Konjunktur : Deutschland erreicht höchsten Überschuss seit der Wende

Der deutsche Staat hat im vergangenen Jahr einen so hohen Überschuss erzielt wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Über alle staatlichen Ebenen hinweg summierte sich das Plus auf rund 19,4 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Der größte Anteil entfiel demnach auf den Bund mit 10,3 Milliarden Euro.

Bezogen auf die gesamte deutsche Wirtschaftsleistung fiel das Plus mit 0,6 Prozent somit noch etwas größer aus als die in der Januarschätzung angenommenen 0,5 Prozent. Einen prozentual höheren Überschuss gab es mit 0,9 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur im Ausnahmejahr 2000. Damals hatte die Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen die öffentlichen Kassen der Bundesrepublik kräftig gefüllt. In absoluten Zahlen lag der Überschuss im Jahr 2000 bei rund 18,2 Milliarden Euro.

Im vergangenen Jahr profitierte Europas größte Volkswirtschaft von der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Konsumlaune der Verbraucher. Steuern und Sozialbeiträge füllten die öffentlichen Kassen kräftig.

Mit dem zweiten Milliardenüberschuss in Folge - 2014 lag er bei 8,9 Milliarden Euro oder 0,3 Prozent des BIP - ist Deutschland weit entfernt von der Schuldenobergrenze, die sich die Europäer zugestehen (Maastricht-Verträge). Erlaubt ist höchstens ein Defizit von 3,0 Prozent. Zuletzt hatte Deutschland diese Marke 2010 mit einem Minus von 4,2 Prozent verfehlt.

Zum Jahresende hielt die deutsche Wirtschaft mit 0,3 Prozent Plus zum Vorquartal ihren Wachstumskurs - dank konsumfreudiger Verbraucher und staatlicher Ausgaben für die Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge. Hier bestätigten die Wiesbadener Statistiker erste Berechnungen. Im Gesamtjahr 2015 legte Deutschlands Wirtschaftsleistung um 1,7 Prozent zu - nach 1,6 Prozent ein Jahr zuvor.

Wachstumsimpulse kamen von Oktober bis Dezember vor allem aus dem Inland: Wegen des Zinstiefs lohnt sich traditionelles Sparen kaum noch, viele Menschen geben ihr Geld daher lieber aus. Weil Tanken und Heizen wegen der niedrigen Ölpreise vergleichsweise billig ist, haben Privatleute zudem mehr Geld für den Konsum übrig.

Auch die Milliardenausgaben von Bund, Ländern und Kommunen zur Bewältigung der Flüchtlingszuwanderung stützen die Konjunktur: Im vierten Quartal erhöhten sich die Konsumausgaben des Staates kräftig. Viele Volkswirte werten die Zuwanderung von Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan als Konjunkturprogramm - auch für 2016.

Allerdings nimmt der Gegenwind für die deutsche Wirtschaft zu. Wichtige Absatzmärkte wie China schwächeln, auch aus den USA kamen zuletzt schwächere Konjunkturdaten.

Zudem ist eine große Mehrheit deutscher Wirtschaftsprofessoren in einer Umfrage des ifo-Instituts recht skeptisch in Bezug auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Flüchtlingskrise.

Dennoch sehen die meisten Ökonomen Deutschland auch im laufenden Jahr auf einem robusten Wachstumspfad. Die deutsche Bundesregierung und Internationaler Währungsfonds (IWF) erwarten ein BIP-Wachstum in der Größenordnung von 1,7 Prozent. (APA/dpa/AFP/red)