Haftpflichtversicherung : D&O: Mit einem blauen Auge aussteigen

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Manager leben gefährlich. Ein Satz, der gerne wiederholt wird – und meistens ist er nicht mehr als eine flapsige, witzig gemeinte Bemerkung. Manchmal jedoch wird aus dem schlechten Bonmot eine bittere Wahrheit. Das zeigt zum Beispiel der Fall eines Herrn aus Kärnten. Über zehn Jahre lang war er Geschäftsführer einer Konzerngesellschaft. Der Herr arbeitete ehrlich und gewissenhaft. Und er hatte Erfolg. Der Mehrheitsgesellschafter des Konzerns war voll des Lobes, es gab Auszeichnungen. Als sich der Herr 2010 in die Pension verabschiedete, ging er in Ehren und mit großem Dank seiner Kollegen. Doch sein Lebensabend gestaltete sich anders als erwartet. 2012 meldete die Gesellschaft Konkurs an. Anfang 2013 läutete es beim ehemaligen Geschäftsführer an der Haustüre: Die Wirtschaftspolizei stand da und forderte eine Einvernahme. Der Vorwurf: Bilanzfälschung, betrügerische Krida und Untreue. „Dann heißt es meistens: Am besten, Sie kommen gleich mit“, erzählt Alexander Todor-Kostic, ein Wirtschaftsanwalt, der heute den Fall betreut. Der Herr jedoch ging nicht mit, sondern kontaktierte seinen Anwalt. Dieser forderte die schriftliche Ladung an, damit er sich die Akte beschaffen konnte – soweit Routine. Was allerdings in der Akte stand, war weniger alltäglich.Lesen Sie weiter: "Er hat es dick gegen sich"

2009 befolgte der Ex-Geschäftsführer einen ausdrücklichen Wunsch des Mehrheitsgesellschafters und gewährte einer Tochtergesellschaft des Konzerns ein Darlehen von 900.000 Euro. Kein Problem, dachte sich der Herr damals – es ist ja für die Tochtergesellschaft, und außerdem will es der Mehrheitsgesellschafter so. Doch leider ging irgendwann auch die Tochtergesellschaft pleite – und konnte nicht zahlen. Und der Herr stand zwei Jahre nach seiner Pensionierung plötzlich als Beitragstäter da. „Der Herr hat es dick gegen sich“ Sein Vergehen: Einer „Kapitalaushöhlung“ wie dieser müssen alle Gesellschafter zustimmen – im Innenverhältnis der Mehrheitsgesellschafter und die Minderheitsgesellschafter, im Außenverhältnis die Gläubiger. Ohne das OK von allen hätte der Herr also niemals einem Darlehen zustimmen dürfen, auch wenn der Mehrheitsgesellschafter das fordert und das Geld an die Tochtergesellschaft geht. Oder anders formuliert: Nach § 82 des GmbH-Gesetzes kann es bei einer Darlehensgewährung zugunsten eines anderen Gesellschafters zu einer verbotenen Einlagenrückgewähr kommen. Was den Fall nicht gerade erleichtert: Einen Aufsichtsrat hatte der Konzern nicht. Und eine Verjährung setzt erst ab dem Zeitpunkt ein, zu dem der Geschädigte von dem Schadensfall erfährt. Das heißt: Auch Jahre nach dem Ende einer beruflichen Tätigkeit kann es sein, dass die Verjährung eines Schadenersatzanspruches gegen den ehemaligen Geschäftsführer noch nicht einmal zu laufen begonnen hat. Also klagten die aktuellen Verantwortlichen des Konzerns den Ex-Geschäftsführer. Die Minderheitsgesellschafter schlossen sich der Klage an. Und die Gläubiger ebenfalls. „Der Herr hat es dick gegen sich“, kommentiert heute Todor-Kostic den Fall seines Mandanten. Das neue Management gegen das alte Und nun stellte sich für den Herrn die Frage nach der Finanzierung des Strafprozesses. Er besitzt zwar eine Rechtsschutzpolizze – ein Deckungsschutz besteht dort allerdings erst ab der Hauptverhandlung. Das Problem dabei: Bis zu diesem Zeitpunkt kann mit Hilfe eines Anwalts vieles verhindert werden. „Kommt es nämlich zu einer strafrechtlichen Verurteilung, muss sich der Richter im Zivilverfahren daran halten“, erklärt Todor-Kostic. Also zahlt der Herr die effiziente Verteidigung im Vorfeld des eines möglichen Prozesses selbst – der Ausgang des Prozesses ist derzeit völlig offen.Lesen Sie weiter: "Verfahren gegen Manager nehmen drastisch zu"

Ein besonderer Fall, der trotzdem einen allgemeinen Trend bestätigt: „Verfahren gegen Manager nehmen drastisch zu“, erklärt Georg Aichinger. Er ist Geschäftsführer der Koban solDORA GmbH, die Unternehmensleiter und Aufsichtsräte in Versicherungsfragen berät. Die Gründe für die Zunahme der Prozesse sind vielfältig: zum Beispiel eine Verschärfung der Rechtsprechung und die Existenz von Rechtsschutzversicherungen, die den Prozess erst finanzieren. Aber auch die Verpflichtung des neuen Managements, Fehler beim alten zu suchen. Haben sie Grund zu klagen und klagen nicht, rebellieren die Aktionäre mit dem Vorwurf, warum bestehende Ansprüche nicht geltend gemacht werden. Allerdings: Zahlen dazu, wie stark der Anstieg der Klagen gegen Führungskräfte ist, kann Aichinger nicht nennen. Branchenübliche Lösung Fest steht auf jeden Fall, dass mit einer Anklage eine Kostenwelle auf einen Manager zurollt: Bei einem Schadenersatzprozess: Kosten für den Rechtsanwalt und den Gutachter. Wird eine Klage für begründet erachtet, ist auch der Schadensersatz zu zahlen. Bei einem Strafverfahren können neben dem Honorar für den Verteidiger auch Kreditkosten für eine Kaution oder Kosten eines PR-Beraters dazukommen. „Leider kann man immer wieder beobachten, wie eine Existenz finanziell und in ihrem persönlichen Umfeld zerstört wird“, meint Todor-Kostic. Damit das nicht passiert, gibt es einen branchenüblichen Schutz vor dem finanziellen Ruin – die D&O (directors & officers) Versicherungen. Inzwischen sind zahlreiche Anbieter mit dieser speziell auf Führungskräfte maßgeschneiderten Versicherung am Markt. Ist eine D&O gut ausgewählt, zahlt der Versicherer den Rechtsschutz, außergerichtliche und gerichtliche Kosten sowie den Schadenersatz oder die vereinbarte Summe bei einem Vergleich. Die Polizzen im Bereich des Zivilrechts Es gibt grundsätzlich zwei Arten dieser Versicherung: Zum einen eine Unternehmens D&O, bei der die Gesellschaft die Prämie zahlt und Führungskräfte als Personen versichert sind. „Unternehmen bestreiten die Kosten dieser Versicherung, weil es auch in ihrem Interesse ist, wenn sie selbst geschädigt sind, in den Versicherungstopf greifen zu können“, erklärt Aichinger. Nach seinen Worten dient eine abgeschlossene Unternehmens-D&O auch als Rekrutierungsinstrument, beispielsweise gegenüber Aufsichtsräten: „Viele Aufsichtsräte würden das Amt ohne eine abgeschlossene Unternehmens-D&O gar nicht erst antreten.“Lesen Sie weiter: Vergleichen zahlt sich aus

Zum anderen gibt es eine persönliche D&O für Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Prokuristen oder Bereichsleiter. Bei Anwälten, Notaren und Steuerberatern ist eine Berufshaftpflichtversicherung verpflichtend – bei Managern dagegen noch freiwillig. Der Abschluss einer ergänzenden persönlichen D&O ist immer zu empfehlen, so der Versicherungsexperte: Oftmals reicht die Versicherungssumme in der D&O des Unternehmens nicht aus. Dazu Aichinger weiter: „Viele Unternehmen stellen ihren Managern auch gar keinen Schutz zur Verfügung. Oder der Deckungsumfang reicht ganz einfach nicht aus. „Wer ein Amt befristet als Interimsmanager übernimmt, sollte unbedingt eine persönliche D&O abschließen.“ Denn fällt der Zeitpunkt eines Verstoßes in den Vertragszeitraum, ist die Nachhaftung für Fälle aus dieser Zeit auch nach dem Ende der Versicherung unbegrenzt – sofern man das richtige Produkt ausgewählt hat. Eine Information, die dem unter Anklage stehenden Ex-Geschäftsführer seinerzeit viel Geld und Ärger erspart hätte. Rechtsschutz im Bereich des Strafrechts Ein Manager kann sich auch strafrechtlich verantwortlich machen. Gefahren drohen, wenn gegen ihn wegen Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung oder Untreue ermittelt wird – z. B. nach Vergabe eines Kredits ohne Sicherheiten. Auch im Bereich des Strafrechts ist die Auswahl an Versicherungsprodukten enorm und die einzelnen Bedingungen sehr komplex. Aber auch hier gibt es grundsätzlich zwei Typen: Erstens die „Unternehmens“ Variante, bei der die Gesellschaft die Versicherungsprämie bezahlt. Und zweitens eine persönliche Strafrechtsschutz-Versicherung, die dem Manager, der sie abschließt, alleine zugute kommt. Spezialstrafrechtsschutzversicherungen bieten heute einen sehr weiten Versicherungsschutz, übernommen werden sogar die Kosten für private Gutachten, Dolmetscher und Übersetzer. Die Kosten einer D&O: Nicht gerade billig Das Fazit Aichingers zum Thema D&O: „Auch wenn eine Schadenersatzklage begründet ist, kann man mit einem blauen Auge davon kommen.“ Voraussetzung: Man hat zuvor eine geeignete D&O abgeschlossen. Natürlich ist das Ganze alles andere als billig. Die Höhe der Kosten für eine Polizze variiert sehr stark, ein Vergleich zahlt sich also aus. Als erste Orientierung gibt es daher zwei Faustformeln. Die Versicherungssumme sollte zumindest in der Höhe von einem Zehntel des Umsatzes liegen. Macht ein Konzern zum Beispiel 100 Millionen Euro Umsatz, sollten als Versicherungssumme jedenfalls zehn Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Kosten für eine persönliche D&O bewegen sich ganz grob um die 1000 Euro pro jeder Million Euro Versicherungssumme und pro Mandat. Liegt also die Versicherungssumme wie in diesem Beispielfall bei zehn Millionen Euro, zahlt ein Manager für eine persönliche D&O rund 10.000 Euro pro Jahr und pro Mandat. Einen eigenen Spezialisten mitnehmen Vieles hängt allerdings auch vom Verhandlungsgeschick ab – und der Wahl des richtigen Versicherers. Sowohl Wirtschaftsanwalt Todor-Kostic als auch Versicherungsexperte Aichinger geben Interessierten daher einen Rat mit auf den Weg: Vom Abschluss einer D&O ohne einen eigenen Spezialisten an seiner Seite ist dringend abzuraten.