6 Antworten : Digitalsteuer: So will die EU den Internetriesen an den Säckel

Die EU-Kommission plant eine spezielle Steuer für Digitalkonzerne wie Google und Facebook. Auf lange Sicht soll ein neues Besteuerungsmodell entwickelt werden. Bis dahin legt die Behörde das Augenmerk auf den Umsatz der Unternehmen, anstatt den Gewinn zu besteuern.

(1) WARUM IST DIE STEUER NÖTIG?

Die EU-Kommission verweist auf deutliche Steuerausfälle, weil multinationale Konzerne zwar in Mitgliedstaaten tätig sind, dort aber physisch nicht mit Filialen präsent sind. Deshalb ist eine Besteuerung nach dem Gewinn vielfach nicht möglich. Zugleich gewinnen Internetfirmen zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. Die EU-Kommission geht davon aus, dass bis 2020 rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts online erwirtschaftet werden.

Um dieses Problem anzugehen, hat eine Reihe von EU-Ländern bereits nationale Regelungen zur Sonderbesteuerung von Digitalfirmen auf den Weg gebracht. Die EU-Kommission fürchtet einen "Flickenteppich nationaler Lösungen" und eine "Zersplitterung des Binnenmarktes" und schlägt deshalb eine europäische Lösung vor.

(2) FÜR WEN SOLL DIE STEUER GELTEN?

Für Unternehmen, deren weltweiter Jahresumsatz mehr als 750 Millionen Euro beträgt, wovon mehr als 50 Millionen durch digitale Dienstleistungen in der EU generiert werden. Die Steuer zielt also in erster Linie auf Internetriesen wie Google, Facebook und Amazon ab. Europäische Start-Ups sollen explizit nicht betroffen sein.

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Werbeeinnahmen und solche aus dem Handel mit Nutzerdaten besteuert werden. Auch Anbieter von Plattformen und Online-Marktplätzen wie Airbnb oder Amazon, die Anbieter und Kunden zusammenbringen, sollen zahlen.

Ausgenommen wären demnach Einnahmen durch die Bereitstellung von digitalen Inhalten und Diensten und durch Warenverkäufe. Anbieter von Streaming-Diensten wie Netflix oder Gaming-Plattformen müssten also nicht zahlen. Für seine Aktivität als Online-Händler wäre Amazon ebenfalls ausgenommen.

(3) WIE HOCH SOLL DIE STEUER SEIN UND WIE VIEL KÖNNTE SIE EINBRINGEN?

Angestrebt ist ein Steuersatz zwischen einem und fünf Prozent auf den Umsatz. Die Kommission rechnet in ihren Modellen mit drei Prozent. Bei diesem Satz kann nach Angaben der Behörde von Steuereinnahmen in Höhe von fünf Milliarden Euro ausgegangen werden.

(4) WIE WIRD DIE DIGITALSTEUER IN DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT GESEHEN?

Die Wirtschaft steht dem Vorhaben kritisch gegenüber. Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnt etwa vor dem Risiko einer Verschärfung des Handelskonflikts mit den USA sowie negativen Folgen für heimische Internetfirmen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisiert den Vorstoß der Kommission als Bruch mit "international vereinbarten Besteuerungspraktiken". Es seien zukünftig in vielen Fällen Doppelbesteuerungen von Gewinnen zu erwarten.

(5) BESTEHT DIE GEFAHR, DASS DIE STEUER DEN HANDELSSTREIT MIT DEN USA WEITER ANFACHT?

120 bis 150 Konzerne könnten von der Steuer betroffen sein - rund die Hälfte davon sind US-Unternehmen. Der Vorstoß der Kommission könnte das Verhältnis mit Washington deshalb zusätzlich belasten.

US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte, Washington sei "strikt dagegen", digitale Unternehmen speziell zu besteuern. EU-Kommissar Moscovici beteuerte, dass es sich bei der vorgeschlagenen Steuer nicht um eine anti-amerikanische Maßnahme handle.

(6) KANN DIE STEUER NOCH SCHEITERN?

Ja. Denn die die Mitgliedstaaten müssen noch zustimmen. In Steuersachen ist in der EU dabei Einstimmigkeit notwendig. Widerstand kam bisher insbesondere aus Irland, wo mehrere große Internetfirmen ihren Sitz haben. Ähnliches gilt für die Niederlande und Luxemburg. Außerdem gilt auch etwa Ungarn nicht als Befürworter, weil es bereits eine eigene Digitalsteuer beschlossen hat.

Notfalls könnte auch nur ein Teil der Mitgliedstaaten die Steuer im Zuge der "verstärkten Zusammenarbeit" einführen. Dafür sind mindestens neun EU-Staaten nötig. Bei der seit Jahren diskutierten Finanztransaktionssteuer führte aber auch dies nicht zum Erfolg.

(Von Peter Eßer, AFP/APA/red)