Stahlindustrie : Deutsche Stahlkocher in Angst: Tausende Arbeitsplätze in Gefahr

Beim größten deutschen Stahlkonzern Thyssenkrupp wächst die Sorge um den Erhalt von Tausenden von Arbeitsplätzen. Während die Beschäftigten vor der Unternehmenszentrale demonstrieren, laufen in der Chefetage die Beratungen über neue Sparmaßnahmen auf Hochtouren.

Auch wenn zunächst noch keine Ergebnisse feststehen, fürchten die Betriebsräte um den Erhalt gleich mehrerer Standorte. "Die Belegschaft ist in hohem Maße verunsichert", sagt Günter Back, Betriebsratschef der Thyssenkrupp-Stahlsparte.

Nach Einschätzung des Stahlexperten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Roland Döhrn, müssen derzeit vor allem kleinere Werke um ihre Zukunft fürchten. "Ich könnte mir vorstellen, dass auch in Nordrhein-Westfalken Standorte auf der Kippe stehen", sagt Döhrn.

Bis zu 25.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie in Gefahr

Massive Gefahren sehen die Betriebsräte derzeit vor allem für die Werke in Duisburg-Hüttenheim oder für den durch mehrere Schließungen in der Vergangenheit besonders stark betroffenen Standort Bochum. Insgesamt könnten nach Einschätzung von Betriebsräten dadurch bis zu 4.000 Jobs in Gefahr sein.

Der Vorsitzende des Thyssenkrupp-Gesamtbetriebsrats Willi Segerath zeichnet derzeit ein noch weit düsteres Szenario. In Deutschland könnten bis zu 25.000 Arbeitsplätze in Gefahr geraten, darunter ein Großteil in Nordrhein-Westfalen, meint er.

Wolfgang Eder fordert "den Mut" zu Standortschließungen

Weltstahlverband-Chef Wolfgang Eder hatte in dieser Woche auf massive Überkapazitäten in Europa und die Bedrohung von Zehntausenden Arbeitsplätzen hingewiesen. "Wir müssen den Mut aufbringen, auch Standorte zu schließen und Kapazitäten anzupassen, sonst werden wir unsere Probleme nie lösen", forderte der Manager, der auch Chef des börsenotierten oberösterreichischen Stahlkonzerns voestalpine ist.

Thyssenkrupp-Stahl-Chef Andreas Goss hatte zuletzt bei einer Betriebsräte-Konferenz vor knapp zwei Wochen erneut auf die anhaltend schwierige Lage hingewiesen. "Wenn unser Stahlgeschäft eine Zukunft haben soll, können wir nicht die Augen davor verschließen, dass wir unterausgelastete Anlagen haben und es massive Überkapazitäten im Markt gibt", so der Manager damals.

Experten: Margen bei Stahl massiv unter Druck

An der aktuell extrem ungünstigen Situation mit einer stagnierenden Nachfrage und steigender Kosten werde sich in absehbarer Zeit nichts ändern, so der Manager. Trotz bereits erzielter Ergebnisverbesserungen durch ein Effizienzprogramm müsse das Unternehmen "ganz nüchtern" feststellen, dass der Stahl in dem Essener Industriekonzern in den vergangenen Jahren seine Kapitalkosten nicht verdient habe, und auch im laufenden Geschäftsjahr weit davon entfernt sei. Auch RWI-Stahlexperte Döhrn sieht die Margen in der Branche durch die seit Jahresbeginn wieder steigenden Rohstoffkosten zunehmend unter Druck.

Während sich die Unternehmensleitung mit konkreten Ankündigungen noch bedeckt hält, fordern die Betriebsräte nun eine Beteiligung an den laufenden Gesprächen. "Wir wissen, dass in irgendwelchen Hinterzimmern über uns geredet wird, uns ist es aber lieber, dass man mit uns redet", so Betriebsrat Back. Fusionspläne von Tata und Thyssenkrupp: Die 4 wichtigsten Hintergründe >>

Offiziell bestätigt hatte Thyssenkrupp zuletzt Gespräche über eine mögliche Fusion mit dem Konkurrenten Tata, deren Ergebnis nach Angaben des Unternehmens derzeit allerdings noch völlig offen ist. Aus Sicht des Betriebsrats machen die Pläne dagegen derzeit keinen Sinn.

Am Mittwoch stand jedoch zunächst die Umstrukturierung der Stahlsparte auf dm Programm einer Sitzung des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel Europe. Mit konkreten Ergebnissen wurde zunächst nicht gerechnet.

Erst im kommenden Jahr erwarten die Betriebsräte die Vorlage der Pläne. Dabei werde man auf den bis zum Jahr 2020 vereinbarten Ausschluss von Standortschließungen und betriebsbedingter Kündigungen für die rund 18.000 Beschäftigten pochen, kündigte Back an. Auf diese Vereinbarungen habe man sich bis jetzt verlassen. "Das ist alles ohne Vorwarnung gekommen", so der Betriebsrat.

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