Serie Ventures Almanach : DVD-Rohlinge bekämpfen Knochenkrebs

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Die richtige Geschäftsidee zum richtigen Zeitpunkt – und dann gut davon leben können. Das ist der Traum eines jeden Firmengründers. Die Realität ist aber häufig eine andere: Da finden sich großartige Vorhaben, die ihrer Zeit weit voraus sind, ebenso wie einfallslose Start-ups ohne Engagement und Zukunft. Da wundert es wenig, dass von 30.000 landesweiten Gründungen pro Jahr nur zwei Drittel tatsächlich Bestand haben.

Gerhard Hawa ist jedenfalls überzeugt davon, dass er mit seinem Unternehmen Fianostics zu den 60 Prozent der Firmengründer zählen wird, von denen man noch lange sprechen wird. Immerhin hat seine Geschäftsidee alle Zutaten zu bieten, die gemeinhin als Bestandteile eines geglückten Start-ups betrachtet werden: Zusammen mit einem hochqualifizierten Team bringt er als Biochemiker Managementerfahrung sowie fachliche wie soziale Kompetenzen ein, während sein Partner – das Unternehmen Stratec Consumables (früher Sony DADC BioSciences) – die technische Seite der Unternehmung betreut. Die Geschäftspartner haben dazu – auf Platten, ähnlich DVD-Rohlingen – Hightech-Plattformen auf Fluoreszenzbasis entwickelt. Auf diese Weise werden Immunoassays (Anmerkung: Methoden zur Bestimmung von Laborwerten) angeboten, die zu einer gravierend verbesserten Aussagekraft klinischer Studien mit Biomarkern (Anmerkung: im Blut messbare Parameter biologischer Prozesse) führen sollen. Hier zeigt sich auch die Sinnhaftigkeit einer dauerhaften Partnerschaft mit Stratec Consumables: „Sie liefern die Rohlinge und wir die Musik“, sagt der Fianostics-Geschäftsführer.

Gründung war Zufall

Die Gründung des Unternehmens selbst sei „ein Zufall“ gewesen, so Hawa: „Mein letzter angestellter Job war gerade zu Ende und ich habe Georg Bauer (Anmerkung: Geschäftsführer der jetzigen Stratec Consumables) auf einen Kaffee getroffen. Aus diesem einen Treffen entstand dann in kürzester Zeit ein konkretes Projekt.“

Die Idee selbst trug Hawa im Prinzip bereits „seit Jahrzehnten“ mit sich herum: „Wir haben damals an der Universität bereits in diesem Feld experimentiert, aber die Herstellung von Nanostrukturen von immer gleicher Qualität war einfach nicht umsetzbar.“ Sein Fazit im Rückblick: „Der Gedanke blieb damit in der akademischen Welt stecken.“

Die Zielgruppe für die Produkte sind ganz eindeutig klinische Forscher an Forschungseinrichtungen oder in Pharmaunternehmen. Fianostics entwickelt, finanziert und vertreibt die Produkte: „Unsere Kunden bekommen alles aus einer Hand.“ Hawa will aber nicht nur bloßer Lieferant sein, sondern ein Stück weit auch die diagnostische Medizin revolutionieren: „Wir entwickeln Molekül-Marker, die bisher noch nicht etabliert waren.“ Ein Beispiel dafür ist das markenrechtlich geschützte Startprodukt Fluobolt FIAs, das soeben auf den Markt geworfen wurde. Es zielt auf Noggin, ein Protein für den Knochenstoffwechsel, ab, mit dem auch Tumore erkannt werden: „Mit der Hilfe einiger unserer geplanten Marker könnten klinische Forscher präventive Maßnahmen setzen, die Knochenkrebs hinauszögern oder sogar auch verhindern können.“ Diese Möglichkeit ist erst jetzt durch die Entwicklung seiner metallverstärkten Detektionsplattformen möglich. Hawa: „Die bisher verfügbaren Tests sind einfach zu unempfindlich dafür gewesen.“ Sein Businessplan sieht vor, in weiterer Folge mit Hilfe von Biomarkern auch Alterserkrankungen wie Demenz, Alzheimer und Parkinson anzugehen.

Das Potential der Technologie sei nun aber sogar größer, als er es nutzen würde, so der Biochemiker: „Sie kann auch für DNS oder Protein-Chips eingesetzt werden, die mit einer hohen Empfindlichkeit schnell und methodisch einfach zu bedienen sind. Das würden wir aber nicht selbst umsetzen, sondern eher Lizenzen dafür vergeben.“

Wiener Neustadt schlug Wien

Interessant ist auch die Wahl des Firmenstandortes für Fianostics. Die Hauptstadt Wien als Universitätsstadt bietet zwar gute Voraussetzungen, gegründet hat der Wiener Hawa sein Unternehmen aber in Niederösterreich: „Zwei Gründe haben den Ausschlag für Wiener Neustadt gegeben: Die im Vergleich zu Wien niedrigen Mieten und die Basisinfrastruktur, die ich im dortigen Technologie- und Forschungszentrum vorgefunden habe.“ In Wien sei es nicht möglich gewesen, günstige Labors zu finden.

Gestartet hat Hawa das Vorhaben Ende 2014 mit einer Seed-Förderung des aws (Austria Wirtschaftsservice), was Fianostics eine eineinhalbjährige Entwicklungsphase ermöglichte. Auch der Personalstand steigt stetig an: Zum Startteam von zwei Mitarbeitern sind bereits drei weitere Experten dazugestoßen. Hawa: „Bis 2020 wollen wir zu acht sein und in weiterer Folge auf 30 Personen anwachsen.“ Ein solches Wachstum ist möglich, weil der Unternehmensplan vorsehe, jedes Jahr zwei neue Produkte auf den Markt zu bringen: „Im Prinzip ist unser Reservoir unendlich.“ Bei einem Preis pro Set von 700 bis 1000 Euro muss aber auch die Plattenproduktion reibungslos funktionieren. Gelingt dies – wovon Hawa ausgeht –, ist ein Jahrespotential von zehn bis elf Millionen Euro durchaus möglich.

Verkauft wird ausschließlich über die Mediziner-Community, bei Kongressen und über Online-Werbung in entsprechenden Fachmedien: „Unser Produkt ist zu spezifisch, um es über Medien und Vertriebswege des Endverbrauchermarktes zu bewerben oder zu verkaufen.“ Neben dem europäischen und dem US-Markt setzt Fianostics vor allem auf Asien als potenziellen Absatzmarkt. Seine Produkte dort zu vertreiben sieht Hawa genauso als Herausforderung wie auch als Chance: „Das ist unser großer zukünftiger Markt, denn Asien hat – ebenso wie Europa – ein zunehmendes Problem mit Überalterung.“ Asiatische Forscher trifft man schon jetzt auf Kongressen, der Fianostics-Geschäftsführer ist aber sicher, dass – sobald seine Produkte bekannter seien – „sie auch aktiv auf uns zukommen werden“.

Ein KMU bleiben

„Wir haben uns einen kleinen Markt herausgegriffen“, zeigt sich der Gründer dennoch bescheiden. Sein Ziel ist es, ein Berufsleben lang ein KMU zu bleiben. Abgesehen davon sei es als kleines Start-up „unmöglich, den gesamten Markt zu bedienen“, sagt Hawa und wirkt äußerst zufrieden dabei. Denn von einem ist er zu hundert Prozent überzeugt: „Ich plane nicht, in Pension zu gehen.“ Und wenn es „irgendwann einmal“ doch so sein müsse, dann wäre es doch ein schöner Gedanke, sagt Hawa, „das Unternehmen an einen Mitarbeiter zu übergeben“.

Mehr zur heimischen Start-up-Szene finden Sie in unserem Ventures Almanach.