Erneuerbare Energie : Erneuerbare können noch nicht voll genutzt werden

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© APA/ROBERT JAEGER

Um in Österreich die Möglichkeiten von Erneuerbarem Strom voll nutzen zu können, ist ein starkes Strom-Übertragungsnetz die eigentliche Grundlage, betont Vorstandsdirektor Gerhard Christiner von der Austrian Power Grid (APG). Sie will im kommenden Jahrzehnt 2,9 Mrd. Euro in 230 km neue Leitungen sowie mehr als 500 km Leitungsverstärkungen und dutzende neue Transformatoren und Umspannwerke stecken.

Ein bedarfsgerechter Netzausbau sei die effektivste - und günstigste - Flexibilitätsoption, um etwa Windstrom in die Verbrauchszentren oder Strom aus Speicherkraftwerken vom Westen in den Osten zu bringen und Tagesschwankungen ausgleichen zu können. Im Übertragungsnetz würden die Leitungsverluste nur 1,4 Prozent ausmachen, sagte Christiner bei einem Journalistenseminar von Oesterreichs Energie.

Es gehe um den Ausbau langfristiger Speicher (etwa mittels Power-to-Gas, gespeist aus Überschussstrom) sowie flexible Gas-Kraftwerke. "Für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren brauchen wir etwas Stabilität - durch Gaskraftwerke. Das Gaskraftwerk darf man nicht verdammen. Es wird uns noch eine Zeit lang als Schnellstarter, als Back-up begleiten." Ferner seien Pumpspeicher-Kraftwerke, Kurzzeit-Speicher (Batterien, E-Mobilität) sowie mehr Flexibilität bei den Kunden (Demand Side Management) erforderlich.

Die APG als Übertragungsnetzbetreiber zahle dafür, dass thermische Kraftwerke binnen acht Stunden verfügbar seien. Der jetzige Vertrag mit Betreibern solcher Anlagen läuft zunächst drei Jahre lang - bis Oktober 2021 -, mit einer im Herbst 2020 zu ziehenden Verlängerungsoption für weitere zwei Jahre. Dazu wünscht sich Christiner "eine saubere gesetzliche Regelung", denn eigentlich sehe das Elwog derzeit gar keine Kraftwerkskontrahierung vor. Die Kraftwerksbetreiber wiederum argumentieren, für sie sei die Reservehaltung kein Geschäft, sie würden nicht einmal mit einer schwarzen Null aussteigen.

Derzeit könnten die Erneuerbaren die Last in Österreich noch nicht decken, deshalb müsse zusätzlich Strom importiert werden, sagt Christiner. Dieser Importbedarf bzw. die entsprechenden Aktivitäten der Stromhändler brächten die Netze jedoch immer wieder an ihre technischen Grenzen. So hätten Händler etwa 2018 rund 22 Terawattstunden (TWh) Strom nach Österreich importiert, etwa ein Viertel des heimischen Jahresverbrauchs, davon seien aber nur 11,7 TWh wirklich für Österreich gedacht gewesen, 10 TWh seien weitergegangen Richtung Schweiz, Italien, Slowenien und Ungarn.

Da das Netz für die Handelsgeschäfte zu schwach sei, habe die APG voriges Jahr an 301 der 365 Tage "Notmaßnahmen" setzen müssen. Heuer liege man bisher schon bei Aufwendungen von rund 140 Mio. Euro, um die Versorgung des Osten Österreichs zu sichern - im gesamten Vorjahr waren es 117 Mio. Euro. Die APG habe zwar eine Kraftwerksleistung von 3.600 MW kontrahiert, diese Menge stehe aber nicht immer zur Verfügung. "Wir sind schon absolut an die Grenzen gestoßen und mussten bereits auf Kraftwerke in Ungarn und Slowenien zurückgreifen", sagte Christiner. Wegen der hohen Kosten für Notmaßnahmen, die die Industrie über die APG-Tarife zahlen müsse, habe man möglichst frühzeitig mit dem Bau der 380-kV-Salzburg-Leitung begonnen, da der Importstrom vor allem im Westen hereinkomme.

Ein Blick ins Jahr 2030 zeige, dass mit Photovoltaik und Windkraft aus Sicht des Stromnetzes massiv über den Bedarf hinausgeschossen werde, "aber damit umzugehen ist die große Herausforderung", so der technische APG-Vorstand. Es gelte dann etwa, aus dem Burgenland zeitweise enorme Windstromüberschüsse abzutransportieren. In Wien könnte das PV-Aufkommen im Frühjahr der Last entsprechen, im Winter betrage sie womöglich aber im Schnitt nur 17 Prozent.

Gut ausgestattete Netze - und Stromspeicher - seien vor allem für die sogenannte "Dunkelflaute" nötig, wenn also kein Sonnen- und kein Windstrom erzeugt werden kann. Ein Ausgleich der Über- oder Unterdeckung sei nur mit den Netzen möglich, sagte der Geschäftsführer der Energienetze Steiermark - und Spartensprecher Netze von Oesterreichs Energie -, Franz Strempfl vor Journalisten: "Wenn jede der 250 steirischen Gemeinden autark würde, wäre das die Ineffizienz zum Quadrat."

In Summe seien in Österreich bis 2030 Netzinvestitionen von 18 Mrd. Euro nötig, so Strempfl - aber auch vor der #mission2030 sei schon die Hälfte in den Investplänen drinnen gestanden, nämlich für E-Mobilität, mehr Dezentralität und um das System intelligenter zu machen. Künftig gehe es um verstärkte Anreize, um die Leistungsinanspruchnahme zu reduzieren. So sei es für das Netz besser, wenn ein E-Auto innerhalb von acht statt zwei Stunden geladen werde; das sollte sich in den Netztarifen widerspiegeln.

Aufgrund der heimischen Stromstrategie - in Anlehnung an die Klima- und Energiestrategie - sei es realistisch, dass in Österreich der gesamte Energieverbrauch gesenkt werden müsse, und zwar von 306 TWh im Jahr 2012 auf 251 TWh 2030. Zugleich werde der Strom-Anteil daran aber von 20 auf 33 Prozent steigen. Dabei werde der Erneuerbaren-Anteil (ohne Wasserkraft) von 16 auf 28 Prozent steigen, samt Wasserkraft von 79 Prozent (von 72,8 TWh) auf 85 Prozent (von rund 88 TWh), rechnete Strempfl vor. Auch er betonte, dass weiterhin thermische Anlagen nötig seien, um die stark schwankenden Erneuerbaren auszugleichen. Die höhe Versorgungssicherheit in Österreich müsse auch bei geänderten Rahmenbedingungen erhalten bleiben.

Die Bepreisung der Netznutzung - also die Netztarife - seien derzeit nicht gerecht, denn belastend für die Infrastruktur sei die Leistung, nicht die Strommenge, so der Netz-Sprecher der E-Wirtschaft. Um hier zu einem besseren System zu kommen, hat die Regulierungsbehörde E-Control schon vor längerem ihre Vorstellungen präsentiert, derzeit verhandelt sie mit der Branche über die weitere Vorgangsweise. Ziel der Branche sei dabei, dass künftig eine Mindestleistung bezahlt werden sollte, so Strempfl. Die E-Control hat betont, dass es durch die Umstellung für die Mehrheit der Kunden eher billiger werden soll.

Für eine Vereinfachung der Stromrechnung für die Kunden - und gegen eine monatliche Rechnung, wie sie sich die E-Control vorstellt -, machte sich Michael Baminger von der Energie AG Oberösterreich Vertrieb GmbH stark. Derzeit weise eine Stromrechnung insgesamt 21 Komponenten auf, künftig 24 - zwei würden sich auf die Komponente Energie beziehen, sieben auf Netz-Dienstleistungen und 12 (künftig 15) auf Abgaben und Ökostromkosten. Damit seien die Rechnungen "völlig überladen", die Informationen für die Kunden zu detailliert. Zwei Drittel der 3,9 Millionen Haushaltskunden würden die Rechnung auf Papier bekommen - gebe es künftig eine Pflicht zu monatlichen Papierrechnungen, würden 51,5 Tonnen CO2-Emissionen zusätzlich drohen, rechne man pro vierseitigem Brief mit 20 Gramm Gewicht. Damit könne man mit einem VW-Polo die Strecke von der Erde zum Mond fahren, so Baminger. Der Endkundenpreis besteht seinen Angaben zufolge zu 36,5 Prozent aus Steuern und Abgaben, zu 27,9 Prozent aus Netzkosten und zu 35,6 Prozent aus der reinen Energiekomponente für den Strom. (apa)