Digitalisierung : Europäische Industrie "ist in Gefahr"

"Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit von Europas Industrie quer durch alle Branchen: von Autos über Energie zu Haushaltsanwendungen und dem Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor", sagte Oettinger laut Redemanuskript am Dienstag auf der Hannover Messe. "Alle sind in Gefahr, wenn sie nicht schnell digitale Technologien übernehmen."

Die digitale Entwicklung in Richtung der sogenannten Industrie 4.0 kremple auch traditionelle Wirtschaftszweige um, machte der deutsche EU-Kommissar deutlich. Daher sei es gut möglich, "dass das nächste Google oder Apple" aus einem Zweig wie der Textilbranche oder der Autoindustrie komme. Noch offen sei aber, wie sehr Europa davon profitiert. "Werden wir zum Beispiel nur Autos verkaufen, oder auch die ganze Palette digitaler Dienstleistungen, die mit dem Auto kommen?"

Bisher mache die Wirtschaft zu wenig aus den Möglichkeiten des Internets, kritisierte Oettinger. So nutzten im EU-Durchschnitt nur 14 Prozent der mittelständischen Unternehmen das Internet zum Verkauf. Und lediglich 1,7 Prozent aller Unternehmen in Europa setzten fortgeschrittene Anwendungen wie Robotik oder Cloud Computing ein. Die Hälfte der Industriebetriebe kann darüber hinaus mit dem Begriff "Industrie 4.0" wenig bis gar nichts anfangen.

Schwachstellen machte Oettinger auch bei Bildung und Forschung aus. Darüber wolle er bald mit den Bildungsministern sprechen, kündigte er an. Auch wenn die Bildungspolitik nicht in die Zuständigkeit der EU falle, brauche es eine "gemeinsame Anstrengung, um einen schnelleren Fortschritt zu ermöglichen". Jedes Jahr würden in Europa 150.000 neue IT-Experten gebraucht. Für die Spitzenforschung solle künftig jede europäische Region über mindestens ein "Innovations-Zentrum" verfügen, wie er etwa in Deutschland mit dem Namen der Fraunhofer-Gesellschaft verbunden sei, hieß es im Redemanuskript.

Auch Voestalpine-Chef Wolfgang Eder spricht des öfteren über die Gefährdung europäischer Industrieunternehmen; er meint damit jedoch die Politik: Sie setze die globale Konkurrenzfähigkeit des Industriestandortes Europa für energieintensive Branchen aufs Spiel. (apa/afp)