"Lesser-duty-rule" : EU könnte in Kürze den Schutz vor Billigstahl verstärken

Die Europäische Union will Verfahren zum Schutz der Stahlindustrie vor Billigimporten beschleunigen. Dazu will die EU-Kommission am Mittwoch im Laufe des Tages konkrete Schritte vorstellen. Das berichten übereinstimmend die "Süddeutsche Zeitung", die Nachrichtenagentur Bloomberg und der Fachdienst "Stahl Aktuell".

Düstere Stimmung in der Branche

Die Stimmung in einem Großteil der Branche ist düster: Große Konzerne wie Arcelormittal schreiben Milliardenverluste, deutsche Branchenriesen wie Salzgitter kündigen den Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen an. Unter den wohlwollenden Blicken der Firmenchefs gehen Stahlarbeiter auf die Straße, um gegen diese Entwicklung und für einen höheren Schutz der Branche zu demonstrieren. So zuletzt mehrmals in Großbritannien - oder im Februar direkt am Sitz der EU-Kommission in Brüssel, übrigens auch unter der Beteiligung zahlreicher Mitarbeiter der heimischen Voestalpine.

Die wichtigste Ursache der Situation ist bekannt: Stahlimporte zu sehr tiefen Preisen aus Übersee. Geert van Poelvoorde, Chef der europäischen Flachstahlsparte von Arcelormittal, wird bei der Nennung der Ursachen recht eindeutig: "Das Problem kommt komplett aus China". Van Poelvoorde zufolge liegen die Überkapazitäten des Landes inzwischen bei 400 Millionen Tonnen.

Mehrmals hat Peking sein Vorhaben bekräftigt, in den nächsten Jahren vor allem in der Stahlindustrie und bei der Kohleförderung die massiven Überkapazitäten des Landes abzubauen - und dabei auch hunderttausende Jobs in der Stahlindustrie zu streichen. Doch die europäische Stahlbranche bleibt skeptisch.

Die "Regel des geringsten Zolls" im MIttelpunkt

Tatsächlich haben sich laut einem aktuellen Papier der EU die Stahlimporte aus China innerhalb der vergangenen drei Jahre mehr als verdoppelt. Der Preis für bestimmte Stahlprodukte ist indes um bis zu 40 Prozent eingebrochen. Europäische Hersteller sprechen von eindeutigem Dumping. Nach Protesten bis auf Regierungsebene hat die hat die EU-Kommission in den vergangenen Monaten mehrere Maßnahmen erlassen, um dagegen zu steuern. So haben zuletzt Deutschland und sechs weitere EU-Staaten ein deutlich entschiedeneres Vorgehen gefordert.

Bei den Schritten, die am Mittwoch vorgestellt werden sollen , könnte eine solche Maßnahme bekannt gegeben werden - oder auch nicht. Möglich ist etwa, dass Europa die sogenannte "Regel des geringsten Zolls" abschafft. Diese "lesser-duty-rule" ist in der Stahlindustrie besonders umstritten - gilt sie doch als eine zentrale Ursache dafür, dass die Schutzzölle in der EU niedriger sind als in anderen Ländern - und das eigentlich festgestellte Dumping nicht ausgleichen. Eine solche Regel zum Nachteil der heimischen Industrie werde weder von der WTO vorgeschrieben, noch von einer anderen Industrienation angewendet, so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Offenbar blockieren einzelne Staaten

Im Gespräch ist offenbar auch ein ein Frühwarnsystem für Stahlimporte, die europäischen Produzenten schaden könnten, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" mit einer für sie gewohnten Andeutung im Titel des Artikels, diesmal auf ein Lied der Band "Ton Steine Scherben".

Allerdings arbeitet die EU-Kommission bereits seit 2013 an einer Reform der Schutzzölle - was offenbar bisher am Rat der Europäischen Union gescheitert ist. In diesem EU-Rat stimmen die einzelnen Staatsregierungen ihr Handeln ab. Und wie der Fachdienst "Stahlbau Aktuell" berichtet, haben dabei offenbar mehrere europäische Staaten bisher klar die Abschaffung der Lesser-Duty-Rule blockiert. Auch jetzt wäre eine Abschaffung dieser "Regel des geringsten Zolls" erst mit der Zustimmung der einzelnen Staaten möglich.

Doch mittlerweile ist die Lage der Stahlbranche auch in der breiteren Öffentlichkeit ein Thema. Und auch die öffentliche Meinung dazu ist recht eindeutig: Gegen eine Stahlschwemme und für einen besseren Schutz der europäischen Stahlbranche.

(pm)