30 Jahre INDUSTRIEMAGAZIN: Josef Taus : Josef Taus: Ein Mann für viele Fälle

Josef Taus, mittlerweile 90-jährige Industriegröße in Österreich.

„Der Josef ist unternehmerisch ein wirklich Spätberufener“, sagt ein langjähriger Freund über Taus.

- © YouTube/Fred Zimmer

Den Samstagvormittag hat sich Josef Taus für ein sehr individuelles Hobby reserviert. Immer wieder einmal taucht der Geschäftsmann leger gekleidet in einer Libro-Filiale auf. Er fingert in CD-Regalen, begutachtet das Buchangebot, stöbert durch Schreibutensilien und beobachtet das Verkaufsgeschehen. Das gelingt ihm manchmal unerkannt, manchmal wird er von zumeist älteren Mitarbeiterinnen erkannt.

Dann beginnt Taus eine zwanglose Unterhaltung. Er erkundigt sich nach Artikeln, die fehlen, und nach Produkten, die drohen, zu Ladenhütern zu werden. Dann verlässt Taus das Geschäft – und zieht seine Schlüsse aus den eben gewonnenen Erkenntnissen: Klarsichthüllen A4 der Marke Libroline könnten in größerer Anzahl geliefert werden – und Bestsellerautor Dan Brown, den der belesene 73-Jährige (mittlerweile 90-Jährige, Anm.) nicht unbedingt zu seinen Lieblingsautoren zählen dürfte, ist schon wieder ausverkauft. Am kommenden Montag wird er persönlich dafür sorgen, dass Nachschub kommt.

Josef Taus und sein Erfolg in Handel und Industrie

Das Handelsgeschäft ist etwas wirklich Schönes“, sagt Josef Taus und lehnt sich zurück. „Tagtäglich kommen tausende Menschen ins Geschäft, und wir haben es in der Hand, sie zufrieden zu stellen.“ Taus, der als Arbeitersohn im dritten Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen ist, verschränkt die Hände hinter seinem Kopf und blickt durch den Raum. Sein Büro versprüht den diskreten Charme eines Wohnzimmers in den 60er Jahren: helle Furniermöbel, Linoleumböden und ein großer Schreibtisch, auf dem Bücher, Skripten und Unterlagen fein säuberlich sortiert sind.

Ins Büro investiere ich nicht“, sagt der Unternehmer, „denn mit Büroluxus verdient man kein Geld.“ Mit der konsequenten Befolgung derartig kaufmännischer Grundsätze hat Josef Taus eine Unternehmensgruppe geschaffen, die ihresgleichen sucht.

Aus der ersten Etage eines Gründerzeithauses im vierten Wiener Gemeindebezirk führt er einen für österreichische Verhältnisse riesigen Gemischtwarenladen: Neben dem Handelskonzern Libro gehört dazu etwa sein in der P&V-Holding gruppiertes Steckenpferd, die Herold Druck und Verlags AG (lesen Sie mehr dazu im nächsten Abschnitt). Seine Management Trust Holding AG (MTH) steuert den Sondermaschinenbauer Krause und Mauser und den Hersteller von Zutrittskontrollsystemen Designa. Mit der Private-Equity-Gruppe IPO Beteiligungs-Management, die die Athena- Fonds managt, hält die Taussche MTH Anteile an unzähligen Industriebetrieben, etwa dem Voitsberger Röhren- und Pumpenwerk Bauer, dem Folientastaturhersteller Häusermann oder etwa dem Starbucks-Mitbewerber Coffeeshop Company.

Was seither geschah

Dieser Artikel kam erstmals 2006 heraus. Zum 30-jährigen Jubiläum des INDUSTRIEMAGAZINS holen wir ihn als einen der herausstechenden Berichte über eine wahre Industriegröße wieder aus dem Archiv.

Josef Taus ist heute, 2023, 90 Jahre alt. Libro hatte 2021 einen Umsatz von 63 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter liegt bei etwa 1200. Österreichweit gibt es rund 200 Standorte.

Die Herold Druck und Verlags AG kommt auf einen Umsatz von gut 11 Millionen Euro.

Aus der MTH AG wurde unter Taus Nachfolger und Schwiegersohn Martin Waldhäusl eine Beteiligungsholding mit drei Geschäftsfeldern werden: Retail – zu dem Libro und Pagro gehören –, Zutrittssysteme und Druckereien. Der Werkzeugmaschinenbauer Krause & Mauser wurde verkauft, die Beteiligungsgesellschaft IPO aufgelöst.

Erstmals wurde die Story 2006 veröffentlicht. Mittlerweile feiert das INDUSTRIEMAGAZIN 30 Jahre.

- © Industriemagazin

Josef Taus: Vom politischen Rückschlag zum erfolgreichen Unternehmer und Investor

Zwischen mit Buchenimitat beklebten Pressholzplatten und Linoleumböden geht Taus auch jener Tätigkeit nach, die ihn zuletzt in die Schlagzeilen brachte: Der Beratungstätigkeit für die Übernahmen der bulgarischen Handynetzbetreiber Mobtel und der serbischen Mobiltel.

Der Mann, der hier entspannten Blickes in seinem Bürostuhl sitzt, hat, allen Rückschlägen zum Trotz, in den 25 Jahren als Unternehmer und Investor Industriegeschichte geschrieben.

Die Niederlage

Es muss wohl der Moment seiner größten Niederlage gewesen sein. Noch am Wahlabend, kurz nach dem Fernsehauftritt, bei dem er, der Kanzlerkandidat der ÖVP der Nationalratswahlen 1979, dem zuvor deutlich angeschlagenen Bruno Kreisky zum Sieg gratulierte, ging Josef Taus auf Tauchstation.

Der Mann, der nur vier Jahre zuvor widerwillig den Posten des ÖVP-Chefs annahm, kämpfte gegen Bruno Kreisky wie gegen Windmühlen – und wurde doch vom politischen Mainstream überrollt. Für mehrere Wochen war er selbst für Freunde nicht erreichbar.

Die Zeitungen spekulierten damals nicht gerade freundlich über seinen Verbleib und über seine weitere berufliche Karriere“, sagt Rudolf Gruber, ehemaliger EVN-General und langjähriger Wegbegleiter von Josef Taus.

Welche, wenn nicht deutlich mindere berufliche Möglichkeiten sollten sich für jemanden auftun, der schon in den 60er Jahren als Staatssekretär der maroden Verstaatlichten eine wegweisende Struktur gab? Eine Struktur, die selbst unter der SPÖ-Alleinregierung unverändert blieb. Was konnte jemand erreichen, der als Vorstand der Girozentrale seinen beruflichen Zenit erreicht hatte – und als Politiker doch so grandios scheiterte?

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Tatsächlich führte nach der geschlagenen Nationalratswahl 1979 Taus ein Jobangebot für mehrere Wochen in die BRD. Auf Vermittlung von Rudolf Gruber, der im Aufsichtsrat des Verpackungskonzernes Constantia saß, kam es auch zu Gesprächen mit dem Industriellen Herbert Turnauer (auch zu ihm gibt es eine große Jubiläumsstory), dem Taus aus Zeiten seiner Vorstandstätigkeit in der Girozentrale noch in guter Erinnerung war.

Turnauer benötigte einen fähigen Macher – und Taus stand der Sinn nach Betätigung weitab der damals auch in der Industrie niemals wirklich fernen Politik. Noch 1979 wurden Turnauer und Taus handelseins – Taus verpflichtete sich, vorerst befristet, die Geschicke des Verpackungsriesen zu lenken.

Das Engagement von Taus sollte sich für Turnauer lohnen: In den kommenden zehn Jahren expandierte der Konzern dank Taus und seines Vorstandskollegen Manfred Leeb kräftig. Dividendenausschüttungen unter 20 Prozent waren zwischen 1980 und 1989 eine Seltenheit.

Kapitalerhöhungen zur Finanzierung des raschen Wachstums des Verpackungsherstellers allerdings nicht. Für manche ging die Expansion in den 80er Jahren zu rasant. Ausgerechnet Herbert Liaunig, in den 80er Jahren Mitarbeiter von Taus, sagt: „Josef Taus hat bei unserer Arbeit immer aufs Tempo gedrängt, ich war eher als Bremser verschrieen, weil ich gesagt habe: Die Dinge müssen nicht nur beschlossen, sondern auch getan werden.“

Das Zerwürfnis

Schon Anfang der 80er Jahre dürften in Taus die Überlegungen gereift sein, die schlussendlich zur Trennung von Herbert Turnauer führten. „Ich war immer davon überzeugt, dass im Zusammenspiel von Banken und fähigen Managern marode Betriebe saniert werden können“, sagt Josef Taus.

Der Plan des Mannes, der bis in die späten 80er Jahre als Wirtschaftssprecher für die ÖVP im Parlament saß: Banken sollten die Unternehmen, bei denen sie Not leidende Kredite aushaftend hatten, in Sondergesellschaften parken. Fähige Manager mit Minderheitsanteilen an diesen Sondergesellschaften könnten diese Unternehmen aufpäppeln und zu einem späteren Zeitpunkt an die Eigentümer zurück verkaufen oder in den eigenen Konzern integrieren.

Mitte 1988 war für Taus klar, dass er diese politischen Pläne für sich persönlich umsetzen will. Doch der um seine Nachfolge besorgte Industrielle Herbert Turnauer dürfte ihm Pläne, die Constantia zu verlassen, wohl auch als Illoyalität ausgelegt haben. „Ich habe einige der Reaktionen Herbert Turnauers damals nicht nachvollziehen können“, sagt Josef Taus. „Heute verstehe ich ihn weitaus besser.

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Thema "Vollbeschäftigung" 1975 mit BK Bruno Kreisky (SPÖ) und Josef Taus (ÖVP)

Vom Constantia-Zerwürfnis zur Gründung der Management Trust Holding

Die Wahrnehmung des Zerwürfnisses in der Öffentlichkeit war damals eine andere: Über die Zukunft der Constantia-Tochter Neusiedler AG kam es zum endgültigen Bruch zwischen Turnauer und Taus. Bei Neusiedler standen massive Investitionen an. Taus schlug vor, diese über ein Bankenkonsortium, bestehend aus Girozentrale und Erste Österreichische Sparkasse, zu finanzieren. Turnauer hingegen wollte verkaufen.

Ein weiteres Engagement hätte weitere Kapitalerhöhungen nach sich gezogen und damit eine Verwässerung seiner Anteile bedeutet. In einem der raren Interviews, die Turnauer gab, kritisierte der im Jahr 2000 verstorbene Industrielle die „explosive Expansion“ der Constantia.

Josef Taus 2006 dazu: „Ich wollte die Neusiedler, die ich für eine Perle hielt, unbedingt im Konzern halten.

Vergeblich: Im Frühjahr 1989 verlässt Taus gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Manfred Leeb die Constantia – und ist frei für neue Projekte. Auffanggesellschaft. „Der Josef ist unternehmerisch ein wirklich Spätberufener“, sagt Rudolf Gruber über seinen langjährigen Freund. In der Tat: Im Alter von 56 Jahren – zu einem Zeitpunkt, an dem so manch anderer schon an die vorzeitige Pensionierung denkt – will Taus es noch einmal wissen.

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Gemeinsam mit Fritz Paschke, dem ehemaligen Rektor der TU Wien, dem ehemaligen Philips-Vorstand Theobald Ettl und dem im Jahr 2000 verstorbenen Manfred Leeb gründet er die Management Trust Holding (MTH). Zug um Zug wurden, gemeinsam mit jenem Kreditinstitut, dem er in den 60er Jahren vorstand, der Girozentrale, die GIT und mit der Erste Bank die Eco Trust AG gegründet. Die GIT, an der die Girozentrale die Mehrheit hielt, und die Eco Trust AG, an der die MTH die Mehrheit hielt, sollten als Auffanggesellschaften für jene maroden Unternehmen dienen, die die Gruppe für zukunftsfähig hielt.

Die Aufgabenteilung war klar: Taus war der Finanzer und neben dem Techniker Leeb operativ in den Unternehmen tätig. Der TU-Professor Friedrich Paschke gab den beiden aus dem Aufsichtsrat den Zund. In den kommenden Jahren sollten die Druckerei Herold, der Akustikgerätehersteller AKG und der Maschinenbauer Ernst Krause GmbH übernommen werden. Noch im April 1989 erfolgte die Beteiligung an der damals schwer überschuldeten KTM.

KTM-Krise 1991: Josef Taus' unternehmerische Herausforderungen

Die Sanierung der KTM ist wohl eine der Dinge, die für den Unternehmer Taus nicht so gelaufen sind, wie er geplant hatte“, sagt Hannes Androsch, der Taus seit seiner Zeit als SPÖ-Klubsekretär im Nationalrat in den 60er Jahren kennt.

Die Verluste des Motorenherstellers, an dem Taus über die Girokredit-Tochter GIT beteiligt war, häuften sich in den drei Jahren nach der Akquisition bedrohlich an. Am Höhepunkt der Krise im Jahr 1991 wurden aus budgetierten operativen Jahresverlusten von 20 Millionen Schilling fast 150 Millionen Schilling – bei einem Gesamtschuldenstand von rund einer Milliarde Schilling.

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Taus führte die Krise vorwiegend auf den Zinsendienst zurück, der mangels vereinbarten Schuldenerlasses der Girokredit fast den gesamten Jahresverlust ausmachte. Auch an einer anderen Front standen die Zeichen im Jahr 1991 auf Sturm: Eine Aktionärsgruppe der Trust Invest, einer Gesellschaft, die 1990 zur Kapitalstärkung der Tausschen Beteiligungen an die Börse gebracht wurde, rebellierte: Sie verweigerte Taus, Leeb und Paschke die Entlastung für 1990, verhinderte die Eröffnung eines weiteren Kapitalrahmens und forderte den Einzug von Vertretern in den bislang ausschließlich von Tausschen Vertrauensleuten besetzten Aufsichtsrat.

Als er einen Nachschuss von vergleichsweise geringen 20 Millionen Schilling für die KTM ablehnt, sind die Fronten zwischen Taus und der Girozentrale verhärtet. In einer Aufsichtsratssitzung des gemeinsamen Unternehmens GIT verlangt die Girocredit ultimativ den Konkurs der KTM.

Josef Taus: Ein Wegbegleiter mit Leidenschaft für Verlag und Unternehmertum

„Ich habe Josef Taus immer als einen unglaublich konsequenten Menschen kennen gelernt“, sagt der ehemalige EVN-Chef Rudolf Gruber. Taus, der aus eher einfachen Verhältnissen stammt, ist 2006 seit fast 50 Jahren mit seiner Frau Martha verheiratet. Von privaten Affären, wie sie von anderen Spitzenpolitikern bekannt sind, wissen selbst einschlägig wohl informierte Journalisten nicht zu berichten. Im Gegenteil: „Er hat es immer vorgezogen, zu Hause – am Fußboden liegend – zu lesen, als mit Freunden auszugehen“, sagt Rudolf Gruber.

Seine Wegbegleiter schildern ihn als nüchternen Zeitgenossen – im doppelten Sinne. „Ich habe den Josef auch selten mit einem Glas Alkohol in der Hand gesehen – an einen Schwips kann ich mich überhaupt nicht erinnern“, sagt Rudolf Gruber.

Konsequenz bewies er auch im Sport, den er betrieb. „Der Josef war in seiner Jugend ein blendender Schwimmer und Wasserballer. Soweit ich weiß, sieht er sich auch heute noch jede Schwimmübertragung im Fernsehen an“, sagt Casino-Generaldirektor Leo Wallner, ebenfalls ein langjähriger Freund des Unternehmers.

Ein Hobby, von dem nahezu alle Wegbegleiter berichten, ist eigentlich beruflicher Natur: „Ein echtes Steckenpferd von Josef Taus ist sein Verlagsgeschäft“, sagt Claus Raidl, bis 2010 Vorstandschef des Stahlkonzerns Böhler-Uddeholm. Die Beschäftigung mit dem Verlag und dem Druckereigeschäft der Herold-Gruppe dürften ihm auch über die turbulenteren Zeiten geholfen haben, die Taus Anfang der 90er Jahre bevorstanden.

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Als der Bruch kam

Zum Jahreswechsel 1991 steht für Taus – eben erst von einer Netzhautablösung und einer darauf folgenden schweren Augenoperation genesen – alles in den vergangenen Jahren Aufgebaute auf dem Spiel: Die Vertrauensbasis zur neuen Führung der Girozentrale ist nach dem Konkurs der KTM zerrüttet und die Bank zieht sich aus dem gemeinsamen Unternehmen GIT zurück.

Der Machtkampf um die Industriebeteiligungen in der GIT wird mit harten Bandagen geführt – von Personen, die ihm, dem ehemaligen Giro-Chef, durchaus auch persönlich nahe standen. Nach zähen Verhandlungen übernimmt die Girozentrale die GIT – und damit nicht nur das in Konkurs gegangene Zweiradwerk KTM, sondern auch die Tausschen Beteiligungen an der AKG. Nur über einen Aktientausch mit der Teppichfabrik Eybl kann die Taussche MTH den Werkzeugmaschinenhersteller Krause halten. „Der Josef Taus konnte sich damals zu Recht schlecht behandelt fühlen – und das von seinen eigenen Gesinnungsgenossen in den VP-nahen Banken“, sagt Ferdinand Lacina, ehemaliger SP-Finanzminister, der die Vorgänge damals aus nächster Nähe erlebte.

Bruch mit der Politik

Der Josef ist ein sehr emotionaler Mensch, auch wenn das nach außen hin nicht immer so scheinen mag“, sagt Leo Wallner, Generaldirektor der Casinos Austria AG.

So war es auch nur nahe liegend, dass sich Taus in der Folge auch aus der Politik zurückzog. Er legte sein Abgeordnetenmandat und seine Funktion als Sparkassenpräsident zurück. In der Parteizentrale der ÖVP ließ sich der ehemalige Parteiobmann fortan nur noch selten blicken. Einzig zu Wahlterminen taucht er regelmäßig als Gast in der Lichtenfelsgasse auf und macht Telefondienst.

Eigentlich kommt Josef Taus immer dann, wenn’s für die ÖVP schlechte Ergebnisse gibt, dann zeigt er Flagge, dann kann es an einem Wahlabend schon einmal passieren, dass man in der Zentrale anruft und er hebt das Telefon ab“, sagt ein Mitarbeiter der ÖVP-Zentrale.

Loyalität – egal ob zu seiner Partei oder zu Wegbegleitern – ist eine zentrale Charaktereigenschaft des Josef Taus“, konzediert auch Hannes Androsch, mit dem Taus einige Sträuße ausgefochten hat. „Deshalb haben ihn die Vorgänge 1991 sicher stärker getroffen, als er zugeben würde.“

Androsch erinnert sich an ein zufälliges Treffen mit ihm im letzten Herbst am Döblinger Friedhof. Walter Neudörfer, allseits beliebter und jahrzehntelanger Sektionschef im Wiener Finanzministerium, wurde zu Grabe getragen. Taus war der einzige ehemalige Politiker, den er beim Begräbnis traf.

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Neue Hausbank der MTH-Gruppe wird das rote Gewerkschaftsinstitut BAWAG. Zu ihm pflegte Taus schon seit seiner Zeit als Giro-Boss Kontakte. „Josef Taus hatte als schwarzer Parteipolitiker niemals Berührungsängste mit den Sozialdemokraten“, sagt Ferdinand Lacina.

Im Gegenteil: Taus, bis heute ÖAAB- und Gewerkschaftsmitglied, wird von so manchem Gewerkschafter als einer der Ihren gefeiert. Als er etwa im März des Jahres 2004 die Pläne seines Herold-Geschäftsführers Leopold Kurz verwirft, für dutzende der 65 Herold- Mitarbeiter Änderungskündigungen auszusprechen, „schmeißt“ die Gewerkschaft kurzerhand ein Oktoberfest im Papierlager der Druckerei im dritten Wiener Gemeindebezirk.

Feierlich stießen Taus und der mächtige Druck-Gewerkschaftsboss Franz Bittner auf die neue Betriebsvereinbarung an. Bei solch Nähe lag es Ende des Jahres 1991 auch nicht fern, ein Angebot, das ihm Walter Flöttl, Vorstandschef der Gewerkschaftsbank BAWAG, machte, anzunehmen. Die BAWAG sollte fortan die Finanzierung der MTH übernehmen. Ob sie sich direkt, wie später etwa die Vorarlberger Hypobank, an der MTH beteiligte, ist unklar. Josef Taus bestreitet die immer wieder kolportierte direkte Beteiligung der Gewerkschaftsbank (die sich zwischenzeitlich von rund 24 Prozent auf fast 40 Prozent belaufen haben soll) an dem Tausschen Syndikat.

Management Trust Holding: Vom Industriekonglomerat zur starken Handelsgruppe

Mit der BAWAG im Rücken wird Mitte der 90er Jahre die Taussche MTH neu geordnet. So müssen etwa die Aktionäre seines Börsenunternehmens Trust Invest Holding abgefunden werden. Ende November 1992 wird das fast 40-prozentige Aktienpaket der rebellischen Trust-Invest-Aktionäre im Abtausch um die Entlastung der Vorstände und Aufsichtsräte um rund 114 Millionen Schilling zurückgekauft – und in der Folge die Taussche MTH mit der börsennotierten Trust Invest Holding verschmolzen. Seit 1995 notierte die Management Trust Holding im Segment „sonstiger Handel“ an der Wiener Börse (2019 zog sie sich von dieser zurück, Anm.).

Damals“, sagt Josef Taus heute rückblickend, „waren wohl einige Leute sehr unglücklich, dass es Manager gibt, die sich selbständig machen. Es hat sicher viele gegeben, die sich Hoffnung machten, dass wir’s nicht packen.

Seit Mitte der 90er Jahre kann Taus – unbehelligt von Aktionären und Geldgebern, die nach Mitbestimmung rufen – weiter an seinem Mischkonzern basteln. Er findet weitere Geldgeber und baut seine Beteiligungsfonds aus (so ist die MTH etwa zu 40 Prozent an einem der ersten Equity-Fonds der Republik, der APEF, beteiligt).

Später engagiert er sich im Bereich Medizintechnik und erwirbt das Beratungsunternehmen Austrian Medical Engineers (AME). Dass er beim Kauf der Dämmstoffsparte der RHI – die Heraklith stand im Zuge der Turbulenzen der RHI nach dem Amerikadesaster zum Verkauf – nicht zum Zug kommt, verwindet Taus rasch.

Die MTH wird zusehends vom Industriekonglomerat zur Handelsgruppe. Rund um Libro gruppiert Taus die Papierhandelskette Pagro und das neu gegründete Joint Venture mit dem Papiergroßhändler Europapier, E+.

Der visionäre Unternehmer und seine Herausforderungen im Telekomsektor

Der Sommer 2005 war für Josef Taus eine arbeitsreiche Zeit. Da schien ein Kurzbesuch in Belgrad fast wie eine Abwechslung. Zweck der Tausschen Visite in der serbischen Kapitale: Die Übernahme des serbischen Mobilfunkunternehmens Mobiltel durch eine Investorengruppe rund um Martin Schlaff und Herbert Cordt. Die Rolle Taus‘ dabei: Wie schon beim Kauf der bulgarischen Mobtel sollte der Mann mit dem klingenden Namen sein wirtschaftliches Know-how und seine politischen Kontakte einbringen.

Es ist ja kein Geheimnis, dass mich die BAWAG ersucht hat, das Projekt wirtschaftlich und politisch zu beraten“, sagt Josef Taus. Er selbst sei weitaus geringer finanziell involviert, als es im Firmenbuch den Anschein hat. „Wäre ich wirklich mit 15 Prozent beteiligt, wie es heißt, müsste ich rund 100 Millionen Euro Cash haben. Ich habe es nicht“, sagt Josef Taus.

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Das Projekt Mobiltel gerät Anfang des Jahres 2006 in die Schlagzeilen. Bogoljub Karic, der Mann, von dem die Investoren das 51- Prozent-Paket an der Mobiltel erworben haben, soll bei der Mobiltel Steuerschulden in Millionenhöhe angehäuft haben, Gewinne niedriggerechnet und ungehemmt Kredite aufgenommen haben. Die staatliche serbische PTT, Juniorpartner der Mobiltel und selbst Betreiberin des größten serbischen Handynetzes, stellte Gegenansprüche. Und zwar an die neuen Eigner. Am Höhepunkt der Krise entzog der als Mafiajäger bekannte Finanzminister Mladjan Dinkic der Mobiltel die Lizenz.

Zwar dürften die wahren Eigentumsverhältnisse – daran bemisst sich letztendlich der Gesamtpreis für Kunden und Infrastruktur der serbischen Mobiltel – nach Angaben von Josef Taus noch im ersten Halbjahr 2006 einer Klärung zugeführt werden, doch der hierzulande wohlklingende Name Taus wurde plötzlich in einem Atemzug mit jenem balkanischer Profiteure genannt.

Schauen Sie“, sagt Josef Taus und verschränkt die Hände wieder über dem Kopf, „ich habe mir im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt, was die Berichterstattung über mich anbelangt.“ Taus weiter: „Was mir in der Betrachtung aber ein wenig zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass durch das Engagement unserer Gruppe plötzlich ein mitteleuropäischer Player im Telekomsektor entsteht.

Josef Taus: Ein Einblick in unternehmerisches Vermächtnis

Die Telekom Austria sei, so Taus im Vortragston, durch sein Engagement vom Übernahmekandidaten zum regionalen, mitteleuropäischen Konzern geworden. Beim Thema Serbien taucht plötzlich im Gespräch auch jener Josef Taus auf, den Wegbegleiter als „manchmal etwas oberlehrerhaft und dozierend“ beschreiben.

Claus Raidl: „Josef Taus kann schon mal ungeduldig mit Gesprächspartnern werden, die er intellektuell für nicht satisfaktionsfähig hält.“ Hannes Androsch etwa erinnert sich amüsiert an eine Veranstaltung vor einigen Monaten an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Das Thema war Basel II und ich war als roter Widerpart für den schwarzen Taus geladen“, sagt Androsch. Was Androsch an der thematisch minder originellen Veranstaltung letztendlich so amüsiert hat, war, dass er weitaus mehr Applaus für seine kurzen Statements erhielt als Taus – und das vor geladenem Kartellverbands-Publikum. Generationenwechsel.

Noch hält Josef Taus wesentliche Teile der Kontrolle über seine Unternehmungen, wie auch Freunde zu erzählen wissen. „In unseren Gesprächen“, erzählt Claus Raidl mit einem Augenzwinkern, „sagt Josef Taus immer wieder ‚Ich muss jetzt endlich einen Generationenwechsel machen“.

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