Produktionstechnik : Doka, Miba, Rosenbauer, FACC: Parcours-Lauf

Doka Führung KVP-Austausch
© Thomas Topf

In einem rasanten Tempo werden Kanten angefahren und geleimt. Klar abgesteckte, saubere Wege durchziehen die Produktionshalle. Christoph Kotrba führt seine Kollegen vom KVP-Erfahrungsaustausch über eine der vielen Flächen des Schalungsspezialisten Doka an seinem Hauptsitz in Amstetten. Für das höchste Gebäude der Welt, dem Burj Kalifa in Dubai oder die Türme des neuen World Trade Centers in New York stellte Doka bereits Schalungslösungen her. Was Mitte des 19. Jahrhunderts als kleiner Tischlerbetrieb begann, ist heute ein großer Konzern mit rund 6.000 Mitarbeitern international, davon 1.700 Mitarbeiter in Österreich. Wie bei allen anderen Unternehmen ist man auch bei Doka um ständige Verbesserung bemüht.

Doch insbesondere in großen Konzernen sind die internen Entscheidungswege oft lang und Betriebsräte oder eine ganze Hand voll Geschäftsführer müssen in den Prozess miteingebunden werden. "Als Ideenmanager möchte ich näher an den Mitarbeitern sein. Vom passiven Warten auf Ideen – wie ein klassisches Vorschlagswesen meist gesehen wird – hin zum proaktiven gemeinsamen Verbessern", erklärt Kotrba. Der ehemalige Produktionstechniker ist seit zwei Jahren für das Ideenmanagement bei Doka zuständig und beschreibt sein Tätigkeitsfeld wie folgt: "Es ist sehr vielfältig: von Kleinigkeiten bis hin zu wirklich großen Verbesserungen, wo man sogar von einem Erstjahresnutzen im fünfstelligen Bereich sprechen kann".

Klein, groß, besonders

Die knapp 30 Teilnehmer der vom Automobil-Cluster organisierten KVP-Austauschrunde sind von den hochautomatisierten holz- und metallverarbeitenden Fertigungsbereichen bei Doka beeindruckt. Unter den Begeisterten ist auch Sebastian Schraml, Qualitätsmanager vom Sondermaschinenhersteller Fill, der zum ersten Mal an diesem Austausch teilnimmt. "Mir gefällt natürlich auch zu sehen, dass Doka unsere Maschinen in der Produktion stehen hat", gibt Schraml lachend zu. Was das Lernpotenzial zwischen Großserienhersteller und Kleinserienhersteller in puncto Lean-Production betrifft, ist er jedoch nicht ganz so überzeugt. "Es bringt uns nicht so viel, von einem Großserienhersteller die Taktzeiten und Ähnliches zu erfahren. Für uns im Sondermaschinenbau ist das einfach nicht relevant, da unsere Fertigung ganz anders abläuft", erklärt Schraml und verdeutlicht: "Wir haben vor Kurzem eine Kleinserie eingeführt, da wird pro Monat eine Maschine gebaut." Freilich haben Unternehmen wie Fill, die ausschließlich Einzelmaschinen auf Sonderanfertigung herstellen, Produktionssysteme und Steuerungen, die nur in gewissen Punkten mit Großserienproduktionen vergleichbar sind. Hinzu kommt, dass es bei höheren Stückzahlen wesentlich leichter ist, Daten miteinander zu vergleichen und sich mit anderen über Lean- Production auszutauschen. Anders beim Ideenmanagement. Da sieht Schraml unabhängig von Branche und Fertigungsart viele übertragbare Ideen und sinnvolle Vorbilder: "Bei Doka gibt es 2,3 Einreichungen pro Mitarbeiter und eine Umsetzungsquote von 45 Prozent, das ist sehr gut. Wir liegen bei einer Umsetzungsquote von 20 Prozent, da sehe ich bei uns noch viel Potenzial nach oben." Auch die vor Kurzem bei Doka durchgeführte Mitarbeiterumfrage hat ihm gefallen und er könnte sich vorstellen, dass eine ähnliche Maßnahme auch bei Fill sinnvoll wäre.

Besser ummünzen

Mit einer höheren Taktzahl als bei Fill, aber ähnlich variantenreich, produziert der Feuerwehrausstatter Rosenbauer, der ebenfalls bei der Austauschrunde vertreten ist. "Wir sind ein Spezialfahrzeughersteller", fasst Claus Moser zusammen. Bei Rosenbauer betreut er den Bereich SAFE (Synchrone Arbeitsprozesse und Fertigung), der sich mit dem Lean-Management sowie mit der zentralen Arbeitstechnik, sprich um die effiziente Fertigung in allen Produktionsbereichen, befasst. Moser hält sehr viel vom direkten Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen und sieht darin einen größeren Mehrwert als im rein theoretischen Wissen eines Beraters. Das Feedback aus den bisherigen Austauschrunden zeigte auf, dass Rosenbauer durch die Erhebung der Teamkennzahlen am Shopfloor einen höheren Nutzen ziehen kann. "Da arbeiten wir jetzt wieder intensiv dran. So ein Austausch ist schon sehr wertvoll", so Moser.

Die Herausforderung für Rosenbauer besteht darin, auch die kleineren, schnell zu erledigenden Verbesserungen – die dank Shopfloor-Management recht unbürokratisch und gezielt vor Ort durchgeführt werden – auch monetär zu erfassen. "Bei der Auswertung am Jahresende haben wir einen erheblichen Anteil nicht rechenbarer Verbesserungsvorschläge, die dann mehr oder weniger untergehen, obwohl sie ja einen Nutzen generiert haben. Bei Doka hat mich beeindruckt, dass sie die Anzahl der nicht rechenbaren Verbesserungsvorschläge anhand einer Matrix in einen Jahresnettonutzen ummünzen. Das werden wir auch versuchen", sagt Moser.

Sensibilisierung

Ob Schalungshersteller oder Autobauer – einen Einblick in unterschiedliche Industrien zu erhalten, finden die meisten Unternehmen spannend. Auch für Günter Fuchsberger, Produktionsleiter bei Starlim Spritzguss, ist es wichtig die Möglichkeit zu haben, andere Unternehmen kennenzulernen. "Trotz unterschiedlicher Herangehensweise, beschäftigt sich doch jeder mit ähnlichen Themen. Auch wenn es um Kleinigkeiten wie Arbeitsplatzorganisation geht, kann der Blick in ein anderes Unternehmen sehr hilfreich sein", glaubt Fuchsberger. Seit sechs Jahren nimmt er an den KVP-Austauschrunden teil. Als Vorbild für die anderen Teilnehmer konnte Starlim insbesondere im Bereich 5S dienen. "Wir sind sehr strukturiert. Das ist das Feedback, das wir immer wieder erhalten. Ordnung und Sauberkeit ist bei allen Mitarbeitern verankert", beteuert Fuchsberger. Sein Interesse an Konzepten und Lösungen anderer Unternehmen lag im letzten Jahr vor allem auf dem Thema Kommunikation im Schichtbetrieb. "Da haben wir in Richtung Shopfloor-Management einige Impulse von anderen Unternehmen erhalten", berichtet Fuchsberger. Grundsätzlich sehr interessant findet er den gelebten KVP bei Automobilzulieferer Miba.

Das Besondere am Verbesserungswesen von Miba Frictec ist vermutlich FIP (Frictec Improvement Prozess), ein innerbetrieblicher Dienstleister, der sich als Unterstützer, Begleiter, Moderator oder Reporter um das Ideenmanagement, Workshops und Projekte kümmert. Ein Angebot, das sehr intensiv genutzt wird, wie Thomas Pesendorfer, verantwortlich für den Bereich FIP, bestätigen kann. "Gibt es beispielsweise an der Schnittstelle zwischen zwei Bereichen Verbesserungspotenzial oder hat zum Beispiel der Produktionsleiter eine Problemstellung, so begleitet FIP die Bearbeitung dieser Aufgabenstellung in einer strukturierten Form, also als Kaizen-Workshop, Six Sigma-Projekt oder Ähnliches", erklärt Pesendorfer und fügt hinzu: "Außerdem gibt es dreimal wöchentlich eine fix installierte KVP-Runde, zu der die Mitarbeiter hingehen können." Nicht verwunderlich also, dass bei Miba Frictec pro Jahr knapp 500 Verbesserungsvorschläge eingehen und an die 30 KVP-Workshops oder Projekte durchgeführt werden.

An den KVP-Treffen des Automobil-Clusters nimmt Miba Frictec schon seit 2006 teil. "Man kriegt eine gewisse Orientierung, wo man mit seinen Systemen steht. Ein Abgleich mit anderen ist einfach gesund", so Pesendorfer, für den es insbesondere in puncto TPM und autonome Instandhaltung hilfreich war, von anderen Unternehmen zu lernen.

Ideen überführen

Ein gelungener Erfahrungsaustausch fußt immer auf einer offenen Kommunikation unter den Teilnehmern. Die Offenheit beruht meist auf dem Wissen, dass sowieso niemand etwas 1:1 übernehmen kann. Gleichzeitig kann gerade das auch ein Nachteil sein, weiß Karin Streit, KVP-Koordinatorin von Spritzgussmaschinenbauer Engel: "Viele Ansätze anderer Unternehmen sind im eigenen Unternehmen nicht anwendbar, da grundlegende Unterschiede in Organisation, Vorgaben oder Strategie vorherrschen." Auch Johann Gaisbauer, Groupleader Assembly Production bei Luftfahrtzulieferer FACC und seit vier Jahren Teilnehmer der KVP-Austauschrunden weist darauf hin, dass die angewandten Kaizen-Methoden auf die jeweilige Firmenkultur abgestimmt werden müssen. Kotrba führt den Gedanken fort: "Man kann nicht einfach eine Variante von einem anderen Unternehmen übernehmen und bei sich selbst einbauen, dafür sind die Strukturen und die Sprache der einzelnen Unternehmen zu unterschiedlich. Man muss es sich erst zurechtschnitzen.“

INTERVIEW

"Es gibt immer Verbesserungspotenzial"

Klaus Zimmermann, Lean-Managementexperte bei Festo Industrie Consulting, über das nötige Fingerspitzengefühl bei KVP-Runden.

INDUSTRIEMAGAZIN: Inwiefern können unterschiedliche Industriezweige bei moderierten Austausch-Veranstaltungen voneinander lernen?

Klaus Zimmermann Das Lernen aus der Erfahrung ist beim KVP ein ganz zentraler Baustein des Erfolges – das können die eigenen Erfahrungen sein, aber auch die Erfahrungen anderer. Das macht die Reflexion und den Austausch dieser Erfahrungen unerlässlich. Netzwerk-Treffen oder ähnliche Veranstaltungen liefern oft interessante Impulse und Ideen. Wichtig ist allerdings, dass es ein zentrales Thema gibt und das Programm mit entsprechendem "Fingerspitzengefühl" gestaltet wurde. Da gehört fundiertes fachliches Know-how dazu.

Wo liegen erfahrungsgemäß die größten Schwierigkeiten in der Umsetzung von KVP?

Zimmermann Ein nachhaltiger KVP ist – wie der Name schon sagt – ein kontinuierlich laufender Prozess. Darum ist es so wichtig, alle Mitarbeiter einzubinden, ihnen das gemeinsame Ziel verständlich zu machen und sie zu motivieren, sich dafür einzusetzen. Wird versucht, die Fertigung anhand extern aufgeschnappter "Rezepte" mit einmaligen Hauruck-Aktionen zu "revolutionieren", kann das schnell unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen. Vorbilder und von ihnen abgeleitete standardisierte Rezepte sind daher immer mit Vorsicht zu genießen, selbst wenn sie aus der eigenen Branche kommen. Es lohnt sich jedenfalls Experten hinzuzuziehen.

Weshalb kann es wichtig sein, dass sich Kleinserienfertiger und Großserienproduktionen austauschen?

Zimmermann Es gibt immer etwas zu lernen, zu verbessern – das gilt für jede Art der Produktion. Beispielsweise kann eine Kleinserie besonders flexibel sein, die Großserie aber höchst effizient. Es kann sich daher für beide Seiten lohnen, beim anderen genauer hinzuschauen. Zudem wird gerade in Hinblick auf Industrie 4.0 die Trennlinie zwischen Groß- und Kleinserie zunehmend verschwinden – Losgröße 1 und die Wirtschaftlichkeit einer Großserienproduktion ist das Ziel. Es macht also durchaus Sinn, sich auszutauschen.