Analyse von A.T. Kearney : Digitalisierung in Österreich: "Menschenleere Fabriken rücken näher"

Das Beratungsunternehmens A.T. Kearney sieht in den nächsten 25 Jahren durch die Digitalisierung 44 Prozent aller österreichischen Arbeitsplätze bedroht. Alleine von den 1,8 Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie und den industrieorientierten Dienstleistungen seien 42 Prozent - also über 750.000 - gefährdet, so die Autoren der Studie "Wertschöpfung 4.0 - Österreichs Industrie in der Zukunft".

"Menschenleere Fabriken rücken näher, denn sowohl niedrig qualifizierte als auch hochqualifizierte Arbeitskräfte werden durch Automatisierung ersetzt", so Achim Kaucic, Co-Autor der Studie, in einer Pressemitteilung. Für die Studie, die heute in Wien präsentiert wird, wurden im Herbst 100 heimische Industrieunternehmen befragt.

Drei Aspekte könnten dem Trend entgegenwirken

Der Wegfall von Arbeitsplätzen aufgrund der Automatisierung könnte durch drei Aspekte aufgefangen werden: Einerseits würden neue Arbeitsplätze im Sozialbereich, in Bildung und Softwareentwicklung entstehen, anderseits werde ein Teil durch die Verkürzung der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit, durch den Ausbau von Teilzeit, Bildungsurlauben und Auszeiten erfolgen.

Der dritte und wichtigste Aspekt sei die Entwicklung von neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Bis zu 30 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2040 werden durch neue Geschäftszweige abgedeckt, heißt es.

A.T. Kearney erwartet, dass bis 2040 bis zu 30 Prozent der Wirtschaftsleistung mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen erwirtschaftet werden muss, um das Wohlstandsniveau in Österreich zu erhalten. Die Digitalisierung biete dabei die Chancen, den Wandel erfolgreich zu gestalten.

Österreichs Industrieunternehmen sehen Digitalisierung positiv

"Digitalisierung ist der größte Entwicklungsschub für die Industrie seit der industriellen Revolution. Dafür müssen aber Unternehmen, Politik und Wissenschaft aktiv den notwendigen Umbau der österreichischen Wirtschaft einleiten und vorantreiben", so Studienautor Florian Haslauer von A.T. Kearney Österreich. Mehr als 30.000 heimische Industrieunternehmen stünden vor Disruptionen in den traditionellen Arbeitswelten, der Standort Österreich verliere zunehmend an Attraktivität.

Über die letzten 20 Jahre sei die Bruttowertschöpfung in Österreich durchschnittlich um 1,4 Prozent pro Jahr real gewachsen. Heute werde rund die Hälfte der Wertschöpfung von der Industrie und den industrieorientierten Dienstleistungen generiert. "Österreich ist nach wie vor ein Industrieland. Diese Branchen sind somit ganz wesentliche Treiber für den Wohlstand in Österreich", so Haslauer.

Österreichs Industrieunternehmen stünden der Digitalisierung grundsätzlich positiv gegenüber. Für dreiviertel der befragten Unternehmen überwiegen die Chancen, für praktisch keinen der Befragten überwiegen die Risiken. Besonders in der Entwicklung neuer Produkte, in der Implementierung neuer Technologien und in der Erhöhung der Produktivität wird viel Potenzial gesehen.

Ein anderer Effekt der Digitalisierung wird von den heimischen Industriebetrieben eher unterschätzt, so die Studienautoren weiter. "Nur 8 Prozent sehen einen Eintritt in fremde Branchen als große Chance für ihr Unternehmen. Und auch das Szenario, dass sich durch den Eintritt branchenfremder Unternehmen der Wettbewerb für ihr Unternehmen deutlich verschärfen wird, sieht die Mehrheit der Befragten als unwahrscheinlich an", so Oskar Schmidt, Co-Autor der Studie. Nachholbedarf bestehe für die heimischen Industriebetriebe vor allem beim Thema Innovation. (apa/red)