Erneuerbare Energie : Erneuerbare Energie: Die Mission beginnt

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Echte Klimasünder waren die heimischen Stromerzeuger (ganz im Gegensatz zu ihren britischen, deutschen oder osteuropäischen Mitbewerbern) nie: Aufgrund des traditionell hohen Anteils erneuerbarer Energiequellen – etwa der Wasserkraft – ist die Branche hier­ zulande für nur rund 14 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, wie das Umweltbundesamt vorrechnet. Doch der Strombedarf steigt – auch weil er zunehmend in anderen Wirtschaftssektoren, wie der Mobilität, eine stärkere Rolle spielt. Und die Politik hat der Branche eine ambitionierte Vorgabe gemacht: Bis 2030 soll der Wert von 14 Prozent auf null reduziert werden.

Die Mission 2030, noch unter der Vorgängerregierung im Jahr 2018 (damals als 50 % Ziel) angestoßen, sieht vor, binnen zehn Jahren den heimischen Strombedarf zur Gänze aus erneuerbaren Energiequellen zu speisen. Das Gesetzespaket, das die Rahmenbedingungen dafür festlegt (und die Marktteilnehmer incentivieren soll), ist nun in Begutachtung gegangen und soll schon nächstes Jahr in Kraft treten. Neben Sparanreizen, Maßnahmen in der thermisch­ energetischen Gebäudesanierung und Anreizen zur Verschiebung von Verkehr in Richtung umweltfreundlicher Verkehrsträger gilt das Gesetzespaket vor allem als Rahmenbedingung für massive Investitionen in den Ausbau der grünen Stromerzeugung.

6-8 Terawatt zusätzliche Wasserkraft

Laut dem „Transition-­Szenario“ des Umweltbundesamtes müsse die Wasserkraft bis 2050 auf eine jährliche Stromproduktionsmenge von 47 Terawattstunden (TWh) ausgebaut werden, 2018 waren es 38 TWh. Zwar rückt das Ziel näher, wenn alle Kraftwerke, die schon in Bau oder geplant und genehmigt sind, recht­ zeitig fertiggestellt werden, trotzdem herrscht Investitionsbedarf für Projekte in Höhe von 6­8 Terawatt, wie Oesterreichs Energie, der Interessenverband der Energiewirtschaft, in einem Positionspapier feststellt. Das wären immer­ hin noch fünf zusätzliche Kraftwerke wie jenes am Standort Freudenau.

11-22 Terawatt zusätzliche Windkraft

Bei der Windkraft müsste, soll die Mission 2030 erfüllt werden, die erzeugte Energie von 6 Terawatt (im Jahr 2018) auf 28 Terawatt steigen, wie das Umweltbundesamt konstatiert. Oesterreichs Energie geht nach aktuellsten Zahlen von einer Lücke von 11­13 Terawatt aus. Um die Windkraftleistungslücke zu füllen, wird ein Investitionsbedarf von noch zumindest 1000 neuen Anlagen nötig sein (unter der Annahme, dass die Leistungsfähigkeit pro Anlage zu­ nimmt).

11-24 Terawatt zusätzliche Sonnenkraft

Den (prozentuell gesehen) dramatischsten Investitionsbedarf sehen Experten im Bereich der Photovoltaik. Zu den 1,4 Terawatt (aktuellste Werte des Umweltbundesamtes von 2018) müssen Solarpanele für die Produktion von über 24 Terawattstunden errichtet werden, um auf den Sollwert von 26 TWh zu kommen. Auf vorhandenen Dachflächen könnten, so schätzen Experten, noch Anlagen mit 12,3 TWh Gesamtleistung installiert werden. Diese Leistung lasse sich verdoppeln, würden geeignete Fassadenflächen zusätzlich genutzt.

Millioneninvestitionen in Netze und Speicher

Der Ausbau der stark schwankenden Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen stellt auch die Netze vor eine Herausforderung. Investitionen in Übertragungs-­ und Verteilernetze sowie Speichersysteme (von der Wasserstofftechnologie bis zu Pumpspeicherkraft­ werken) müssen den Ausbau der Erzeugung flankieren. Mit insgesamt 18 Milliarden Euro Investitionsbedarf rechnen Experten in diesem Bereich.

Nachhaltigstes Konjunkturpaket

Den Stromerzeugern ist ihre Rolle als potenzieller Konjunkturmotor durchaus bewusst: „Wenn es uns gelingt, diese Projekte jetzt ins Rollen zu bringen, dann können wir ein Konjunkturpaket in Bewegung setzen, das in seiner Maximalvariante 43 Milliarden Euro an Investitionen bewirkt“, sagt Michael Strugl, designierter Vorstandschef der Verbund AG und Präsident des Branchenverbandes Oesterreichs Energie. Rund 25 Milliarden Euro, so eine Studie der Österreichischen Energie Agentur, seien für Projekte zum Ausbau der Erzeugung von sauberem Strom erforderlich, sie könnten bis zu 180.000 Arbeitsplätze sichern und eine inländische Wertschöpfung von 18 Mrd. Euro auslösen. Die Modernisierung und Digitalisierung der Netze erfordere Investitionen von etwa 18 Milliarden Euro und könnte inländische Nachfrage in der Höhe von 13 Milliarden Euro an­stoßen, wie die AEA­-Ökonomen berechneten. „Wenn wir den Umbau jetzt angehen, könnten wir mitten in der Krise viele Milliarden Euro an inländischer Wertschöpfung in Bewegung setzen und damit tausende Arbeitsplätze im Land schaffen“, so Strugl.

Der Hürdenlauf beginnt 2021

Die Energieversorger müssen, wenn sie ihr Ziel bis 2030 erreichen wollen, einige Hürden überwinden: technische, wie etwa die Ausschöpfung des Potenzials. Nach Expertenschätzungen werden heute schon etwa 70 Prozent der technisch­-wirtschaftlichen Energie aus Österreichs Fließgewässern herausgeholt. Widerstände von Anrainern gegen die Netz­ und Kraftwerksausbaupläne und administrative Hürden machen die Genehmigungen oft zu Jahrzehnteprojekten. Und der Stromverbrauchs­ und -preisrückgang durch die Corona­-Krise wiegt auch in den Bilanzen der Versorger. Trotzdem ist man zuversichtlich: „Viele Projekte, die nur auf diesen Startschuss warten, liegen bereits in den Schubladen“, sagt Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Auch spürt man in der E-Wirtschaft einen gesellschaftlichen Grundkonsens bezüglich dieses ökologischen Jahrhundertprojekts, was die Umsetzung erleichtern könnte. Die Hoffnung liegt auch auf den Behörden, deren Genehmigungsverfahren die Branche bisher für den größten Hemmschuh hielt: „Für das Gelingen der Energiewende müssen alle Gebietskörperschaften zusammenwirken“, meint Michael Strugl. Dann sollte dem Mega-­Konjunkturpaket nichts mehr im Wege stehen.

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