IM-Expertenpool : Digitalisierung: Viel mehr als nur eine technologische Herausforderung

Was versteht man unter Digitalisierung und Industrie 4.0? Die Merkmale der Produktion der Zukunft sind eine mögliche Erklärung:

Die Verschmelzung der physischen Produktionswelt mit der virtuellen Welt der Informationstechnologie und des Internets (IoT) ist ein Merkmal, das auf den Wechsel zu dezentralen, intelligenten Netzwerken statt hierarchischer Steuerung weist.

Menschen, Maschinen, Objekte und Systeme sind vernetzt und kommunizieren in Echtzeit.

In diesen Cyber-Physikalischen Produktionssystemen sind alle Instanzen der Wertschöpfungskette unternehmensübergreifend verbunden, von der Produktion bis zur Kundenkommunikation.

Die Industrieproduktion erfüllt individualisierte Kundenwünsche auf einem hohen Qualitätsniveau, bei höherer Flexibilität und Robustheit sowie optimalem Ressourceneinsatz.

Daraus ergeben sich die Vorteile und Treiber der Digitalisierung und Industrie 4.0 wie etwa Wirtschaftlichkeit – Flexibilität – Time-to-Market durch Effizienten Einsatz von Resourcen, Maßgeschneiderte Produkte (Losgröße 1), kürzere Innovationszyklen usw.

Pressestimmen zur Digitalisierung

„Pressestunde“ mit Finanzminister Hans Jörg Schelling im Mai 2017:

„Digitalisierung, Industrie 4.0 findet nicht irgendwann statt, da sind wir schon mitten drin. Es gibt keinen Empirischen Befund, dass es jemals bei einer solchen industriellen Revolution weniger Arbeitsplätze gegeben hat – es gibt andere Arbeitsplätze. (...) Die Politik muss Rahmenbedingung schaffen für lebenslanges Lernen, andere und neue Jobs.“

CeBit – ein Fazit:

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt in Büro und Verwaltung und Digitalisierung war gestern, heute ist die Herausforderung: Digitalisierung plus Künstliche Intelligenz

Matthias Horx, Zukunftsforscher

"Es geht um „selbstbestimmte Vernetzung“ auf einer humanen Basis. Die Technik darf nicht mehr unser Leben bestimmen, sondern umgekehrt.“

Anwendungen der Digitalisierung und Industrie 4.0

Die Smart Factory verwendet nicht neue Technologien, sondern die Anwendung verändert sich in Richtung Kommunikationsfähigkeit, daher sind bekannte Anwendungen wie Cyber-Physische Systeme, NFC und RFID als eigentlich schon vielerorts gelebte Anwendungen. Mobile Robotik, Augmented Reality und Energy Monitoring lassen uns immer noch erstaunen und sind in ungeahnten Richtungen ausbaubar. Ein wichtiges Element ist der 3D-Druck geworden, dessen Entwicklung auch fast täglich neue Anwendungsmöglichkeiten aufzeigt.

In der Fabrik der Zukunft sind Assistenzsysteme für Mitarbeiter fast unerlässlich: Die Interaktion Mensch-Maschine wird nicht nur von Industrieroboter-Herstellern rasch weiterentwickelt, auch auf anderen Ebenen wird intensiv geforscht. Z.B. wird im Bionic Learning Network von Festo anhand bionischer Modelle nach Lösungsansätzen für Funktionsintegration, Miniaturisierung, flexible und adaptive Anlagen sowie intuitive Bedienung von Maschinen gesucht.

Der menschliche Faktor in der Smart Factory

Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf alle Bildungsbereiche. Nach einer Untersuchung von Fraunhofer IAO/Ingenics ( Befragung unter 518 Produktions-verantwortlichen deutscher Unternehmen) unter dem Titel „Neue Herausforderungen für die berufliche und akademische Aus- und Weiterbildung“ meinen 91 Prozent, dass Lebenslanges Lernen gefordert ist. Etwa 80 Prozent erwarten interdisziplinäres Denken, aktive Problemlösung, höhere IT-Kompetenz bzw. Kenntnis des Gesamtprozesses als neue Herausforderung.

Eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kompetenzen ist notwendig, um digitale Technologien zu erschließen. Schlüsselkompetenzen und -technologien sind zum Beispiel Software Engineering, Systems Engineering, IT-Sicherheit, Data Analytics (Big Data), Cloud Computing, usw.

Handlungskompetenz als Schlüsselkompetenz

Jedenfalls muss sich das Bildungssystem (ob Aus- oder Weiterbildung) von der Wissensvermittlung zur Kompetenzentwicklung wandeln. Die Autoren Erpenbeck und Rosenstiel 2004 beschreiben dazu die Handlungskompetenz als Schlüsselkompetenz, um den genannten Anforderungen zu begegnen.

Der Leitsatz der Autoren in Bezug auf die Kompetenz aller Mitarbeiter lautet daher: „Die Fähigkeit, sich in offenen und überschaubaren, komplexen und dynamischen Situationen selbstorganisiert zurecht zu finden, wird zum zentralen Wettbewerbsfaktor der Unternehmen.“ Handlungskompetenz umfasst die Teilbereiche: Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz.

Auch entwickelt sich unser bewährtes Duales Ausbildungssystem (Facharbeiterausbildung) mehr und mehr zur Trialen Ausbildung mit dem dritten Standbein „Lernen von den Besten – Expertenwissen anwenden können“. Neue Lernformen werden verstärkt zur Anwendung kommen: E-Learning, Mobiles Lernen, Blendend Learning (mit Moodle, etc.), Webinare, Selbstlerntools, Lern Apps usw.

Trends

Internet der Dinge und Wearables – digital und physisch verschwimmen z.B. Fitness-Watch

Apps verlagern sich im stärker vom privaten Nutzer zum Business-Anwender

Neue Kunden-Lieferanten-Verhältnisse: Kunden werden stärker in die Produktion bzw. Entstehung des Produktes einbezogen (Individualisierung und Losgröße 1)

Big Data – Smart Data: Die große Herausforderung der Digitalisierung ist die riesige Menge an Daten, die erfasst werden muss zielgerichtet und rasch interpretiert werden können. Software zur Unterstützung ist wichtigstes Entwicklungsziel.

Fördermöglichkeiten

In Österreich: siehe Förderdatenbank der Wirtschaftskammer

Innovationsstiftung Bildung

EU-Förderungen: Horizont 2020 oder Erasmus+

Zusammenfassung

Digitalisierung, Industrie 4.0: die digitale Transformation betrifft die gesamte Gesellschaft:

Unternehmen und deren digitale Anwendung

Individuen und deren veränderte Arbeits- und Lebenswelten

Staat und Kommunen fördern digitale Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsnetzwerke

Bildung wird Kompetenzorientierter und Forschung verwendet neue Möglichkeiten.

Hermann Studnitzka ist Senior Expert Didactic bei Festo Österreich