Forschung : „Die nächste Ebene“

Im österreichischen Schnitt sind in den Ländern 15,2 Prozent aller Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung tätig. In Kärnten sind es 17,3 Prozent. Das sieht die Wirtschaft als Problem an. Für sie ist „der Apparat“ aufgebläht. Unternehmer können sich stundenlang über langwierige Behörden- und verschleppte Genehmigungsverfahren ereifern. Damit soll ab Beginn des kommenden Jahres Schluss sein, soweit die Theorie. „Wir bringen Tempo in die Wirtschaft!“, lautet der Claim für die neue Wirtschafts-Ombudsstelle. „Damit schaffen wir einen One-Stop-Shop für Verfahren im Land“, sagt Wirtschaftslandesrat Ulrich Zafoschnig (ÖVP), damit hätten „Kärntens Unternehmerinnen und Unternehmer eine starke Stimme in Behördenverfahren und bei Verfahrensabwicklungen“.

Akteneinsicht

Tatsächlich ist die Ombudsstelle mit einigen Kompetenzen ausgestattet. Darunter die Akteneinsicht, die den Informationsfluss sicherstellen und Verzögerungen frühzeitig verhindern soll. „Oft hakt es nur aufgrund von mangelnder Kommunikation“, glaubt Landesrat Zafoschnig. Weiters die Möglichkeit, bei Problemen in Genehmigungsverfahren Aussprachen zwischen Behördenvertretern und Dienststellen einzuberufen, und das Recht, bereits Gesetzes- und Verordnungsentwürfe zu prüfen und Stellungnahmen abzugeben, besonders dann, wenn neue Vorschriften längere Verfahren oder mehr Bürokratie für die Unternehmer verursachen.

Dazu setzt sich das Gremium – oberhalb einer operativen Geschäftsstelle – aus je einem Vertreter der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftsabteilung und der Umweltabteilung des Landes, der Arbeiterkammer, der Bezirkshauptmannschaft sowie zwei Experten zusammen, die von der Landesregierung nominiert werden.

Zwei Megaprojeke

Ein entscheidender Punkt ist, dass die neue Ombudsstelle weisungsfrei agiert. Neo-IV-Präsident Timo Springer bezeichnet die Servicestelle als „großen Schritt zu einer neuen smarten Verwaltung“ Kärntens, die sich vorrangig um die komplexen großen Verfahren kümmern soll. „Kärnten muss für Investoren berechenbarer werden.“

Die Ombudsstelle kommt zur rechten Zeit. Gleich zwei Mega-Vorhaben bestimmen derzeit den Diskurs über die – nicht nur wirtschaftliche – Zukunft des Landes: Silicon Austria Labs und die 1,6-Milliarden-Euro-Investition von Infineon in ein neues Halbleiterwerk in Villach. Dass dafür vom Land und der Stadt Villach eine eigene Task-Force eingerichtet wurde, die administrative Steine aus dem Weg räumt und daneben bei alltäglichen Herausforderungen wie etwa Wohnung oder passender Schule für die Kinder von potenziellen Mitarbeitern vermittelt, goutieren Kärntner Unternehmer. Erwartungsgemäß würden sie sich derartigen Support auch bei anderen Investitionen wünschen.

Auch mit der Unterzeichnung des Abkommens „Silicon Austria Labs“ im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche im August geht ein Ruck durch Kärnten. „Villach könnte Österreichs führende Elektronik-Forschungsstadt werden“, sieht Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) eine rosige Zukunft: „Durch die Silicon Austria Labs wird der Technologiepark Villach auf die nächste Ebene gehoben.“ In Kombination mit der 1,6-Milliarden-Euro-Investition von Infineon und den Investitionen anderer Leitbetriebe erleben Villach und ganz Kärnten einen beispiellosen Schub. „Die Tür zur Job-Zukunft ist nun ganz weit offen“, sagt Albel. Die langfristige Standortentwicklung der Stadt habe sich bezahlt gemacht.

Überregionale Arbeit

Die Gesellschafts- und Rahmenverträge für die Einrichtung des hunderte Millionen Euro schweren Forschungsverbunds Silicon Austria Labs tragen die Unterschriften von Vertretern des Bundes, der Länder Kärnten, Steiermark und Oberösterreich, des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Infineon-Österreich-Vorstandsvorsitzenden Sabine Herlitschka und des Verbands-Geschäftsführers Lothar Roitner. Sie repräsentieren die Gesellschafter der Silicon Austria Labs und die ehrgeizigen Pläne: Von Bund und Ländern fließen bis 2023 insgesamt 140 Millionen Euro in die Labs, die Elektronikindustrie verdoppelt diesen Betrag. Das Land Kärnten beteiligt sich in den ersten fünf Jahren mit insgesamt 28,75 Millionen Euro an den Labs, wobei die Hälfte dieses Beitrags als Sachleistung über die Einbringung der Carinthian Tech Research (CTR) in Villach erbracht wird. Die Teilnahme an den Silicon Austria Labs ist für Kärnten jedenfalls ein Meilenstein auf dem Weg zur Top-Forschungsregion. Dieser in Österreich einzigartige Forschungsverbund auf dem Gebiet der Electronic Based Systems („EBS“) wird die heimische Mikroelektronikindustrie langfristig stärken und weiterentwickeln. In Kärnten werden schwerpunktmäßig die Bereiche Leistungselektronik und Sensorik angesiedelt. Bis 2023 sollen die Labs auf 415 Mitarbeiter wachsen, davon werden 192 Mitarbeiter in Kärnten tätig sein, 150 sollen Forscherpositionen innehaben. Nebenbei dienen die Forschungsinstitute in Schlüsseltechnologien als Magnete für weitere Betriebsansiedelungen in Kärnten. „Überdies werden über Silicon Austria auch Stiftungsprofessuren an der Alpen-Adria-Universität und den Fachhochschulen Kärnten eingerichtet“, verweist die ressortmäßig zuständige Landeshauptmann-Stv. Gaby Schaunig (SPÖ).

Kärnten als Weichensteller

Kärnten hat sehr früh auf die Entwicklung elektronikbasierter Systeme gesetzt – und wurde dabei nicht immer ernst genommen. Wichtige Meilensteine auf dem Weg zum Mikroelektronik-Hotspot Europas waren die Etablierung der Forschungsachse Süd mit der Steiermark sowie der erfolgreiche Aufbau des Silicon Alps Clusters, an dem neben den beiden Bundesländern auch die Industriellenvereinigung sowie Mikroelektronik-Unternehmen teilnehmen. Heute ist unbestritten, dass dieses Zukunftsthema für resistente Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Wohlstand in der Region sorgt. Mit der Teilnahme am Forschungsverbund Silicon Austria Labs ist Kärnten endgültig in der Champions League der Technologiestandorte angekommen. Das wird mittlerweile auch von außen wahrgenommen. Stolz ist Landeshauptmann Peter Kaiser dieser Tage von einer EU-Sitzung in Brüssel heimgekehrt. Vor Vertretern anderer Regionen aus Italien, Griechenland und Polen wurde Kärnten von der EU-Generaldirektion mehrfach als positives Beispiel dargestellt, wie eine Region den Sprung in die Digitalisierung auch im Bereich der Industrie schafft. Wenn, so Kaiser, wie im Fall Infineon die Mega-Investition von einem privaten Investor getätigt werde, „dann ist das im Wesentlichen auch ein Bekenntnis zum Industriestandort Europa – was ja in der Gesamtentwicklung der letzten zwanzig Jahre eher vom Gegenteil gekennzeichnet war“.

Als Musterknabe hat sich zuletzt Kärntens Wirtschaft auch in ihrer Gesamtheit dargestellt. Das südlichste Bundesland erzielte nach jüngsten Berechnungen im Jahr 2017 mit 3,9 Prozent das stärkste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer (nach Wifo-Berechnung sogar um 4,2 %). Die Exportquote geht nach oben und wuchs 2017 um 7,8 Prozent. Jeder zweite Euro wird in Kärnten durch die exportierenden Unternehmen im Land verdient. Sie sichern damit über 70.000 Arbeitsplätze. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass Kärnten Waren im Wert von 7,563 Milliarden Euro exportiert hat, womit das höchste Ergebnis, das Kärnten je hatte, erzielt wurde. Vier Millionen Euro fließen von Land und Wirtschaftskammer über die Exportoffensive in die Betriebe, die sich damit neue Märkte eröffnen können. Rekordzahlen lieferten auch die Bauwirtschaft und der Tourismus in ihren aktuellen Bilanzen.

Aufholjagd

Kärnten holt auf allen ökonomischen Ebenen wieder massiv auf. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur positiven Entwicklung leistet die Hypo/ Heta-Lösung. Denn sie hatte direkten Einfluss auf das Rating Kärntens. Schaunig: „Kärnten konnte aufgrund der Heta-Lösung mit Aa3 das ursprüngliche Rating von 2011 erreichen und damit wurde die positive Entwicklung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt überhaupt erst möglich.“ Regierungskollege Zafoschnig erklärt die Auswirkung von Aa3: „High Grade bedeutet, dass Investitionen in den Wirtschaftsstandort Kärnten als sichere Anlage gelten und das Ausfallsrisiko so gut wie vernachlässigbar ist.“ Diese Rahmenbedingung schlagen sich auch auf den Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitslosigkeit ging um 6,3 Prozent zurück, in Gesamtösterreich um 4,9 Prozent. Neben der Reduktion verzeichnet Kärnten einen Anstieg bei der Beschäftigung. Im Jahresvergleich zum Herbst 2017 kamen rund 3000 neue Jobs hinzu.

Zur Beruhigung der Kärntner Wirtschaftstreibenden: Die Beschäftigtenzahl in der Produktionswirtschaft stieg in diesem Zeitraum um 504 Stellen oder 1,4 Prozent auf rund 35.800, in der öffentlichen Verwaltung nur um 0,5 Prozent oder 179 Personen.

"Die Betriebsansiedelung ist für Kärnten ein wichtiges Standbein in der Wirtschaftsentwicklung und das Ergebnis 2017 zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es geht nicht nur darum, ausländische Unternehmen für Kärnten zu begeistern, sondern im gleichen Zug die Stärken Kärntens, vor allem im Forschungs- und Technologiebereich, sichtbar zu machen und nach außen zu tragen“, erklärt Babeg-Geschäftsführer Hans Schönegger. Aktuell bearbeitet Babeg rund 65 weitere Projekte.

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren ist Slowenien stärkster Investor in Kärnten, gefolgt von Italien und Deutschland. Aus Italien kam beispielsweise Onda TLC in den Lakeside Science & Technology Park in Klagenfurt, das Unternehmen ist im Bereich Telekommunikation tätig und konzentriert sich auf drei Produktlinien: Mobiltelefone (spezielle Senioren- und Arbeitshandys), Tracker und Home Security. Der Hauptabsatzmarkt befindet sich zurzeit in Italien, wobei dieser auf Österreich sowie Europa ausgeweitet werden soll. Auch die slowenische AlpVent hat sich für den Lakeside Park entschieden und ist auf die Investition in vielversprechende Start-ups spezialisiert. Das Unternehmen bietet GründerInnen Investitionskapital und Managementberatung. Diese Dienste sind derzeit in den deutschsprachigen Ländern und Märkten Südosteuropas verfügbar.