Expansion : Die niederösterreichische F.List ist im Steigflug

Der erste Schritt über die Grenze ist ein Flug über den Ozean. Vor wenigen Wochen hat Michael Groiss, Geschäftsführer des niederösterreichischen Business-Jet Ausstatters F. List GmbH, im kanadischen Montreal eine Halle angemietet – und noch im vierten Quartal soll vor Ort die Produktion starten. Erzeugt wird – wie auch in Österreich – das exklusive Mobiliar für Business- und Privat-Jets. Die Gründe für den Entschluss, erstmals außerhalb Österreichs zu produzieren, liegen für Groiss auf der Hand: In Montreal hat der größte Kunde der F. List GmbH, nämlich der Flugzeughersteller Bombardier Aerospace, seinen Firmensitz, „und manche Aufträge bekommt man nur, wenn man vor Ort ist“. Gleichzeitig habe der Familienbetrieb aus dem südlichen Niederösterreich nun die entsprechende Größe erreicht. „Wir haben jetzt die Kraft dazu und sind in der Internationalisierungsphase angelangt“, sagt Groiss.

Noch wenig Rückenwind

Dabei gibt es derzeit wenig Rückenwind, der die Business-Jet-Branche antreibt. Vielmehr hat sich der Markt seit der Finanzkrise noch nicht erholt. Selbst heuer, wo die Konjunktur wieder anzieht, ist die Lust betuchter Privatkunden oder von Firmen, sich ein Kleinflugzeug anzuschaffen, noch gering. „Wir sehen zwar bei Frühindikatoren wie den Flugstunden, dass es am Weltmarkt endlich einen Aufwärtstrend gibt, aber er schlägt sich noch nicht wirklich in den Zahlen nieder“, so Groiss. Dem Unternehmen aus Niederösterreich ist es dennoch ganz gut gelungen, das Konjunkturtief zu durchtauchen und sogar manch Konkurrenten zu überflügeln: Mit Ausnahme des Jahres 2009 ist man Groiss zufolge stetig gewachsen, sodass die F. List GmbH mittlerweile zu den größten Jet-Ausstattern der Welt zählt und namhafte Hersteller wie Embraer, Pilatus und eben Bombardier beliefert. 2016 lag der Umsatz bei 78 Millionen Euro. Nur heuer werde man etwas weniger Umsatz haben, „da sich manche Projekte ins neue Jahr verschieben“.

Hoffen auf Neukunden

Wachstum soll aber auch der Schritt über den Atlantik bringen. Denn von Kanada aus will der österreichische Flugzeugausstatter nicht nur Bombardier beliefern, sondern auch Neukunden aus den USA gewinnen – dem Land, auf das 50 bis 60 Prozent des Marktes für Business-Jets entfallen. Neben Gulfstream Aerospace, das schon jetzt zu den Kunden der F. List GmbH zählt, hat Groiss noch Hersteller wie West Star Aviation, Dassault Falcon, Duncan Aviation oder die Flying Colours Corp. im Auge. „Wir sind durch den Standort in Kanada flexibler und können OEMs aus Nordamerika rascher beliefern“, so Groiss. Dazu kommt, „dass man die Qualität der Furniere, die die Kunden verlangen, in Amerika eher findet als in Europa“. Man erspare sich also, diese Furniere aus Amerika zu importieren, um sie in Österreich zu verarbeiten und dann wieder nach Amerika zu verschicken.

Vorerst wird die Produktion in Kanada mit 15 bis 20 Mitarbeitern starten. In den nächsten fünf Jahren sollen etwa 100 Mitarbeiter im dortigen F. List-Werk beschäftigt sein. Der neue Standort in Montreal ist jedoch nicht der einzige, den der Familienbetrieb im Zuge seiner Internationalisierung gründet.

Schritt vorwärts im Service

So ist geplant, noch heuer eine Servicestelle in Dubai zu errichten. Diese soll fünf bis sechs Mitarbeiter haben und ebenfalls im vierten Quartal ihre Arbeit aufnehmen. Außerdem wurde im April dieses Jahres in Schönefeld „direkt am Flughafen Berlin-Brandenburg, der noch immer nicht eröffnet ist“, ein größerer Mitbewerber im Bereich Service aufgekauft. Dieser zählt 35 Mitarbeiter und hat auch eine kleine Betriebsstätte in der Schweiz. „Dadurch werden wir bei den After-Sales-Aktivitäten einen großen Schritt vorwärts machen“, sagt Groiss. Neben der Einrichtung von Business-Jets ist schließlich auch deren Überarbeitung ein wichtiges Standbein des Unternehmens. Dabei werden Furnier ausgebessert oder etwa der Flugzeugboden erneuert. Zu diesem Zweck soll im kommenden Jahr auch noch eine zweite Servicestelle in den USA hinzukommen. Eine gibt es bereits seit dem Vorjahr: Diese allerdings betreut – so wie die Niederlassung in Brasilien – ausschließlich den Kunden Embraer. Und anders als bei den After-Sales-Servicestätten werden dort neue Produkte aus- bzw. nachgebessert, bevor sie in die Embraer-Maschinen eingebaut werden.

Keine Verlagerung

Die Internationalisierungsoffensive des Familienbetriebs bedeutet Groiss zufolge keineswegs eine Verlagerung der Produktion. „Uns geht es im Gegenteil um eine Stärkung des Standorts Österreich.“ Tatsächlich hat sich das Unternehmen, das in den 1950er-Jahren als normale Tischlerei gegründet wurde, mittlerweile zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Region südlich von Wiener Neustadt entwickelt. Rund 670 der aktuell insgesamt 710 Mitarbeiter arbeiten in Thomasberg. Und macht sich die anspringende Konjunktur auch in den Auftragsbüchern bemerkbar, dann will das Unternehmen am Stammsitz ebenfalls kräftig ausbauen: So gibt es seit längerem den Plan, den Betrieb in Thomasberg um eine dritte Werkshalle zu erweitern. Nur wann es soweit ist, sei noch offen: „Als Familienunternehmen agieren wir hier sehr konservativ. Erst wenn die konjunkturelle Lage stimmt, werden wir Werk III bauen. Das kann in einem Jahr sein, aber genauso gut erst in drei Jahren“, sagt Groiss.

Dass der Familienbetrieb, der heute sowohl von Michael Groiss als auch von der Eigentümerfamilie in zweiter (Franz List) und dritter Generation (Katharina List-Nagl) geführt wird, Business-Jets einrichtet, war übrigens nicht immer so. Spätestens seit der Spezialisierung darauf vor 14 Jahren sind die Kunden der Niederösterreicher aber bereits sehr international. Rechnet man heraus, was an den österreichischen Flugzeugausstatter FACC geliefert wird, „weil das ja von FACC letztlich in den Export geht“, dann liegt der Exportanteil Groiss zufolge schon jetzt bei 95 Prozent. Durch die jetzige Internationalisierungsoffensive soll sich die Quote nochmals erhöhen.

Zum Unternehmen

Die F. List GmbH wurde in den 1950er-Jahren als Tischlereibetrieb gegründet und spezialisierte sich früh auf die Einrichtung exklusiver Villen und Yachten. 2003 startete das Unternehmen mit der Ausstattung von Business-Jets und zählt in diesem Segment mittlerweile zu den größten Anbietern weltweit. Das Familienunternehmen wird von einem dreiköpfigen Geschäftsführerteam geführt, dem Michael Groiss sowie die Mitglieder der Eigentümerfamilie Franz List (zweite Generation) und Katharina List-Nagl (dritte Generation) angehören.