Interview : "Die Diskussion über Gigaliner wurde abgewürgt"

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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Senger-Weiss, beinhaltet der Abschlussbericht der BASt zum Gigaliner-Feldversuch aus Ihrer Sicht etwas Überraschendes?

Wolfram Senger-Weiss: Nein, inhaltlich war der Abschlussbericht wenig überraschend. Aus österreichischer Perspektive ist positiv anzumerken, wie sachlich und neutral dieser Feldversuch durchgeführt wurde. Und diese objektive Haltung spiegelt sich auch im Abschlussbericht wider. Es kommt auf Basis von Fakten sehr klar zum Ausdruck, dass der Lang-Lkw eine Reihe an Vorzügen hat und – als ein weiterer Verkehrsträger – den vorhandenen Verkehrsträgermix verbessern kann. Sowohl ökologisch als auch ökonomisch.

Ändert der Bericht etwas an der bisherigen Haltung des Zentralverbands zum Thema Gigaliner?

Senger-Weiss: Im Gegenteil, der Bericht bestätigt den Zentralverband in seiner seit Jahren kommunizierten Haltung: dass der Lang-Lkw für bestimmte Zwecke, zum Beispiel Hub-Hub-Verkehre, besonders effizient ist, wo aus drei Lkw nur noch zwei werden. Dieser Verkehrsträger ist damit eine intelligente, ökologische Ergänzung für bestimmte Verkehre. Auch beim Thema Sicherheit zeigt der Lang-Lkw ein hohes Niveau.

Man könnte beim Lesen des Berichts manchmal den Eindruck haben, dass negative Aspekte recht stiefmütterlich behandelt werden, etwa das Brandverhalten oder die Größe der Ausweichbuchten in Tunneln. Können Sie dem etwas abgewinnen?

Senger-Weiss: Eigentlich nicht. Ein wesentlicher Zweck der wissenschaftlichen Begleitung und des Berichts war ja dezidiert, zur „Versachlichung“ der Diskussion beizutragen. Und ich finde, genau das ist auch gut gelungen. Ganz im Gegenteil zu Österreich, wo man mit unsachlichen Argumenten eine offene und faire Diskussion abgewürgt hat.

Kann die Entscheidung Dobrindts Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf die Verkehrspolitik anderer europäischer Staaten haben?

Senger-Weiss: Das hoffe ich zumindest. Diese Entscheidung zeigt, dass man bei unseren Nachbarn sehr professionell mit den Themen Innovation und Wirtschaftsstandort umgeht. Aus meiner Sicht sind das auch wesentliche Gründe, warum die deutsche „Wirtschaftslokomotive“ wieder brummt. Diese Herangehensweise wäre auch für Österreich wünschenswert.

Erwarten Sie denn Veränderungen in der österreichischen Gigaliner-Position?

Senger-Weiss: Eigentlich müsste es dadurch auch in Österreich zu einem Umdenken kommen. Dieser Abschlussbericht bringt die Vorteile des Lang-Lkw ganz eindeutig zum Ausdruck. Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass der Lang-Lkw in keiner Konkurrenz zur Schiene steht und damit nicht im Widerspruch zur österreichischen politischen Zielsetzung der Verlagerung. Wir sind aber nicht naiv und wissen, dass nicht alle Entscheidungen in der Politik nach rein rationalen Kriterien fallen. Auch wenn wir uns das wünschen würden.