Hintergrund : Die Zuliefererbranche ist im Umbruch

Die Spitze der 100 größten Zulieferer dürfte 2016 noch ähnlich aussehen wie in diesem Jahr - mit Bosch, Continental, Denso und Magna in unterschiedlichen Konstellationen. Doch die nachfolgenden Ränge sortieren sich gerade komplett neu. Die Zahl der Übernahmen und Zukäufe in der Branche reißt nicht ab: Nach dem Milliardendeal zwischen ZF Friedrichshafen und TRW, hat der kanadisch-österreichische Autozulieferer Magna sich vor wenigen Wochen den Getriebehersteller Getrag einverleibt. Mahle kaufte unter anderem die Klimatechniksparte von Delphi. ElringKlinger übernahm einen US-Zulieferer für Automatikgetriebe. Vor kurzem verkündete Mann + Hummel, die Filtersparte der Affinia Group in den USA übernehmen zu wollen. Geht der Deal durch, stockt der Zulieferer mit Sitz im schwäbischen Ludwigsburg seinen Umsatz um gut ein Drittel auf 3,7 Milliarden Euro auf.

Die Zuliefererbranche ist seit Jahren in Bewegung. Das zeigte sich schon im Jahr 2010, als sich viele Zulieferer Gedanken machten, wie es bis 2015 weitergehen werde. Dabei ist es nach Einschätzung von Marcus Berret von der Strategieberatung Roland Berger nicht so, dass deutlich weniger Zulieferer entstehen: "Bei viele Übernahmen handelt es sich nur um Produktfelder oder Sparten, die abgegeben werden." Selten würden ganze Unternehmen verkauft. Die Übernahme von TRW durch ZF Friedrichshafen sei eher ein "Ausnahmedeal". In einer ähnlichen Liga spielten nur Continental und Schaeffler oder Continental und VDO, so Berret.

Autohersteller reden mit

Größe gilt zwar als entscheidender Erfolgsfaktor in der Branche. Denn die Autohersteller haben dank der Strukturen eine enorme Macht über ihre Zulieferer. Selbst bei den Übernahmen reden sie immer wieder ein Wörtchen mit, wie Berret sagt. Trotzdem rechnet er damit, dass der Trend zu Übernahmen nicht abreißt. "Ich sehe ein Zeitfenster von etwa zwölf Monaten, in denen wir noch sehr viele Transaktionen sehen werden." Die gute Branchenkonjunktur in der Autoindustrie habe den Zulieferern zu hohen Cash-Reserven verholfen. Finanzinvestoren hielten sich inzwischen aus dem Geschäft eher raus, sagt Berret. "Wir sehen mehr strategische Investoren."

Die technologischen Umbrüche, die sich in der Autoindustrie abzeichnen, erhöhen den Druck, sagt auch Jürgen Pieter, Analyst beim Bankhaus Metzler in Frankfurt. Die Zulieferer nutzen die aktuell immer noch günstigen Finanzierungsmöglichkeiten, um ihr Geschäftsmodell an Trends wie niedrigere CO2-Verbräuche, Elektromobilität oder autonomes Fahren anzupassen. Auch die Stahlbranche muss sich darüber Gedanken machen.

Der einstige Kolbenspezialist Mahle beispielsweise wird mit den Übernahmen der Klimatechniksparte des US-Zulieferers Delphi und des Klimaanlagenbauers Behr unabhängiger vom Verbrennungsmotor. Mahle hatte im vergangenen Jahr auch die slowenische Letrika-Gruppe übernommen, die Elektromotoren und Generatoren sowie elektrische Antriebssysteme herstellt. Andere Zulieferer bewegen sich weg von der Autobranche. Der führende Lackieranlagenhersteller Dürr beispielsweise übernahm den Holzmaschinenbauer Homag. Auch Mann + Hummel will mit Hilfe von Affinia weiter im Industriebereich wachsen. Und selbst Bosch, der größte Autozulieferer weltweit, will seine Abhängigkeit vom Autogeschäft verringern.

Neu ist dabei, dass die Käufer immer seltener aus einer Region kommen. "Die amerikanischen Zulieferer hatten zuletzt einen massiven Hunger nach Technologien, den sie in Europa gestillt haben", sagt Berret. Der Getrag-Kauf durch Magna ist nur ein Beispiel, im Jahr zuvor übernahm BorgWarner den Esslinger Abgasspezialisten Wahler. Auch Chinesen seien in den meisten Bieterverfahren dabei. Die Europäer kauften dagegen auch in Asien zu. Mahle beispielsweise übernahm erst im Juni den japanischen Mechatronik-Spezialisten Kokusan Denki. (apa/dpa)