Roboter : Die Rabattschlacht

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© Helene Waldner

Mitte Mai platzte die Bombe. Der dänische Roboterhersteller Universal Robots bekommt, so wurde bekannt, einen neuen Mehrheitseigentümer: Der amerikanische Elektronikhersteller Teradyne aus Boston übernimmt das auf kollaborierende Robotik spezialisierte Unternehmen. Der Kaufpreis – keine Kleinigkeit. 285 Millionen Euro lassen die Amerikaner sich ihr Engagement kosten. Werden die Leistungsziele bis 2018 erfüllt, sollen weitere 65 Millionen fließen. Für Dieter Pletscher, Verkaufschef Universal Robots in der DACH-Region, kommt der Zeitpunkt, von einem Großinvestor geschluckt zu werden, überraschend. Der schnell wachsende Roboterbauer galt bis zuletzt als Herausforderer, der den großen arrivierten Herstellern durch Produktminimalismus und Flexibilität zusetzte (Unternehmensmotto: "Fokus, Einfachheit, Schnelligkeit"). Nichtsdestotrotz begrüßt er die Übernahme: "Es ist sehr positiv, einen langfristigen Partner mit technologisch hochstehenden Produkten zu bekommen, der auch ähnliche Strukturen hat wie wir."

Rekordmarke geknackt

285 Millionen Euro Kaufpreis für ein kleines, dänisches (wiewohl zweistellig wachsendes) Robotikunternehmen: Eines so deutlichen Beweises dafür, dass der Optimismus überwiegt, mit Automatisierungstechnik auch in Zukunft Geld zu machen, bedurfte es eigentlich gar nicht. Denn es läuft wieder ganz gut in der Robotikbranche, egal, wohin man schaut. Zwar frohlockt der Internationale Robotikverband IFR seit Jahren ungebrochen – so auch zuletzt: Im Vorjahr sei erstmals die 200.000-Marke (verkaufte Stück weltweit) geknackt worden. Doch seit einigen Monaten findet das Wachstum eben nicht mehr nur in Asien statt, sondern auch die europäischen Märkte ziehen ungewöhnlich stark an – auch der österreichische. Das will Manfred Gloser, Chef der Robotiksparte bei ABB Österreich, beobachtet haben. Man sei "weit über Plan", die Hochrechnungen für das Gesamtjahr seien "sehr verheißungsvoll", sagt er. Und eine Entwicklung stimme optimistisch: "Sehr viele Kleinprojekte sind darunter", sagt Gloser. Auch bei KUKA wird man 2015 einen schönen Zugewinn zum Vorjahr erzielen – und das infolge einer Steigerung bei Projekten mit dem Mittelstand: "Wir alle leben von Kleinprojekten", gibt Christian Peer, Verkaufsleiter bei KUKA Österreich zu Protokoll. Jetzt tragen die Herstelleranstrengungen der letzten Jahre, das KMU-Segment mit weniger hochgezüchteten Automatisierungslösungen nachhaltiger zu erschließen, "erste Früchte", beobachtet ein Roboterexperte. Zugleich steigt dort der Wettbewerbs- und Preisdruck.

An allen Fronten stärker

Unternehmenszusammenschlüsse, um auf dem chancenreichen – weil noch grob unterentwickelten – Markt für KMU-Roboter mehr Durchschlagskraft zu entwickeln, gab es zuletzt mehrere. Nicht nur die Übernahme von Universal Robots durch die Amis sorgte für Schlagzeilen. Auch der Schweizer Roboterbauer ABB ließ durch einen Kauf im Frühjahr auf- horchen. Der Roboterriese übernahm die deutsche gomtec, der Kaufpreis blieb geheim, die Zielsetzung nicht: Ganz klar geht es den Schweizern um die Erweiterung des Angebots bei kollaborativen Robotern. Nicht hauptsächlich also, aber schon auch um die wichtige Domäne KMU-Gerät. In der österreichischen ABB-Niederlassung sieht man den Kauf sehr positiv – denn zusäzlich zum Zweiarmroboter (YuMI), den der Konzern auf der Industriemesse in Hannover aufbot, hat der Hersteller nun bald weitere Pfeile im Köcher. Die Technologieplattform von gomtec soll ABB bei der Entwicklung einer "neuen Generation von kollaborativen Robotern mit integrierten Sicherheitskomponenten unterstützen, die ohne herkömmliche Enthausungen oder Schutzgitter auskommen", heißt es bei ABB. Dass es sich dabei um ein wachstumsstarkes Segment handelt, in dem jeder Euro gut investiert ist, wissen freilich auch die anderen Hersteller. So darf die Äußerung von Universal- Robots-CEO Enrico Krog Iversen, als Übernahmekandidat die Fähigkeit zur Innovation gerade deshalb noch deutlich steigern zu können, als Kampfansage verstanden werden.

Preiskampf

Eine Ankündigung, vor der sich heimische Anbieter noch nicht allzusehr fürchten. Denn insbesondere in Asien und am US-Markt wollen die Dänen unter dem neuen Eigentümer ihre Attacken reiten. Da schon eher verfolgt man jeden Schachzug der Konkurrenz, die einem schon bisher in Ausschreibungen gefährlich wurde – und jetzt im erstarkenden KMU-Segment angriffslustiger wird: Den Vorwurf preisaggressiven Vorgehens hört man dieser Tage oft. Nicht nur bei größeren Vergabeprojekten wie zuletzt in der Steiermark, wo Geräte zu Preisen auf den Markt geschmissen wurden, "die sehr unüblich sind", wie es ein Vertriebsprofi eines Herstellers noch charmant formuliert. Auch im KMU-Segment ist der Preiskampf längst eröffnet. Einmal ist es der Ausrüsterkonkurrent aus Europa, der preislich "ans unterste Limit geht, fast so, als würde er mit einer Automotivefirma am Verhandlungstisch sitzen." Ziel: mit "voller Kampfbörse" den umkämpften KMU-Markt an sich zu ziehen. Zehn bis 15 Prozent Abschlag seien keine Seltenheit. Ein anderes Mal ist es ein "lieber asiatischer Marktbegleiter", der die Preisspirale nach unten erst in Gang gesetzt habe. Dagegen Fakt: Dass der Mittelstand gelernt habe, Preisverhandlungen nach ihren Vorstellungen – also mitunter für Anbieter schmerzhaft – zu gestalten. "Das sind Betriebe mit nicht einmal zehn Mann, die für eine standardmäßige Pick&Place-Anwendung gleich drei Anbieter in den Ring schicken", beobachtet ein Lieferant. Vor allem Mittelständler, die in Branchen mit extremem Spardiktat liefern wie die Elektronikindustrie, haben diesbezüglich "ihre Hausaufgaben gemacht", beobachtet Manfred Gloser von ABB. Die Branche ist jedenfalls alarmiert: "Es ist ein beinharter Preiskampf, der sich in den nächsten Jahren lockern muss – sonst werden einige Integratoren nicht überleben."

Modelloffensive

Wo die Preisschlacht noch nicht ausgetragen wird und Hersteller noch einen schönen Schnitt machen: dort, wo komplexere Technologie ins Spiel kommt. Neue Greifertechnologien, intelligentere Bedienkonzepte und flexiblere Roboterzellen sind die Felder, wo nicht nur die großen Effizienzsteigerungen, sondern auch die Erträge der Zukunft liegen. Kooperationen können die Grundlage schaffen. So erntet der Roboterbauer KUKA mittlerweile die Früchte der Kooperation mit dem Industrieelektronikhersteller Siemens. Gemeinsam stimmte man Roboter und NC-Steuerungen für effizienteres Beladen von Werkzeugmaschinen ab. Auch der Leichtbauroboter iiwa ist laut KUKA-Vertriebsmann Christian Peer kurz nach Marktstart bereits in der heimischen Industrie im Einsatz – insgesamt hätte man mehrere Dutzend kooperative Systeme (inklusive Vorläufermodelle) hierzulande im Einsatz. Das Segment der modularen Roboter könnte die festgefahrenen Strukturen am heimischen Robotikmarkt weiter aufbrechen. Durch die Übernahme von gomtec rutscht ABB ein modularer Einarmer mit sechs Achsen (Roberta) ins Portfolio – und öffnet, versichert man in der ABB-Zentrale in Wien glaubhaft – wohl ganz neue Betätigungsfelder. Spätestens Anfang 2016 sollen weitere neue Modelle vorgestellt werden. Freilich: Österreich bleibt trotz allem ein unüberschaubarer Markt.

Aktuell für rund 700 Roboter gut, werden auch die kooperativen Helfer gerade anfangs nicht für gewaltige Stückzahlenrekorde sorgen. Aber schönes Neugeschäft. An dem auch der Schweizer Roboterbauer Stäubli mitnaschen will. Die Gerüchte, wonach der Hersteller sich demnächst in Österreich mit einer eigenen Niederlassung ansiedelt (bisher: Vertriebsbüro), verstummen nicht.