Serie Produktion von morgen : Effizienz in Reih und Glied

Wer ein wenig sucht, der findet sie schon heute: Die spektakulären Big-Data-Businessmodelle, die Investitionskosten minimieren und Kundennutzen maximieren. Bestes Beispiel ist der Kompressorenhersteller Kaeser Kompressoren. Bisher verkaufte er eben nur Kompressoren. Im Zuge der Big-Data-Revolution änderte sich die Ausrichtung des Unternehmens nun entscheidend: Kaeser verkauft seinen Kunden nun Druckluft. In einer Fabrik, die sich für diese Lösung entscheidet, stehen zwar nach wie vor Kaeser-Geräte. Der Kunde bezahlt aber nur noch für die Druckluft, die er verbraucht. Dank entsprechender SAP-Steuerung stellt das System immer gerade so viel Druckluft zur Verfügung, wie gerade benötigt wird.

Für den Kunden optimal: Er kommt nach wie vor an seine Druckluft, dafür entfallen die Investitionskosten, und auch über die Wartung braucht er sich kein Kopfzerbrechen zu machen. Für Kaeser wiederum bedeutet der Umstieg auf das neue System eine noch stärkere Kundenbindung. Mit dem Wartungsauftrag kann überdies eine zusätzliche Wertschöpfungsstufe mitgenommen werden. „Mit der SAP Business Suite on HANA und Predictive Analytics gehen wir mit den Kunden eine völlig neue Beziehung ein“, freut sich Kaeser-CIO Falko Lameter.

Neue Prognosemöglichkeiten

Ein Modell, das frappant an Cloud-Computing erinnert: Hier bekommen Unternehmen von ihren Cloud-Anbietern immer exakt so viel Serverplatz zugewiesen, wie sie gerade brauchen. Damit das funktioniert, muss allerdings eine unglaubliche Menge an Daten an den Kompressoren abgelesen und fast realtime verarbeitet werden. Dieses Beispiel nennt Christoph Kränkl, Sales Director Industry bei SAP gern, wenn es darum geht, zu verdeutlichen, was Big Data für die Produktionszukunft bedeuten kann: „Mit großen Datenmengen mehr oder minder in Echtzeit umzugehen, das können Datenverarbeitungssysteme schon länger. Der entscheidende Game Changer bei Big Data ist aber die Tatsache, dass man nun Daten dazu nützt, Entwicklungen und Trends der Zukunft vorherzusagen.“

Modell der Zukunft

Dynamische Systeme wie dieses, wo der Kunde nur eine Dienstleistung kauft, die Anschaffungskosten minimiert und auf Veränderungen, die sich aus seinem Geschäftsgang ergeben, schnell reagieren kann, dürften das Modell der Zukunft werden. Das meint auch Henning Kagermann, Präsident der acatech, der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften: „Entsprechende Software ermöglicht das Beherrschen einer enormen Komplexität und damit eine ungeahnte Flexibilität. Innovationen sind heute in vielen Bereichen softwaregetrieben.“

Deshalb sei es auch hoch an der Zeit, Softwareentwicklung zu einer zentralen Ingenieursdisziplin zu erklären. In den klassischen Maschinenbauer-Hochburgen Deutschland und Österreich ist das allerdings noch nicht wirklich der Fall. Ein Punkt, den auch SAP-Mann Kränkl sieht: „Die unglaubliche Dynamisierung der Wirtschaft bietet Riesenchancen. Österreich muss da aber noch dazulernen, und zwar schnell. Sonst werden wir im globalen Wettbewerb nicht mithalten können.“

Dieser Traktor kann sprechen. Egal, wo sich der Farmer gerade befindet: draußen am Feld, auf einer Verbindungsstraße oder auf dem eigenen Hof – ununterbrochen sendet die John-Deere-Maschine über ein eigenes satellitengestütztes Mobilnetz Daten an die Unternehmenszentrale. Dort werden sie gebündelt und de facto in Echtzeit analysiert. Wenn etwas nicht so läuft, wie es soll, wenn ein Verschleißteil sich dem Ende seines Lebenszyklus nähert, wenn ein Wartungsintervall ansteht, weiß es der John-Deere-Techniker oft früher als der Besitzer des Traktors. Der profitiert davon: Rechtzeitig erkannt können viele Probleme per Fernwartung behoben werden, die zeitraubende Fahrt in die Werkstatt entfällt. Aber auch für den Produzenten John Deere, der seine Traktoren mit unzähligen Sensoren bestückt, bringt das System handfeste Vorteile: weniger Reklamationen, weniger Rückrufaktionen und vor allem die Möglichkeit, die laufende Produktion anzupassen, wenn die ermittelten Daten zeigen, dass ein bestimmter Fehler besonders oft auftaucht.

Gigantische Veränderungen

Die Veränderungen, die sich dadurch ergeben, sind gigantisch. Maschinen wie John-Deere-Traktoren, die mit der Zentrale kommunizieren und selbst melden, wann sie voraussichtlich einen Ersatzteil brauchen, sind nur eine Facette davon. Die Möglichkeit, die Produktion so weit zu individualisieren und zu steuern, dass auch noch die ausgefallenste Variante binnen kürzester Zeit verfügbar ist, ist die andere. „Abgesehen davon ermöglicht Big Data durch seine Datendichte die Verknüpfung von Welten, die früher streng voneinander getrennt waren, etwa Verkauf und Produktion. Im Optimalfall ist das Endgerät des Verkäufers so konfiguriert, dass er schon während eines Kundentermins ganz exakt sagen kann, wann die Bestellung geliefert werden kann“, nennt Kränkl ein weiteres Anwendungsfeld.

Mangelware Software-Ingenieur

In den Unternehmen kommt das Thema Big Data gerade an. Nach Angaben der BARC-Studie haben zwölf Prozent der befragten Unternehmen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz Big Data in ihr Geschäftsmodell bereits integriert, 26 Prozent denken darüber nach. Der Rest schaut noch zu. Er sollte es nicht zu lange tun, wie Studienautor Nikolai Janoschek betont, denn: „Hinter dem Schlagwort Big Data steht eine tiefgehende Veränderung hin zu einer datengetriebenen Wirtschaft.“

Manche Analysten gehen gar so weit, zu behaupten, Daten seien das neue Öl. Denn mehr noch als der Zugang zu Energie werde in Zukunft der Zugang zu Daten über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Jene Unternehmen, die schon heute Big Data nutzen, scheinen das zu wissen. Unter den Gründen, die für den Rückgriff auf Big Data sprechen, nennen sie die Hoffnung auf bessere strategische Entscheidungen an oberster Stelle.

Daten-Mining

In Bereich der Konsumgüter werden Strategieentscheidungen auch heute schon massiv von Big Data mitbestimmt. Die Modebranche zum Beispiel nützt soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter dazu, um aus den abgegriffenen Daten zukünftige Trends abzulesen und zu planen, welche Kleider in welcher Farbe produziert werden. Möglich ist das vor allem deshalb, weil die semantische Analyse mit Hilfe von spezieller Software inzwischen so weit ausgereift ist, dass sie nicht nur einzelne Worte oder Satzteile herausfiltern kann, sondern auch beurteilen, ob diese Ausdrücke in einem positiven oder negativen Zusammenhang genannt wurden. „Das funktioniert schon recht gut und ist natürlich sehr spannend, weil sich in sozialen Netzwerken Zukunftstrends schon sehr früh abzeichnen“, sagt Christoph Kränkl.

Neben der Konsumgüterindustrie mit ihrem Daten-Mining in sozialen Netzwerken dienen auch besonders avantgardistische Anwendungsbereiche als ein spannendes Testfeld, um die Möglichkeiten von Big Data auszuloten. Zum Beispiel die Formel 1. Das McLaren-Team verarbeitet da mit SAP-Software Signale, die von rund dreihundert am Boliden befestigten Sensoren übermittelt werden. Noch bevor die Fahrer in die Box einbiegen, wissen die Techniker schon, was als Nächstes zu reparieren ist. Womit sich ein spannender Berührungspunkt zwischen Formel-1-Flitzern und Traktoren von John Deere ergibt.

Piotr Dobrowolski

Die Artikelserie „Produktion von morgen“ entsteht in Kooperation mit SAP