Prozessautomatisierung : Endress+Hauser-Österreich-Chef Wolfgang Maurer: „40 Millionen Feldgeräte als Datenbasis“

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© Endress+Hauser

Er kennt das Unternehmen bis in seine Tiefenstruktur: Seit mehr als 18 Jahren arbeitet Wolfgang Maurer in der Österreich-Niederlassung des Schweizer Prozessautomatisierers Endress+Hauser aus Reinach. Erst im Vertrieb, wo der geborene Verkäufer das Projektgeschäft ausbaute, seit 2015 leitet er die Geschäfte am österreichischen Standort in Wien-Liesing. Und dass diese ganz gut laufen, ist kein Zufall: Das familiengeführte Unternehmen mit weltweit mehr als 14.000 Mitarbeitern hat sich einen tadellosen Ruf in der Prozessindustrie erarbeitet. In Walzwerken zur Aluminiumerzeugung, pharmazeutischen Betrieben, in der Chemie- oder Lebensmittelindustrie sind die Lösungen zur Druck, Durchfluss-, Füllstand- oder Temperaturmessung häufig erste Wahl.

Auch, weil Endress+Hauser frühzeitig die Weichen für einen offenen, herstellerungebundenen Ansatz stellte: Kalibrierprotokolle, Betriebsanleitungen und eine Reihe weiterer Datensätze zu nicht weniger als 40 Millionen Feldgeräten liegen mittlerweile auf der Datenplattform des Prozessautomatisierers zur Einsichtnahme. Einen noch größeren Paradigmenwechsel in der Welt der nach kontinuierlicher Effizienzsteigerung strebenden Prozessindustrie könnte die 2019 gelaunchte, cloudbasierte IIoT-Plattform Netilion einleiten.

Lediglich drei Prozent der verfügbaren Sensordaten nutzen Unternehmen aktuell. Mit den smarten Messgeräten des Herstellers, den digitalen Konnektivitätslösungen sowie der Plattform dahinter ließen sich nicht nur installierte Geräte im Feld verorten, Prozessparameter nach den Grundsätzen der IIoT auswerten und Gerätediagnosen mit großer Meisterschaft abspulen, heißt es bei Endress+Hauser. „Mittelfristig ist damit auch die Grundlage für eine vorausschauende Instandhaltung auf Basis noch komplexerer mathematischer Modelle gesetzt“, sagt Maurer.

Volles Spektrum an App-Diensten

Dass der Plattform Netilion (siehe nebenstehenden Kasten) in der Prozesskühlung, der Wasseraufbereitung oder im Silomanagement schon heute kaum etwas Grenzen setzt, zeigt ein Blick in appbasierte Welt von Endress+Hauser. Vom Verorten der installierten Anlagenbasis (Netilion Analytics) über mobiles Plant Asset Management (Netilion Library; in Kombination mit Industrietablet Field Expert SMT70) bis zur Anbindung an die SAP-Welt (Netilion Connect) ist an jedes Feature gedacht. Und interne Routinen im Unternehmen - etwa automatisiert generierte Berichte für das alljährlich anstehende Qualitätsaudit - sind mit Heartbeat Technology, einer Hardwareerweiterung zur permanenten Selbstdiagnose und Verifikation eines Geräts, „noch besser bewältigbar“, schildert Clemens Zehetner, Leiter Marketing und Solution bei Endress+Hauser.

Die im Sensor verbaute Elektronik wird dabei ohne Unterbrechung überwacht, außertourliche Selbsttests können jederzeit angeordnet werden. „Etwa durch Ansteuerung über das Leitsystem“, so Zehetner, der das am Beispiel eines Durchflusssensors erläutert. Dieser könne so vorausschauend feststellen, ob ein Rohr demnächst bald verstopft ist. Auch Schaumbildung bei einer Füllstandsmessung sei ein gängiges Szenario.

Messwerte in der Cloud

Und Endress+Hauser managt auch das Bestandsmanagement mobiler Prozesskreisläufe, etwa für Chemikalienlieferanten. So genannte IBCs (Intermediate Bulk Container, deutsch: Gittertanks) lassen sich mittels Netilion (Inventory) und einem an die Cloud angebundenen Füllstandssensor (Micropilot FWR30) - „egal ob im Ruhezustand oder bewegt - nach den Grundsätzen einer sicheren Lieferkette überwachen“, sagt Endress+Hauser-Österreich-Chef Wolfgang Maurer. Für Schüttgut wird die Lösung 2021 ausgerollt. Übrigens: Beim Thema Sicherheit im Umgang mit Daten in der Cloud geht Endress+Hauser die Extrameile. Die Lösungen des Prozessautomatisierers wurden von EuroCloud Austria - einem heimischen Gütesiegel für Cloud-Services - mit vier Sternen, also einer sehr hervorragenden Wertung, auditiert.

Offenheit dagegen schreibt man sich weiterhin auf die Fahnen, was die industrielle Protokollwelt betrifft. Nicht zufällig ist Endress+Hauser eines von 20 europäischen Unternehmen, die in einer Nutzervereinigung Digitaler Zwilling um die deutschen Fachverbände ZVEI und VDMA am Aufbau eines One-Stop-Shops für open-source-fähige IoT-Bausteine schrauben. „Ein rein proprietärer Ansatz hat sich sicher überlebt“, so Maurer.