Big Data : „Europa macht die Regeln, Innovationen machen die anderen“

Datenbanken und ausgetüftelte Algorithmen machen es heute möglich, Daten aller Art zu hamstern, zu analysieren und schließlich zu vermarkten. Die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation diskutierten kürzlich Google Director Brand Solutions DACH Karl Pall, Medienmanager Rudolf Klausnitzer, Andrea Rinderknecht von Patientube.com, Liechtensteins Datenschutzbeauftragter Philipp Mittelberger und IT-Sicherheitsexperte Peter Katko von Ernst and Young im Rahmen einer Veranstaltung der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL).

Der Spion in der Hosentasche

Datenschützer kritisieren das Sammeln, Aufbereiten und Verkaufen von Daten seit Jahren, für Google Director Brand Solutions DACH Karl Pall ist das hingegen der Schlüssel zum Erfolg, denn: „Big Data befeuert die Innovation“. Man könne Big Data nicht verhindern, so Pall. „Wir müssen damit leben und das Beste daraus machen. Wenn ich im vernetzten Auto unterwegs bin, gebe ich auch meine Daten her und bekomme dafür relevante Verkehrsinformationen. Das ist ein Geben und Nehmen.“ Dieses Geben und Nehmen hat aber selbst für einen Google-Manager Grenzen - nämlich beim Smartphone, dem „Spion in der Hosentasche“. „Nicht alles muss man hergeben. Man muss sich bewusst sein, wo produziere ich Daten? Ich würde nicht alle meine Handydaten hergeben. Ich verlasse mich da auf meinen Provider.“

In Sachen Privatsphäre hätten wir die Datenschlacht längt verloren, weshalb Pall sein Smartphone ruhig für jedermann zugänglich machen könne, meint hingegen Medienprofi Rudi Klausnitzer. „Der Zug ist abgefahren. Die meisten Transaktionen, die wir machen, sind digital und damit nachvollziehbar. Zudem nützen wir digitale Services, auch wenn wir sie nicht wirklich benötigen. Wir erzeugen ständig Bewegungsmuster bzw. ökonomische Muster durch unsere Kreditkarten. Zu glauben, alles regeln zu können, ist eine europäische Krankheit. Europa ist Regelweltmeister. Die Innovationen machen die anderen.“

Daten wissen oft, was wir selbst nicht wissen

Liechtensteins Datenschutzbeauftragter Philipp Mittelberger führte zum Thema Daten sammeln Beispiele auf, die seltsam anmuten: „Ich kenne den Fall einer 16-Jährigen, die aufgrund ihres Einkaufsverhaltens vom Algorithmus eines Supermarktes als schwanger eingestuft wurde. Daraufhin bekam sie personalisierte Werbung zugesandt, die dann ihr Vater gesehen hat. Die Warenhauskette wusste etwas über das Mädchen, dass der Vater nicht wusste. Und auch das Mädchen hatte keine Ahnung, dass es ein Kind erwartet. Big Data hat eben gute und schlechte Seiten. Leider ist die allgemeine Begeisterung so groß, dass keine genaue Nachfrage mehr erfolgt.“

Der Datenhunger ist dabei aber nicht einfach gegeben oder ausschließlich durch Technologie - à la „Wir können, also tun wir“ - getrieben: „Der Hunger kommt mit dem Essen. Als Unternehmer weiß man zuerst nicht, was man mit diesen Daten anfangen soll. Dann muss man sich Gedanken dazu machen, wie man den Datenschutzverordnungen standhalten kann. Verwendet man diese Daten richtig, dann gibt es einen konkreten Kundennutzen, wo z.B. Patienten mittels Apps während einer Therapie begleitet werden. Eine Gefahr besteht aber immer: Bin ich wirklich krank, oder fühle ich mich krank, weil meine App das so sagt?“, erklärt „Patientube.com“-Gründerin Andrea Rinderknecht.

Die Mär, Daten kontrollieren zu können

Der IT-Sicherheistsexperte Peter Katko plädiert für Möglichkeiten, eigene Daten selbst zu kontrollieren: „In Seitensprungportalen in den USA konnte man seine Daten löschen. Daran glaubten zumindest die User, bis jemand den Server gehackt hat und einige Leute ziemliche Probleme bekommen haben. Privacy bedeutet, meine Daten zu kontrollieren und zurückholen zu können, wann immer ich es will.“