Rechtstipp : ESG – drei Buchstaben, die zum Umdenken zwingen

Umwelt-, Sozial- und Governance-Investitionen (ESG-Investitionen) werden eingesetzt, um Investitionen auf der Grundlage der Unternehmenspolitik zu überprüfen und Unternehmen zu verantwortungsvollem Handeln zu ermutigen.
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Seitdem die Vereinten Nationen vor vier Jahren die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ beschlossen haben, ist das Thema ESG aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken. Konkret wurden 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung – die sogenannten „UN Sustainable Development Goals“ – definiert.

Nun erreicht das Thema auch die Finanzbranche: Die EU prescht derzeit mit zahlreichen Rechtsakten vor, um ESG-Faktoren in vielen Bereichen des Finanzsystems zu verankern. Ziel ist ein Komplettumbau in Richtung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft („Sustainable Finance“). Im Vordergrund steht dabei derzeit das „E“ in ESG, also Umweltziele, da die EU-Kommission von heute bis 2030 einen jährlichen (!) Investitionsbedarf von rund 180 Mrd. Euro zur Umsetzung der EU-Klima- und Energieziele errechnet hat.

Finanzbedarf: 180 Milliarden pro Jahr

Hauptanliegen der EU-Reformmaßnahmen ist es daher, möglichst viel privates Kapital für nachhaltige Investitionen zu mobilisieren. Dieses Kapital dürfte vorhanden sein: Ein Bericht der Weltbank-Schwester IFC spricht von 26 Billionen US-Dollar, die nachhaltig investiert werden wollen. Hauptgrund für die bislang zu zögerliche Mobilisierung ist nach Ansicht vieler Experten mangelnder Konsens darüber, was denn nun tatsächlich als „nachhaltig“ zu werten sei. Dem will die EU entgegenwirken und insbesondere mit einer sogenannten „Taxonomie“-Verordnung einen Katalog an Aktivitäten definieren, die als ökologisch nachhaltig angesehen werden.

Darüber hinaus werden ESG-Faktoren in die Finanzberatung und in zahlreiche Offenlegungsvorschriften für institutionelle Investoren und Vermögensverwalter Eingang finden. Ein eigener „Green Bond“-Standard der EU soll den Markt für „grüne Anleihen“ ankurbeln und Finanzierungen für nachhaltige Investments über den Kapitalmarkt mobilisieren. Aber auch bei den Anforderungen an das Risikomanagement von Finanzmarktakteuren werden ESG-Faktoren – und dabei insbesondere ökologische Faktoren – vermehrt Berücksichtigung finden.

Unternehmen müssen sich vorbereiten

Auch für Unternehmen haben diese Maßnahmen Bedeutung: Ist ein Unternehmen auf Eigen- oder Fremdmittelfinanzierung angewiesen, sollten Risiken und Chancen im Bereich von ESG-Faktoren vermehrt analysiert werden. Für einen kleinen Kreis von „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ mit mehr als 500 Mitarbeitern (v.a. börsenotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen) ist dies durch die seit 2017 verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung ohnehin bereits der Fall. ESG-Faktoren sind für diese Unternehmen bereits fixer Bestandteil der Unternehmensberichterstattung und damit auch im Unternehmensalltag mit eigenen Ressourcen (Nachhaltigkeitsbeauftragter etc.) präsent.

Aufgrund der regulatorischen Entwicklungen sollten sich aber auch alle anderen – auch kleinere – Unternehmen zunehmend mit ESG-Faktoren auseinandersetzen und interne Ressourcen bzw. internes Wissen aufbauen. Mit einem besseren Verständnis für die Faktoren und die entsprechenden Rechtsgrundlagen können Risiken sowie Chancen für das jeweilige Unternehmen identifiziert werden.

Rechtsanwältin Dr. Eva-Maria Ségur-Cabanac, LL.M. ist Partnerin und leitet die Kapitalmarktrechtspraxis bei Baker McKenzie in Wien. Mag. Armin Assadi ist Rechtsanwalt in der M&A- und Kapitalmarktrechtspraxis ebendort.