Industriekonjunktur : Deutsche Wirtschaft trotz Brexit im Stimmungshoch - Warnungen der Metallindustrie

Die deutsche Wirtschaft steckt den Brexit-Schock bisher überraschend gut weg. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft kletterte im Juli um 0,9 Punkte auf das Jahreshoch von 55,3 Zählern. Das teilte das Institut IHS Markit am Freitag zu seiner Umfrage unter 1.000 Dienstleistungs- und Industrieunternehmen mit. Ökonomen hatten hingegen mit einem Rückgang auf 53,7 Punkte gerechnet.

"Der Wachstumskurs der deutschen Wirtschaft blieb auch zu Beginn des zweiten Halbjahrs 2016 ungebrochen", sagte IHS-Markit-Ökonom Oliver Kolodseike. "Von den Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, zeigen sich die Unternehmen jedenfalls bis jetzt unbeeindruckt." Für Rückenwind sorgten der intakte Arbeitsmarkt und die insgesamt gute Nachfrage. Die Unternehmen meldeten das höchste Stellenplus seit fünf Jahren.

Einen zumindest kleinen Dämpfer musste die Industrie hinnehmen. Deren Einkaufsmanagerindex fiel um 0,8 auf 53,7 Punkte. Er hielt sich damit aber klar über der Marke von 50, ab der das Barometer ein Wachstum signalisiert.

"Etlichen Industrieunternehmen zufolge hat besonders die Auslandsnachfrage nach Industrieerzeugnissen 'Made in Germany' angezogen, weshalb es in diesem Sektor zum zweithöchsten Zuwachs an Exportbestellungen seit knapp zweieinhalb Jahren kam", erklärte das Institut. Die Produktion wurde so kräftig gesteigert wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr.

Der Einkaufsmanagerindex für die Dienstleister kletterte um 0,9 auf 54,6 Punkte. Sie bewerteten die Aussichten aber weniger optimistisch als in den vergangenen acht Monaten.

Deutsche Metaller warnen vor harter Linie gegenüber Großbritannien

Nichtsdestotrotz haben die deutschen Metallarbeitgeber vor einer zu harten Linie der EU gegenüber Großbritannien gewarnt. "Es muss einen Ausgleich geben zwischen dem Interesse der Wirtschaft, die Briten möglichst integriert zu halten, und dem Wunsch Großbritanniens, die Freizügigkeit anzupassen", sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Der EU-Austritt des Landes dürfe den Handel nicht stoppen.

"Die deutsche Metall- und Elektro-Industrie liefert jedes Jahr für über 55 Milliarden Euro Produkte nach Großbritannien", sagte Zander. "Wir sollten alles tun, um hier einen Abbruch zu vermeiden. Andernfalls schaden wir uns nur gegenseitig."

Zander betonte: "Großbritannien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt." Aus seiner Sicht wäre es auch ein Trugschluss anzunehmen, dass eine harte Linie gegenüber Großbritannien die EU-Gegner in anderen Ländern besänftigen könne.

Skepsis steigt auch in der chemischen Industrie

Dagegen hat der deutsche Chemieverband seine Prognosen für Umsatz und Produktion im Jahr 2016 gesenkt. Die deutsche Chemiebranche blickt wegen der Wachstumsschwäche in Schwellenländern und des Brexit-Votums skeptisch aufs laufende Jahr. Der Branchenverband VCI senkte am Freitag seine Umsatzprognose und rechnet nun für 2016 mit einem Erlösminus von 1,5 Prozent auf rund 186 Mrd. Euro. Bisher war der Verband von einem Rückgang um 1,0 Prozent ausgegangen.

Die Produktion soll im Gesamtjahr nur noch um 0,5 Prozent zulegen statt der bisher prognostizierten 1,0 Prozent. "Unter dem Strich sind die Geschäftserwartungen der Chemieunternehmen für die zweite Jahreshälfte wenig optimistisch", sagte VCI-Präsident Marijn Dekkers. Zudem werde der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU "sicher negative Auswirkungen" haben. Diese ließen sich allerdings derzeit noch nicht abschätzen.

Der VCI hatte seine Prognose bereits im Mai und März gesenkt. Lediglich bei den Preiserwartungen rechnet der Verband fürs Gesamtjahr weiterhin mit einem Minus von 2,0 Prozent wie im ersten Halbjahr. Von Jänner bis Juni stagnierte die Produktion und die Erlöse gaben um 3,5 Prozent auf 90,4 Mrd. Euro nach. (reuters/apa/red)