Wirtschaftspolitik : EU will Autoabgase reduzieren - ohne Strafen für Autobauer

Autohersteller müssen den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotten für Pkw und Vans bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. Dies sieht ein Gesetzesentwurf der EU-Kommission in Brüssel vor, den Vizepräsident Maros Sefcovic vorstellte. Eine Quote für E-Autos schlägt die EU-Behörde nicht vor, allerdings könnten es drei Millionen Stück bis 2030 sein.

Stattdessen will die EU-Kommission über unverbindliche Benchmarks Anreize für die Autohersteller schaffen, damit diese bis 2030 mehr Null- und Niedrigemissionswagen produzieren. Autobauer, die ihre Benchmark übererfüllen, können dies dann mit den CO2-Zielen gegenverrechnen, also vom Reduktionsziel abziehen. Referenzjahr für die CO2-Reduktion ist das Jahr 2021. Bei Verstoß gegen die CO2-Auflagen sollen den Herstellern millionenschwere Bußgelder drohen.

"Das Auto wurde in Europa erfunden. Es sollte auch in Europa neu erfunden werden"

Sefcovic betonte, mit dem Paket beweise die EU "Führungsstärke" gegenüber China und anderen globalen Wettbewerbern. Verkehr sei für ein Viertel der CO2-Emissionen der EU verantwortlich und der Hauptverursacher in den Städten. Das Paket gewährleiste zudem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Das Paket sei ein Signal für die Industrie aufzuholen. Die Standards seien ehrgeizig aber nicht verzerrend. "Das Auto wurde in Europa erfunden, es sollte auch in Europa neu erfunden werden", so Sefcovic.

Das Paket der EU-Kommission soll dazu beitragen, dass die EU ihr verbindliches 40-prozentiges CO2-Reduktionsziel nach dem Pariser Klimaschutzabkommen erfüllt. EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska sagte, die europäische Automobilindustrie befinde sich an einem Wendepunkt. Sie müsse nun in neue und saubere Technologien investieren. Bienkowska zeigte sich überzeugt, dass Verbrennungsmotoren schnell vom Markt verschwinden würden. Sie forderte die EU-Staaten auch auf, über Steueranreize für Elektroautos nachzudenken.

EU-Kommissar: Drei Millionen Elektroautos "möglich"

EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete erklärte, durch den vorgesehenen Anreizmechanismus für emissionsfreie Autos und emissionsarme, Plug-in-Hybride könnte es in der EU bis 2030 drei Millionen Elektroautos geben. Den Ausbau von Strom-Ladestationen für Elektroautos will die EU-Kommission mit 800 Mio. Euro fördern. Allerdings geht die Kommission davon aus, dass 2030 noch 80 Prozent der Neuwagen einen Verbrennungsmotor haben werden. Die Möglichkeit zur Gegenverrechnung des Anteils dieser Autos mit den CO2-Vorgaben soll nach dem Willen der EU-Kommission auf 5 Prozent begrenzt sein.

Strengere Kontrollen sollen sicherstellen, dass die Autohersteller die EU-Vorgaben in der Wirklichkeit erfüllen und nicht nur auf dem Papier, sagte Canete. Autohersteller, die gegen die CO2-Auflagen verstoßen, müssten dann 95 Euro für jedes Gramm pro Neuwagen über dem Limit Strafe zahlen. Um die Angaben zu überprüfen, werde die EU-Kommission die Messdaten des Treibstoffverbrauchs in den Autos heranziehen. Für die Autoindustrie biete dies die Gelegenheit, nach dem Abgasskandal wieder das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen.

Durch den Vorschlag der EU-Kommission könnten so viele CO2-Emissionen eingespart werden wie Österreich und Griechenland jedes Jahr produzieren, sagte Canete. Ausgehend von einer Lebensdauer von 15 Jahren beim Kauf eines "durchschnittlichen Neuwagens" soll der Entwurf für die Verbraucher zudem Nettoeinsparungen in Höhe von bis zu 600 Euro bis 2025 und 1.500 Euro bis 2030 bringen, rechnete der EU-Kommissar vor. Bis zu 70.000 neue Jobs würden durch das Paket in Europa geschaffen, ohne dass bestehende Arbeitsplätze verloren gingen. Durch den Vorschlag könne die EU auch Ölimporte von 6 Mrd. Euro pro Jahr bis 2040 einsparen, sagte Canete.

Befürworter: Elektroautos noch überhaupt nicht ausgereift

Die ÖVP-Europaabgeordneten Claudia Schmidt und Paul Rübig begrüßten den Vorschlag. "Es ist richtig, Anreize für moderne, saubere Autos zu schaffen. Ich werde aber entschlossen gegen einseitige Zwangsmaßnahmen und die Hexenjagd auf Verbrennungsmotoren kämpfen", sagte Schmidt.

Die Technologie für Elektroautos sei noch nicht ausgereift, sagte Rübig. Das Recycling der Lithium-Ionen-Batterien funktioniere bisher nicht richtig. Auch gebe es riesige Sicherheitsprobleme, wenn die Batterien in Brand geraten. "Das Löschen dauert lange", sagte Rübig. Er warnte außerdem vor einer indirekten Förderung der Atomkraft und von Kohlekraftwerken in Europa durch das Forcieren von Elektroautos. (apa/red)

Neue Umweltvorgaben für Autos sind politisch ein heißes Eisen - nicht nur im Autoland Deutschland. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für verschärfte Kohlendioxid-Werte kam am Mittwoch Kritik von fast allen Seiten:

"Der vorgelegte Entwurf stellt die Automobilindustrie vor extreme Herausforderungen. Ob diese vorgeschlagenen CO2-Zielwerte zu erreichen sind, ist aus heutiger Sicht mehr als fraglich." (Verband der Automobilindustrie VDA)

"Ambitionierte CO2-Grenzwerte sind wichtig für den Schutz von Umwelt und Ressourcen. Die EU-Kommission bleibt mit ihrem Verordnungsvorschlag allerdings hinter unseren Erwartungen zurück. Die technischen Möglichkeiten, um unsere Fahrzeugflotten nachhaltig emissionsarm zu machen, sind schon heute vorhanden." (Automobilclub ADAC)

"Die EU-Kommission ist vor den Autoherstellern eingeknickt. Dieser lasche Vorschlag wird den Verkehrssektor nicht auf Klimakurs bringen." (Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub VCD)

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude "Junckers vorgezogenes Weihnachtsgeschenk an die Autoindustrie höhlt die Klimaziele aus". (Europäische Organisation Transport & Environment)

"Der Vorschlag der EU-Kommission ist nicht geeignet, die klimaschädlichen Emissionen im Verkehr ausreichend zu reduzieren." (Umweltverband BUND)

"Mit dem Vorschlag der EU-Kommission erreichen wir die Pariser Klimaziele nicht. Eine Emissionsreduzierung von 60 Prozent statt 30 Prozent bis 2030 wäre nötig, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen." (Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament)

Die "Forderung der Grünen und von Umweltverbänden nach einer 40-prozentigen oder sogar 60-prozentigen Absenkung halte ich für absurd und sie ist nicht zu begründen". (Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament)

(dpa/apa/red)