Autotest : Die Katze lässt das Sausen nicht

Martina Pecher Inzersdorfer Jaguar
© Helene Waldner

„Ob die ganze Sache einen Zweck gehabt hat, ob die Menschen dadurch glücklicher geworden sind, das vermag ich nicht zu entscheiden.“ Bescheidenheit zierte Rudolf Diesel, den Erfinder des selbstzündenden Motors. An der Relation zwischen Glück und Erfindung versuchen wir uns erst gar nicht, schon die Beurteilung der wunderbaren Testfahrzeuge fällt ausreichend schwer. Deshalb holen wir uns jeden Monat Hilfe. Diesmal laden wir die Unternehmerin Martina Pecher auf eine kleine Ausfahrt ein. Zu testen ist der nagelneue Jaguar XF Diesel S – eine flotte Limousine mit mächtigem Dieselmotor. Bei dessen Anblick ist Frau Pecher erst einmal erstaunt: „Das ist ja wirklich eine sehr schöne Form. Mir war gar nicht bewusst, das Jaguar auch so schöne moderne Autos baut.“

Ähnliches Erstaunen mögen auch die Produkte, für die Martina Pecher einst stand, bei manchen Konsumenten ausgelöst haben. 1994 übernahm sie die Geschäftsführung der familieneigenen Inzersdorfer Nahrungsmittelwerke. Sie erweiterte die Dosenreihe um Auftsriche, die einer gesunden Lebensführung zuträglicher sind als das traditionelle Schmalzfleisch. 2003 schließlich beendete die Akademikerin auf Auftrag die 133-jährige Geschichte der Familie als Nahrungsmittelfabrikanten. „Von den Familien Pecher und Voith interessierte sich sonst niemand für die Firma“, Verklärt sie, „natürlich war das schmerzhaft, aber heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war.“ Inzersdorfer wurde an den Maresi-Eigentümer Vivatis verkauft, die Produktion bei Wien geschlossen und nach Linz verlagert. „Immerhin ist Inzersdorfer ein österreichisches Unternehmen geblieben und produziert noch hier – wenn ich an Eskimo-Iglo oder Mautner Markhof denke, so gibt das dieser Entscheidung Recht.“ Geblieben ist den einstigen Eigentümern das Industriegrundstück in Inzersdorf samt Werksruine. Die soll nun endlich abgerissen und bebaut werden, die Pläne für das Projekt sind fertig und mit Raiffeisen Evolution auch schon ein Käufer gefunden. „Immobilien interessieren mich sehr, ich kann mir gut vorstellen, danach wieder in derartige Projekte zu investieren“, meint die Managerin. Heute berät Pecher mit zwei Mitarbeiterinnen Unternehmen in Sachen Geschäftsbeziehungen und Lobbying. Dabei profitiert sie von ihrem Mandat als Nationalratsabgeordnete zwischen 1999 und 2002. „Ich musste damals erfahren, wie wenig Zeit man eigentlich als Politiker hat, sich mit den Sachthemen wirklich detailliert auseinanderzusetzen“, sagt sie. Dass sich das für sie geändert hat, genießt sie sehr. „Mit der Doppelbelastung von Unternehmen und Politik blieb kaum mehr Zeit für meine zwei Kinder, das habe ich in den vergangenen Jahren versucht nachzuholen.“

Tochter Sabine (10) fährt beim Autotest mit. „Voll cool“ findet sie den Jaguar auf der Rückbank sitzend. In der Dieselkatze gibt es auch allerhand zu sehen: Die Lüftungsöffnungen fahren beim Start hoch, ein großes Zentraldisplay zeigt vom Radio bis zum Navi allerhand Unterhaltsames an und die Rückfahrkamera sorgt für ein kleines Aha. „Also sehr nett sind diese ganzen Spielereien schon“, sagt Pecher nachdenklich, „ich frage mich halt manchmal, was passiert, wenn die Elektronik ausfällt.“ Den Wagen selbst bewegt sie äußerst schonend durch den 17. Bezirk. „Ich bin eine sehr disziplinierte Fahrerin“, lautet ihre Selbsteinschätzung, der nichts hinzuzufügen ist. Als Beifahrer bekommt so die Fahrt im englischen Wohnzimmer einen Hauch von Gediegenheit. Selbst im Dynamikmodus fährt sich der Jaguar immer noch relativ weich. Er liegt näher bei der E-Klasse als beim 5er-BMW, aber das soll je nach Zielgruppe auch kein Fehler sein.

Der neue Dieselmotor hat ein kleines Bierglas mehr Volumen als der alte, leistet um ein Drittel mehr und dreht mit 600 Newtonmetern auch deutlich kraftvoller (435 Nm). Das S beim XF Diesel S steht für „Scharf“ und deutet auf die 275-PS-Version des Selbstzünders hin. So sanft sich mit dem XF auch durch die Landschaft gleiten lässt, der Kickdown ist wie ein Tritt auf des Katers Schwanz: Das Dieselaggregat legt richtig los, der Reihe nach werden die beiden Turbos zugeschalten und schon nach 6,4 Sekunden sind die ersten 100 km/h erreicht. So geht es theoretisch weiter bis 250, dann verbietet die gute Erziehung weitere Geschwindigkeitssteigerungen. Die mechanisch baugleiche, aber elektronisch anders angesteuerte 240-PS-Variante verbraucht übrigens gleich viel. Im Schnitt sollen das 6,8 Liter sein – wir kamen auf zwei Liter mehr. „Ich bin ein sparsamer Mensch“, meint Martina Pecher, „ich finde es schon gut, dass mein kleiner Peugeot in der Stadt nur gut vier Liter verbraucht.“ Den Entwicklern wollen wir den hoffnungslos verlorenen Wettbewerb mit einem 60-PS-Auto an dieser Stelle nicht anlasten. Zu groß ist beim XF außerdem die Versuchung, das Gaspedal ordentlich durchzudrücken und sich in die feinen Ledersitze pressen zu lassen. Was uns freilich auffiel, ist eine für einen Dieselmotor bemerkenswerte Volatilität im Verbrauch: Zwischen fünfeinhalb und zwölf Litern ist tatsächlich alles erfahrbar. Frau Pecher senkte den von der Industriemagazin-Redaktion verdorbenen Verbrauchsschnitt. Ob sie ihren demnächst auszutauschenden Rover 75 gegen einen anderen Briten eintauschen würde? „Also schön ist er und fährt sich wunderbar. Aber das ist schon viel Geld für ein Auto“, sinniert Pecher in Anbetracht der 55.900 Euro Einstiegspreis für den schwächeren XF Diesel. Nagelfrei. Alteingesessenen Jaguar-Liebhabern mag die Motorisierung immer noch die Nackenhaare in Bürstenform bringen, wir finden sie mittlerweile auch für ihre Lordschaft angemessen. Der Sechszylinder nagelt nicht und das Automatikgetriebe egalisiert ohnehin viel von der Drehzahlcharakteristik eines Motors. In wessen Lebensinhaltsbeschreibung das Wort Auto nicht vorkommt, der wird vermutlich erst beim Tanken feststellen, dass unter der langen Haube des XF ein Dieselmotor seine Arbeit tut. Kurzum – gut, dass die Technologie wohlbehaltener auf der britischen Insel ankam als ihr Erfinder Rudolf Diesel. Der verschwand nämlich im Herbst 1913 auf der Überfahrt mit dem Postdampfer spurlos. Der Versuch einer Antwort auf seine große Frage: Zumindest im Jaguar XF hat seine große Erfindung ihren Zweck. Und sie hat uns sogar für kurze Zeit ein wenig glücklich gemacht.

Die fünftürige Limousine treibt ein 3-Liter-V6-Dieselmotor mit 275 PS an. Der mit zwei Turboladern versehene Selbstzünder bringt schon bei 2000 Umdrehungen pro Minute ein Drehmoment von 600 Nm auf die Welle. Die Kraftübertragung erfolgt über ein 6-Gang-Automatikgetriebe, das über Wippen am Lenkrad auch manuell schaltbar ist. Mit an Bord sind ABS, DSC und Traktionskontrolle. Der Grundpreis für die schnelle Katze beträgt 65.650 Euro, der Testwagen kam dank allerhand zusätzlicher Elektronik auf 74.084 Euro.