Energie : Europa weiterhin einer der weltgrößten Kohleverbraucher
Entgegen der eigenen Wahrnehmung als Vorreiter im Klimaschutz gehört Europa noch immer zu den weltweit größten Verschmutzern durch Kohlekraft. Dies ist eines der Ergebnisse des internationalen Coal Atlas 2015 (Kohleatlas), den die Heinrich-Böll-Stiftung in Brüssel vorstellte.
Der Kontinent habe dabei durch seine jahrzehntelange Nutzung der schmutzigen Technologie "eine historische und aktuelle Klimaschuld" und daher eine besondere Verantwortung, den Umstieg auf erneuerbare Energien voranzutreiben, erklärte der Vorstand der den Grünen nahestehenden Stiftung.
Mehr als jeder andere Energieträger sei Kohle für die Klimaerwärmung verantwortlich, stellten die Autoren des Kohleatlas fest. Allein im vergangenen Jahr seien 44 Prozent aller CO2-Emissionen im Energiesektor und etwa ein Viertel aller Treibhausgasemissionen durch Kohle entstanden. Durch Abbau und Verbrennung entstünden neben klimaschädlichen Abgasen zudem noch weitere Schäden, wie etwa die durch den Tagebau großflächig zerstörten Landschaften in Deutschland oder die starke Luftverschmutzung in Polen zeigten. Hinzu kämen Zwangsumsiedlungen und eine Drangsalierung der von Kohleprojekten betroffenen Bevölkerung.
"Im Griff der Kohle-Lobby"
Der anhaltende Widerstand innerhalb der EU gegen einen Ausstieg aus der emissionsträchtigen Energiequelle zeige, dass Europa noch immer "im Griff der mächtigen Kohle-Lobby" stecke, erklärte Jagoda Munic von der ebenfalls an der Studie beteiligten Umweltschutzorganisation Friends of the Earth. Der Atlas gibt die durch Kohle verursachten Gesundheitskosten allein in der EU mit 43 Milliarden Euro an. Doch anstatt gegenzusteuern, subventionierten die EU-Mitgliedstaaten die Kohleindustrie jährlich noch mit rund 10 Milliarden Euro. Ohne die staatlichen Zuwendungen würde Kohlestrom demnach das Doppelte kosten.
Die Erfolge bei der deutschen Energiewende zeigten, dass erneuerbare Energien mit modernen Industriegesellschaften nicht nur "perfekt kompatibel" seien, sondern zudem als "Innovationstreiber und Jobmotor" wirkten, erklärte der Vorstand der Böll-Stiftung. Die EU müsse den Ausbau einer Energie-Union deutlich energischer vorantreiben und dabei in Europa und weltweit Subventionen abbauen sowie Abgaben für CO2-Emissionen erhöhen, forderte der Vorstand. Wolle die EU beim UN-Klimagipfel Ende November in Paris ihrem Anspruch als Klimaschützer gerecht werden, müsse sie ein "eindeutiges Signal für den Kohleausstieg setzen".
Emissionen in die "verlängerte Werkbank" China ausgelagert
Überdies müssten auch Europas "versteckte Emissionen" stärker berücksichtigt werden, forderte Lucy Cadena von Friends of the Earth. China beispielsweise würde als "verlängerte Werkbank" die Konsumgüter für den Kontinent produzieren, der so seine Emissionen in andere Länder auslagere. Allerdings stellte die Studie auch fest, dass Chinas Kohleverbrauch 2014 erstmals seit 30 Jahren gesunken sei. Das Land setze außerdem ebenso wie Anleger in den USA immer stärker auf Erneuerbare. Für eine "führende Klimaschützerin" EU gäben die Fakten dagegen keinen Anlass, erklärte Cadena. (afp/apa)