bulgarien dazu führen, dass das Projekt auf Eis gelegt wird?Nein, das schließe ich aus. Unseren Informationen nach ist die bulgarische Regierung sehr daran interessiert, Kraftwerkskapazitäten zu erreichen. Geplant ist eine Kraftwerkskette mit einer maximalen Kapazität von 170 Megawatt zu errichten. Das können zwei oder drei Anlagen sein. Die Entscheidung fällen wir in den nächsten Monaten. Bulgarien will die Privatisierung der E-Wirtschaft weiter vorantreiben und plant den Verkauf des Drittel-Anteils an der bulgarischen E.ON-Tochter. Hat man Ihnen auch schon angeboten, die Stromverteilgesellschaft, an der Sie in Bulgarien beteiligt sind, vollständig zu übernehmen?Die Überlegung, dass Bulgarien seine noch bestehenden Minderheitsanteile an den Verteilgesellschaften abgeben könnte, ist im Zusammenhang mit den Budgetnöten hochgekommen. Sollte uns die bulgarische Regierung ein entsprechendes Angebot unterbreiten, werden wir uns als Mehrheitseigentümer an einem solchen allfälligen Verkaufsprozess natürlich beteiligen. Es ist aber alleinige Entscheidung der Republik Bulgarien ob sie uns Anteile anbietet oder ihre Anteile über die Börse veräußert. Grundsätzlich liegt unser Fokus aber auf der Schaffung weiterer Erzeugungskapazitäten. Sie haben also an den EON-Anteilen kein Interesse, sollte sich das Unternehmen aus Bulgarien zurückziehen?Nein, daran haben wir kein Interesse. In Bulgarien als auch in Mazedonien sind wir an Verteilgesellschaften beteiligt, weitere Engagements in diesem Bereich sind für uns nicht von Interesse.Parallel zu den Überlegungen zu einer weiteren Privatisierung schwelt in Bulgarien die Diskussion einer Re-Verstaatlichung der E-Wirtschaft. Wie geht das Ihrer Meinung nach zusammen?Da ist noch keine klare Linie gefunden worden. Fakt ist, dass die budgetären Probleme in Bulgarien derzeit sehr akut sind. Können diese auch auf einem anderen Weg als über weitere Privatisierungen gelöst werden, wird der Staat sicherlich keine weiteren Anteile abgeben. Schließlich ist die Energiewirtschaft auch in Bulgarien ein wichtiger strategischer Sektor. Haben Sie sich nie ernsthafte Sorgen gemacht, dass der bulgarische Staat seine Anteile von Ihnen zurückfordern könnte? Innerhalb der EU ist es heute nicht mehr so einfach möglich, Re-Verstaatlichungen vorzunehmen. Das wäre nur gegen Entschädigung möglich – und angesichts der Verhältnisse halte ich das nicht für besonders realistisch. Der Staat drohte auch deshalb mit Re-Verstaatlichung, weil er mit dem Geschäftsgebaren der bulgarischen EVN-Tochter unzufrieden war. Insbesondere kritisiert er, dass diese keine Dividenden ausschüttet. Werden Sie dem Staat hier entgegenkommen?Wir haben bewusst in den vergangenen Jahren keine Dividenden gezahlt, weil wir das Geld im Unternehmen belassen wollten, um in Bulgarien in die Versorgungssicherheit zu investieren. Entsprechende Vereinbarungen haben wir bei der Übernahme getroffen. Ein solches Verhalten kann man uns also nicht wirklich vorwerfen. Sie werden also auch künftig keinen Beitrag leisten, um die Haushaltslöcher des bulgarischen Staates zu stopfen?Wir planen heuer erstmals Dividenden auszuschütten. Der bulgarische Staat ist mit einem Drittel an unserer Stromgesellschaft beteiligt, somit wird auch er profitieren. Es wird aber nicht so viel Geld fließen, dass sich damit Haushaltslöcher stopfen lassen. Wie steht die bulgarische EVN-Tochter wirtschaftlich dar?Wir haben im vergangenen Jahr rund 20 Millionen Euro Gewinn erzielt. Das ist angemessen, aber natürlich auch noch steigerbar. Auch in Mazedonien gibt es Probleme. Dort sind Sie in einen Rechtsstreit verwickelt, der immer wieder vertagt wird. Worum geht es hier genau? Der staatliche Energieversorger ELEM hat uns auf die Zahlung von 160 Millionen Euro geklagt, weil es im Vorgängerunternehmen der EVN Mazedonia offene Stromrechnungen mehrerer hunderttausender Kunden gab, die wir nun eintreiben und abführen sollen. Das Problem hat sich über die Jahre extrem aufgeschaukelt. Nur durch intensive Gespräche konnten wir jetzt ein Klima schaffen, der in einem Vergleich münden könnte. Wie könnte der aussehen? Wir sind dabei eine Paketlösung zu vereinbaren, die nicht nur das Thema Altschulen enthält, sondern alle bis dato strittigen Punkte. Die Bandbreite reicht von einem besseren Rechtsschutz über die Erledigung der strittigen Investitionsverpflichtungen bis hin zu zukünftigen Regulierungsbestimmungen. Hier gibt es sehr konkrete Vorschläge, so dass man davon ausgehen kann, dass wir uns in den nächsten Wochen einigen werden. Lesen Sie auf Seite drei, wie Hofer gegen Stromdiebstahl vorgehen will.

Auf die Idee, den neuen Eigentümer auf die Eintreibung und Abführung von Altschulen zu klagen, muss man erst mal kommen. Halten Sie die Mazedonier für schlitzohrig?Dass wir uns in allen 18 Ländern in denen wir derzeit tätig sind mit kulturellen Besonderheiten auseinander setzen müssen, ist klar. Dass wir diese in dem einen oder anderen Punkt unterschätzt haben, kann schon sein. Und natürlich sind auch die Mazedonier auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Ein weiteres Problem, unter dem Sie in Mazedonien leiden, ist der Stromklau. Inwieweit ist es Ihnen gelungen, diesen einzudämmen?Es ist uns gelungen, den Stromdiebstahl in den vergangenen Jahren deutlich zu senken. Unsere Einbringungsquote liegt dort heute bei rund neunzig Prozent. Das entspricht dem mitteleuropäischen Durchschnitt. Ein ähnliches Problem haben wir in Bulgarien vorgefunden, allerdings nicht in dieser Schärfe. 21. April 2010 - was sagt Ihnen das Datum? Geben Sie mir ein Stichwort.Syndikatsvertrag. Ja, genau. An dem Tag haben wir mit dem Verbund einen Syndikatsvertrag für das Wasserkraftwerk Ashta in Albanien unterzeichnet. Das wird mir ewig in Erinnerung bleiben!Aber immerhin ist es doch die erste internationale Partnerschaft zwischen dem Verbund und der EVN. Nähert man sich jetzt über das Ausland an?Schon seit längerem gibt es eine Übereinstimmung mit dem Verbund-Vorstand, im Ausland gemeinsam Projekte umzusetzen. Allerdings hat die Wirtschaftskrise dazu geführt, dass der Verbund die Expansionsstrategie in Ost- und Südosteuropa vorerst auf Eis gelegt hat. Insofern ist Albanien jetzt ein erster Schritt. In Österreich hingegen nehme ich nicht an, dass kurzfristig partnerschaftliche Projekte entstehen werden. Wie sehen Ihre weiteren Expansionspläne im Energiebereich im Ausland aus?In Kroatien werden wir in den nächsten Jahren Gasnetze errichten und hier erstmals unser Know-how im Gasbereich im Ausland einsetzen. Derzeit läuft auch eine Ausschreibung für ein türkisches Verteilunternehmen im Strombereich. Die schauen wir uns natürlich an. Zudem werden wir gewisse Arrondierungen vornehmen. (Vanessa Voss) Zur Person Burkhard Hofer, 65, ist Jurist und seit mehr als 25 Jahren in der EVN tätig. Er leitete zuletzt die Hauptabteilung für Rechtsangelegenheiten, Beteiligungs- und Projektkoordination. 2005 wechselte er in den Vorstand, drei Jahre später wurde er zum Generaldirektor der EVN ernannt.