Der Fall Renault : Ein weiterer Autoriese im Visier von Ermittlern

Renault hat eine Razzia der französischen Behörden bestätigt, die dem Autohersteller den größten Kurssturz der Firmengeschichte eingebrockt hat. Die Aktien des französischen Autobauers fielen zeitweise um knapp 23 Prozent auf 67 Euro je Stück. Damit büßte das Unternehmen binnen eines Tages rund 5 Milliarden Euro an Börsenwert ein. Das entspricht in etwa 370.000 Neuwagen des Modells Clio. Allerdings hat sich die Aktie seither wieder leicht erholt.

Durchsuchungen bei Direktoren

Auslöser der Verkaufswelle war Börsianern zufolge ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP, demzufolge vergangene Woche Geschäftsräume des Unternehmens im Nachklang des VW-Abgasskandals durchsucht wurden.

Nach Gewerkschaftsangaben sollen Ermittler Computer aus der für Motorentests zuständigen Abteilung von Renault an vier Standorten, darunter der Firmensitz, als Teil einer Überprüfung von Emissionstests beschlagnahmt haben.

Renault hat bestätigt, dass Ermittler der Antibetrugs- und Wettbewerbsbehörde DGCCRF des Wirtschaftsministeriums an mehreren Standorten, darunter der Firmensitz in einem Vorort von Paris, Durchsuchungen durchgeführt haben. Nach Angaben der französischen Gewerkschaft CTG sollen Ermittler "Computer mehrerer Direktoren" mitgenommen haben, unter anderem aus der für Motorentests zuständigen Abteilung.

Renault: "Bisher kein Hinweis auf Manipulationssoftware"

Das Unternehmen arbeite vollständig mit der Antibetrugs- und Wettbewerbsbehörde DGCCRF des Wirtschaftsministeriums sowie dem Umweltministerium zusammen, hieß es in einer Mitteilung. Bei ersten Tests einer vom Umweltministerium nach dem VW-Skandal eingesetzten Kommission sei "kein Hinweis auf die Existenz von Manipulationssoftware in den Fahrzeugen von Renault" gefunden worden, betonte das Unternehmen.

"Die DGCCRF hat sich entschlossen, weitere Untersuchungen vor Ort und von Bauteilen vorzunehmen", so Renault. Die Durchsuchungen "sollten die ersten Ergebnisse der Kommission bestätigen."

Zuvor hatte ein Vertreter der Gewerkschaft CGT einen Bericht bestätigt, dass vergangene Woche Geschäftsräume von Renault durchsucht wurden. "Das Management hat zwar nicht bestätigt, dass es sich um die Stickoxid-Emissionen dreht. Betrachtet man aber die durchsuchten Geschäftsbereiche, könnte da ein Zusammenhang bestehen", sagte CTG-Vertreter Florent Grimaldi.

Abgasskandal zieht gesamte Branche nach unten

Nach dem Volkswagen-Skandal hatte Renault angekündigt, 50 Millionen Euro zu investieren, um Diskrepanzen zwischen getesteten und realen Abgaswerten zu reduzieren. Eine Übersicht mit allen aktuellen Meldungen zum Abgasskandal bei Volkswagen hier.

Volkswagen hatte mithilfe einer Software Abgastests bei Dieselfahrzeugen manipuliert. Seit dem Bekanntwerden des Skandals steht auch die Konkurrenz unter besonderer Beobachtung. Renault-Rivale Peugeot erklärte, nicht von Betrugsermittlern durchsucht worden zu sein.

Daimler: "Keine Defeat Devices"

Die bei Mercedes eingesetzten Diesel-Motoren von Renault enthalten nach Aussage von Daimler keine Software zur Abgasmanipulation. "Wir haben keinen Anlass, von unseren bisherigen Aussagen abzurücken: Wir setzen keine Defeat Devices ein", sagte ein Daimler-Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. "Renault hat uns versichert, dies ebenfalls nicht zu tun." Mercedes nutzt in einigen Fahrzeugen Motoren von Renault.

Trotzdem sorgen die Ermittlungen bei Renault in der gesamten Autobranche für Verunsicherung. Im Sog des Kurssturzes von Renault bauten die anderen europäischen Autobauer ihre Kursverluste aus. Volkswagen verloren 5,3 Prozent, BMW und Daimler büßten bis zu 6 Prozent ein. Fiat rutschten um bis zu 11 Prozent ab.

Vorwurf der Fälschung von Absatzzahlen gegen Fiat Chrysler

Die Papiere von Fiat Chrysler bekamen zusätzlich die schlechten Nachrichten über eine Klage in den USA zu spüren. Zwei Vertragshändler haben das Unternehmen in Chicago verklagt, wie das Branchenblatt "Automotive News" diese Woche berichtete. Sie warfen dem italienisch-amerikanischen Autokonzern demnach vor, ihnen Geld geboten zu haben, um Absatzzahlen zu schönen. Dazu sollen angeblich unverkaufte Autos als verkauft gemeldet worden sein.

Fiat Chrysler wurden diese Woche in Italien vom Handel ausgesetzt. Im US-Markt hat der Konzern seine Verkaufszahlen laut eigener Statistik 69 Monate in Folge gesteigert.

Dieter Zetsche übt Kritik an den Wolfsburgern

Die Abgaskrise bei Volkswagen weitet sich also auf die gesamte Branche aus - und sorgt inzwischen auch für recht ungewohnte Kritik unter Mitbewerbern. So hat diese Woche Dieter Zetsche, Konzernchef von Daimler, ausdrücklich die Unternehmenskultur von Volkswagen bemängelt.

In der Regel kritisiere er keine Wettbewerber, sagte Zetsche auf dem Neujahrsempfang von Daimler in Berlin. "Bei der VW-Affäre bleibt uns leider nichts anderes übrig", weil diese Auswirkungen auf die ganze Autobranche habe. Er könne versichern, dass es solche Manipulationen bei Daimler nicht gegeben habe und auch nicht geben werde. "Ich bin nämlich sehr zuversichtlich, dass wenn bei uns jemand auf eine so Idee käme, würde diese Person sehr schnell auf andere Personen treffen, die sagen würden, 'So was wollen wir nicht tun, so was tun wir auch nicht'".

Daimler setzt weiter auf Dieselmotoren

Daimler werde an der Dieseltechnologie festhalten. "Wir können und wir dürfen diese Technologie nicht abschreiben." Zwar biete Daimler bis 2017 zehn Hybrid-Modelle an, doch sei die Nachfrage der Kunden wegen des weltweit niedrigen Ölpreises sehr schwach. Schon deshalb müsse in saubere Dieselautos investiert werden, um die Vorgaben zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen "auch nur im Ansatz" erfüllen zu können.

Zetsche forderte die EU-Kommission auf, schnell festzulegen, wie künftig die Abgaswerte gemessen werden. Man sei mit Modifikationen einverstanden. Dies sollte bis Ende Februar entschieden sein. (APA/AFP/dpa-AFX/dpa/Reuters/red)