Forschung : Energie aus Abwasser: Wenn ein Kanal in Amstetten "angezapft" wird

22 bis 23 Grad Celsius, so warm ist Abwasser oft, wenn es in der Kläranlage ankommt. Es stammt aus Badewannen und Duschen, Geschirrspülern und Waschmaschinen, vom Kochen in unzähligen Küchen, mitunter auch aus Gewerbe- und Industriebetrieben. Selbst im Winter fällt seine Temperatur kaum unter zehn Grad. Doch das Potenzial, wie sich diese Wärme nutzen lässt, bleibt in Österreich vielfach ungenutzt.

"Viele Akteure, die nahe am Thema dran sind - Kommunen, Energieversorger, Wärmenetzbetreiber oder Wohnbauträger -, denken nicht daran, dass hier eine Energiequelle vorliegt", sagte Franz Zach von der Österreichischen Energieagentur AEA im Gespräch mit der APA. Um die Nutzungsmöglichkeiten von Abwasser zu analysieren und bekannter zu machen, wurde darum das Forschungsprojekt "Abwasserenergie" ins Leben gerufen. Diese Woche ist es in Salzburg mit einer Abschlusskonferenz zu Ende gegangen.

"In Amstetten läuft seit Herbst 2012 ein Pilotprojekt, wo zahlreiche Gebäude der Stadtwerke mit Wärme aus Abwasser versorgt werden", erklärte Zach. In einem nahen Kanal wurde dazu ein Wärmetauscher eingebaut. Über einen zweiten Wasserkreislauf wird das erwärmte Wasser zu einer Wärmepumpe transportiert. Die Investitionskosten von rund 240.000 Euros sollen sich binnen zwölf Jahren amortisieren. "Alternativ könnte man das Abwasser auch aus dem Kanal pumpen, grob sieben und einem externen Wärmetauscher zuführen."

Im Vergleich zu Grundwasser oder einer Tiefenbohrung im Erdreich sei Abwasser meist die effizientere Energiequelle, betonte Zach. "Aber es gibt Ausnahmen, etwa bei viel Schmelzwasser oder kalten Grundwasservorkommen in höheren Regionen." Ein zusätzlicher Vorteil: "Es fließt ständig neues Abwasser am Wärmetauscher vorbei." Für Einfamilienhäuser sei ein "Anzapfen" des Kanalnetzes oft nicht wirtschaftlich. Für Wohnsiedlungen, Hotels, Heime, Schulen, Krankenhäuser und Verwaltungsgebäude mache eine Nutzung aber durchaus Sinn.

Allerdings darf dem Abwasser nicht unbegrenzt Wärme entzogen werden. "Die Mikroorganismen, die in der Kläranlage die biologischen Stoffe zersetzten, brauchen Wärme, um effektiv zu arbeiten", erklärte Thomas Ertl, Leiter des Instituts für Siedlungswasserbau, Industrieabwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Universität für Bodenkultur in Wien. Kühlt es zu stark ab, leidet darunter die Reinigung. "Wir reden derzeit aber von Zehntelgraden, um die das Wasser abgekühlt wird. Nach unseren Messungen spürt man das im Zulauf einer Kläranlage nicht mehr." Erst wenn die Technologie breit eingesetzt werden würde, könnte sie zum Problem werden. Ertl plädiert darum für eine Energieentnahme erst im Ablauf von Kläranlagen. "Das nimmt dem Gewässerschutz die Angst, dass Kanalkühlungen im großen Stile eingeführt werden."

Theoretisch könnte ein Achtel aller österreichischen Wohnungen mit Raumwärme versorgt werden, wenn dem Abwasser nach der Kläranlage etwa fünf Grad Wärme entzogen werden. "Vor der Kläranlage ist das Potenzial aufgrund der maximal zulässigen Abkühlung des Abwassers geringer." Freilich: Es handelt sich hier um einen theoretischen Wert. Denn die Nutzung der Abwasserwärme ist an einen Kanal oder eine Kläranalage gebunden. Abnehmer müssen nahe an der Quelle sitzen. "Eine wirtschaftlich noch vernünftige Distanz sind etwa ein bis zwei Kilometer", sagte Ertl.

Kläranlagen wurden früher bewusst fernab anderer Bebauung errichtet, etwa um Geruchsbelästigungen zu vermeiden. Die Versorgung von Siedlungsgebieten mit Wärme rückt damit ein wenig in den Hintergrund. "Aber das Potenzial ist höher, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Und vor allem Betriebe siedeln sich oft im Umfeld von Kläranlagen an und könnten mit Wärme - oder auch Kälte - versorgt werden", sagte Ertl.

Fokus auf Eigennutzung von Wärme und Strom

Energie lässt sich nicht nur aus der Wärme des Abwassers ziehen. Weil Kläranlagen mit ihrem hohen Strombedarf zu den größten kommunalen Energieverbrauchern zählen - sie sollen für rund ein Prozent des Stromverbrauchs in der jeweiligen Region verantwortlich sein -, lag ein Fokus des Projekts auf der Eigennutzung von Energie.

Dabei geht es primär um den energieautarken Betrieb von Kläranlagen, erst dann um die Abnahme von überschüssiger Energie. Eine entscheidende Rolle fällt hier dem Klärgas zu, welches in der Kläranlage unter Sauerstoffmangel und Wärmezufuhr durch die Faulung organischer Partikel entsteht und in Strom und Wärme umgewandelt werden kann.

Untersucht wurde auch die Faulung von Klärschlamm gemeinsam mit fester oder flüssiger Biomasse - der sogenannten Kofermentation. Das soll die im Faulturm entstehende Klärgasmenge erhöhen. Bereits heute werden in Tourismusorten von Kläranlagenbetreibern bei Hotels und Restaurants Speisereste und Speiseöle gesammelt und beigegeben.

Auch der Klärschlamm kann energetisch genutzt werden - er weist gut getrocknet einen guten Heizwert auf. Zugleich enthält er viele Metalle und organische Verbindungen. Wirtschaftlich interessant scheint dabei laut den Projektinitiatoren derzeit vor allem die Rückgewinnung von Phosphor zu sein. Zugleich könne Klärschlamm auch durch "Hydrothermale Carbonisierung" verwertet werden - eine Umwandlung in Biokohle.

Zugleich beschäftigten sich die Projektpartner mit der Verbesserung der Energieeffizienz in Kläranlagen - etwa durch die Dämmung von Faultürmen, einer optimierten Belüftung oder einer effizienteren Klärschlammtrocknung. Außerdem wurde der Frage nachgegangen, wie Kläranlagen als Flächen für Sonnen- und Windenergie genutzt werden können oder wie sich Überschussstrom verwerten lässt, etwa mit Power-to-Gas-Anlagen.

Das Projekt "Abwasserenergie" wurde vom Klima- und Energiefonds gefördert und von der Österreichischen Energieagentur AEA gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur, der TU Graz, dem Austrian Institute of Technology, der Firma Ochsner Wärmepumpen und dem Schweizer Verein InfraWatt durchgeführt. (apa)