Strom und Gas : Energiepreise: Einkauf auf Raten

350 Millionen Kilowattstunden pro Jahr – soviel Energie verbraucht kein Kleinbetrieb. Mit Werken in Kärnten, Niederösterreich und Tirol zählt die Donau Chemie Gruppe als Hersteller von Grundchemikalien für Industrie und Gewerbe zu Recht zu den großen Stromverbrauchern. „Ein Drittel des Energiebedarfs produzieren wir selber“, erzählt Manfred Ebenberger, Leiter der Werke in Brückl und Landeck. Der Rest wird zugekauft. Die Entwicklungen der letzten Monate sind dem Chemiekonzern bei seinen Einkaufstouren natürlich nicht entgangen. „Die Strompreise steigen seit einiger Zeit an“, beobachtet Ebenberger, für den der tägliche Blick auf die wichtigsten Indizes längst Routinearbeit ist. Wirklich schrecken kann ihn die Preisentwicklung aber nicht. Denn mit ihrer Einkaufsstrategie kauft die Donau Chemie auch in Zeiten steigender Preise noch zu vergleichsweise günstigen Konditionen ein. Der Betrieb bezieht den Strom in variablen Tranchen – für heuer und auch die Folgejahre. Ebenberger: „Das Preisrisiko halten wir damit weiterhin gering“. Krisenpreise sind obsolet. Nach Jahren ungehemmter Preissteigerungen ließ die Wirtschaftskrise die Strom- und Gaspreise purzeln. Bei Strom pendelten die Mittelwertpreise für ein Bandprodukt plötzlich nicht mehr zwischen 55 und 57 Euro pro Megawattstunde. Von Juli 2008 bis Juni 2010 sanken die Strompreise um mehr als ein Fünftel. Fast dasselbe Bild gab es bei den Gaspreisen. Ein Trend, der nun vorbei sein dürfte, meinen Energieexperten. „Für heuer liegen die Großhandelsprodukte um fünf bis sechs Prozent höher“, beobachtete etwa Roland Kuras, der als Geschäftsführer von Power Solution in Wien Unternehmen bei der Energiebeschaffung berät. Am Spotmarkt müsse man für eine Megawattstunde derzeit rund 53 Euro löhnen. In den beiden Anfangsmonaten 2011 legte der heimische Erdgaspreisindex ÖGPI ebenfalls zu. Das Beratungsunternehmen A. T. Kearney rechnet in einer Studie damit, dass auf Betriebe mittelfristig sogar noch deutlichere Preissteigerungen zukommen. Bis 2020 erwartet A. T. Kearney-Mann Florian Haslauer Großhandelspreise von 100 Euro pro Megawattstunde. Für 2030 sollen sie sogar „bei 170 Euro pro Megawattstunde“ liegen. Tranchen- oder Paketkauf. Welche Konsequenzen sind nun daraus zu ziehen? Rund 100 Betriebe haben in Österreich einen jährlichen Energiebedarf von mehr als 40 Millionen Kilowattstunden. Auch solche mit geringerem Strombedarf stehen jetzt vor der Frage: Ist die Einkaufsstrategie hinfällig? Oder Sind nur kleinere Anpassungen nötig? Power Solution-Chef Roland Kuras rät Betrieben nach wie vor, den Einkauf in mehreren Teilschritten vorzunehmen. Ab Stromabnahmengen von zehn Millionen Kilowattstunden sei der Einkauf in Teilschritten weiterhin sinnvoll, meint er.Bei steigenden Preisen auf Basis langfristiger Verträge einzukaufen, habe zwar etwas, gibt Kuras zu. Der Betrieb habe die Sicherheit, den benötigten Strom garantiert geliefert zu bekommen. Und bei frühzeitiger Bestellung gebe es einen Preisvorteil. Doch Kuras sei sich nicht sicher, „ob der Aufwärtstrend anhält“. Preislich liege man – trotz aller Aufregung – immer noch unter dem Jahresmittelwert der letzten drei Jahre. Anderseits seien die Bewegungen an den Strombörsen ein mitentscheidender Faktor. 2010 lag die Schwankungsbreite zwischen günstigstem und ungünstigstem Kaufzeitpunkt bei 20 Prozent. „Selbst heuer gab es für Stromeinkäufer schon ein Spiel von fünf Prozent“, so Kuras. Auch Donau Chemie-Werksleiter Manfred Ebenberger sieht es so. Die Preise würden steigen. „Doch die Volatilität der Märkte spielt uns nach wie vor in die Hände“, sagt der Donau Chemie-Mann. Einkaufszeitpunkt entscheidet. Hierzulande gibt es noch viele Betriebe, die an einem fixen Termin pro Jahr die gesamte Strommenge bei einem einzigen Versorger einkaufen. Wer so verfährt, für den sind starke Preisschwankungen allerdings problematisch. Denn die Verträge mit Vesorgern enthalten Abnahmeverpflichtungen. Der Kunde muss den Strom, den er bestellt hat, auch abnehmen. In der Regel ist ist die Abweichung nur um einen bestimmten Prozentsatz – etwa fünf Prozent erlaubt.Tranchen können Betriebe beim Energieversorger oder direkt an der Börse kaufen. Kleinere Abnehmer werden in einem Einkaufspool zusammengefasst. An der Leipziger Energiebörse EEX werden die Großhandelsprodukte gehandelt. Der Handelsplatz bildet die Preisentwicklung der nächsten sechs Jahre ab – „wirklich liquid sind aber nur die Preise für die nächsten drei Jahre“, weiß Power Solution-Chef Roland Kuras. Hier locken die größten Einsparungen beim Stromeinkauf. Denn nur geringe Preisvorteile ließen sich erfahrungsgemäß durch mehr Verhandlungsdruck oder einen Anbieterwechsel erzielen. Entscheidender sei „der Einkaufszeitpunkt“, meint Volkmar Klein vom deutschen Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik. Und da kommt wieder der Trancheneinkauf ins Spiel. „Viele sehen nicht die Abhängigkeit der Stromnotierungen von den internationalen Rohstoffmärkten und die Schwankungsbreite der Märkte“, mahnt Klein.Der Ölpreis sei jedenfalls nicht mehr der Preistreiber früherer Zeiten, sind sich die Experten einig. Das Beratungsunternehmen A. T. Kearney nennt als erste Ursache für Preissteigerungen die „anstehenden Investitionen in Stromnetze“. Und auch Augleichskraftwerke würden ihr Scherflein beitragen.