Abgasskandal : Die Liste der Risiken bei Daimler wird immer länger

Die Skandale um manipulierte Abgastests und Kartellabsprachen jagen vielen Daimler-Aktionären Angst vor künftigen Milliardenlasten ein.

Eine glanzvolle Bilanz

Auch andere Investoren machten die ungeklärten Vorwürfe zu Abgasmanipulation und Kartellen mit dafür verantwortlich, dass der Aktienkurs trotz Rekordgewinns nicht vom Fleck komme. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff bedauerte, dass auf Daimlers glanzvolle Bilanz durch "in der Vergangenheit liegende weniger erfreuliche Vorgänge ein Schatten fällt". Antworten und Entwarnung blieben er und der Vorstand aber schuldig.

Risiken bei Daimler erinnern zunehmend an Volkswagen

Die Liste der Rechtsrisiken bei Daimler wird immer länger und erinnert an das Diesel-Debakel beim Volkswagen-Konzern, der als Urheber des Skandals seit 2015 schon mit fast 26 Mrd. Euro büßen musste. Strafverfolger und Umweltbehörden in Deutschland und den USA hegen auch bei Daimler den Verdacht, Stickoxid-Grenzwerte dank Softwaremanipulation nur auf dem Prüfstand eingehalten zu haben. Schadenersatzklagen stapeln sich.

Tests mit Affen

Daimler war außerdem an äußerst fragwürdigen Abgastests mit Affen beteiligt. Nach der Strafe für das Lkw-Kartell zeigte Daimler sich bei der EU selbst an wegen langjähriger Markt- und Technikabsprachen in der deutschen Autoindustrie. "Kartelle, Affentests - was kommt eigentlich als nächstes?", fragte Marc Tüngler, Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Das alles drückt und belastet den Kurs und auch die Stimmung."

Die Aktionärsvertreter bohrten nach, ob der Autobauer schon genug Geld beiseite legten. Doch da alle Verfahren schwebend sind, muss das Unternehmen die Höhe der Risiken nicht beziffern. Wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, stiegen die übrigen Rücklagen im vergangenen Jahr um eine halbe Milliarde auf 6,2 Mrd. Euro. Doch darin sind nicht nur Rechtsrisiken enthalten. Mögliche Geldstrafen, Schadenersatzzahlungen und andere finanzielle Verpflichtungen hätten "keinen nachhaltigen Einfluss auf die Vermögenslage des Konzerns", hieß es weiter.

Finanzvorstand: Bisher kein einziger Verstoß gegen Verwaltungsrecht oder Strafrecht festgestellt

Finanzchef Bodo Uebber versicherte, er prüfe den Rückstellungsbedarf ständig und passe ihn an. "Bisher hat keine Behörde uns gegenüber Verstöße von Mitarbeitern oder Führungspersonen der Daimler AG gegen Verwaltungsrecht oder Strafrecht festgestellt." Voreilige Schuldzuweisungen seien deshalb nicht angebracht.

Dass der Kurs des Dax-Papiers schon lange mit rund 70 Euro weit unter dem Höchststand von knapp 109 Euro von 1998 dümpelt, liegt Uebber zufolge auch an einer Unterbewertung der Autoindustrie, die gerade in einem kostspieligen epochalen Umbruch steckt - vom Verbrennungsmotor zu alternativen Antrieben, von Fahrzeugverkäufern zu Mobilitätsdienstleistern mit Autos, die selbst fahren und jederzeit via Internet viele Services bieten.

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Die Strategie von Dieter Zetsche : Neue Modelle, neue Rendite

Die Herausforderungen will Daimler-Chef Dieter Zetsche nach bewährtem Rezept bewältigen: mit neuen Modellen wie in den vergangenen Jahren mehr Gewinn erzielen. "Das Tempo unserer Produktoffensive bleibt hoch", kündigte der Konzernlenker an.

Allein in diesem Jahr rollen mehr als ein Dutzend neue Pkw-Modelle der Marke mit dem Stern vom Band wie etwa die Neuauflage des Kompaktwagens A-Klasse. Mehr als zehn reine Elektroautos und rund 130 elektrifizierte Pkw sind geplant. Das ist dringend notwendig, um die schärferen Klimaschutzvorschriften zu Kohlendioxid-Emissionen einzuhalten.

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Dieseltechnologie extrem ausgereift

Damit Daimler nicht eines Tages für jedes Gramm CO2 seiner Flotte zuviel etwa 100 Millionen Euro Strafe zahlen muss, braucht der Autobauer auch den relativ spritsparenden Diesel weiter. Zetsche verteidigt daher den Selbstzünder, der durch Dieselgate und drohende Fahrverbote in Städte immer mehr in Verruf gerät.

Die neuesten Dieselmotoren seien nicht das Problem, sondern ein wichtiger Teil der Lösung, betonte er. "Den Diesel gerade jetzt abzuschaffen, wäre aus ökonomischen wie ökologischen Gründen ein großer Fehler." (reuters/apa/red)