Rechtstipp : Die Kartellrechtsnovelle 2017: Was sich für Unternehmen ändert
Bei der Kartell- und Wettbewerbsrechtsnovelle handelt es sich in erster Linie um die Umsetzung der EU-Richtlinie zu Schadenersatzklagen im Wettbewerbsrecht (RL 2014/104/EU). Damit soll vor allem die private Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Schadenersatzansprüche für Konsumenten und Unternehmer erleichtert sowie ein Ausgleich zwischen privater und öffentlicher Rechtsdurchsetzung erzielt werden. Die wichtigsten Punkte sind:
Jede natürliche und juristische Person hat das Recht auf vollständigen Schadenersatz bei Wettbewerbsrechtsverletzung, einschließlich des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung. Dieser umfasst sowohl den eingetretenen Vermögensschaden als auch entgangenen Gewinn und Zinsen ab Schadenseintritt.
Bei Kartellen wird ein Schaden widerleglich vermutet.
Die Verjährungsfrist beträgt mindestens fünf Jahre und wird durch bestimmte Verfahren verlängert. Dies endet frühestens ein Jahr nach Ende dieser Verfahren.
Für nationale Gerichte besteht die Möglichkeit, die Offenlegung von Beweismitteln durch Beklagte, Dritte und Wettbewerbsbehörden (bußgeldbewehrt) anzuordnen, wenn ein Antrag des Klägers vorliegt, der den Schadenersatzanspruch überzeugend stützt. Komplexe Regelungen sollen das Anwaltsprivileg und bestimmte Dokumente in Behördenakten (z. B. Kronzeugenerklärungen) schützen.
Die (Übergangs-)Regelungen für das Inkrafttreten insbesondere der Umsetzungsvorschriften können zu (juristisch) recht interessanten Konstellationen führen: Die materiellen Regelungen sind auf den Ersatz von Schäden anzuwenden, die nach dem 26.12.2016 entstanden sind. Die Regelungen über die ausgedehnte Verjährung sind bereits auf alle Ansprüche anzuwenden, die am 26.12.2016 noch nicht verjährt sind (also zwangsläufig vorher entstanden sind). Die verfahrensrechtlichen Regelungen, also insbesondere über Bindungswirkung von Entscheidungen der Wettbewerbsbehörde und die Regelungen über die Offenlegung und Verwendung von Beweismitteln sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 26.12.2016 eingeleitet werden und sich natürlich auch mit vorher entstandenen Ansprüchen befassen.
Neuerungen gibt es auch neben der Richtlinienumsetzung:
In einer Entscheidung des VwGH 2015 wurde bereits klargestellt, dass die BWB auch elektronisch extern gespeicherte Unterlagen durchsuchen darf, wenn sie aus den vom Hausdurchsuchungsbefehl genannten Räumlichkeiten aus abgerufen werden können. Zur Durchsetzung dieser Pflicht zur Ermöglichung des Zugangs können nun vom Kartellgericht Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von fünf Prozent des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem in der Entscheidung bestimmten Zeitpunkt an verhängt werden.
In der Zusammenschlusskontrolle wurde neben den bestehenden Umsatzschwellen ab 1.11.2017 eine Kaufpreis-Aufgriffsschwelle eingeführt und eine bestehende (Inlands-) Umsatzschwelle abgesenkt. Die neue Bestimmung führt dazu, dass auch Zusammenschlüsse von der Kontrolle erfasst werden, für die dies früher nicht der Fall war.
Im Kartellgesetz wurde eine Bestimmung eingefügt, die man hier eigentlich nicht erwartet hätte: „Von den Geldbußen sollen jeweils jährlich 1,5 Millionen Euro für Zwecke der Bundeswettbewerbsbehörde und des Vereins für Konsumenteninformation verwendet werden.“
Mag. Dieter Hauck ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte und vorwiegend im Kartell-, Schadenersatz- und Prozessrecht tätig.
Anfang April 2017 hat das OLG Düsseldorf – Rechtsmittelgericht für das deutsche Bundeskartellamt (BKA) – eine Grundsatzentscheidung erlassen: Das generelle Verbot der Nutzung von Preissuchmaschinen durch Händler im Rahmen eines (selektiven) Vertriebssystems ist kartellrechtswidrig.
Dazu Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Preissuchmaschinen im Internet sind für Verbraucher ein wichtiges Mittel, um transparent Informationen über Preise zu bekommen und zu vergleichen. Sie sind gerade für kleine und mittlere Händler wichtig, um auffindbar zu sein.“
Das OLG bezog sich auch auf den EuGH (Pierre Fabre – C439/09). Es würden den Händlern Werbe- und Absatzmöglichkeiten vorenthalten. Dies sei auch nicht durch Markenimage und Beratungsleistungen gerechtfertigt, denn beim konkreten Produkt (Laufschuhe) seien Beratungsdienstleistungen für die Verbraucher nicht unbedingt notwendig bzw. von ihnen gewünscht.
Das BKA-Verfahren gegen Asics erregte seit 2015 Interesse. Ob andere Klauseln, wie das Verbot der Nutzung von Onlinemarktplätzen, ebenfalls unzulässig waren, wurde letztlich wieder nicht entschieden. Nach der Veröffentlichung des Kommissionsberichtes über die Sektoruntersuchung E-Commerce im September 2016 und weiteren mit Spannung erwarteten EuGH- Entscheidungen (z. B. Coty Germany – C230/16 - Vertrieb von Luxuskosmetik über Internetplattformen) ist klar: Vertrieb und Internet bleiben eine spannende und gefährliche Kombination.