Themendossier Stahlmarkt : Der Werkstoff der Welt - und die Verwerfungen am Markt

1. Große Produktvielfalt: Stahl ist nicht gleich Stahl

Stahl ist nicht gleich Stahl: Dieser Werkstoff ist extrem vielfältig. Nach Daten der Wirtschaftsvereinigung Stahl produziert allein die europäische Industrie rund 2.500 genormte Stähle. Jedes Jahr kommen in Europa bis zu 30 völlig neue Stahlsorten dazu.

Voestalpine: Vielfalt im Premiumsegment

Die österreichische Voestalpine gehört dabei zu den Herstellern mit der größten Produktpalette: Die Linzer spezialisieren sich seit Jahren weg vom Volumenmarkt und hin zu qualitativ höchstwertigen Komponenten aus Stahl und anderen Metallen. Darunter ist etwa warm- und kaltgewalztes oder elektrolytisch verzinktes, feuerverzinktes und organisch beschichtetes Stahlband und Elektroband als Basis für weitere Verarbeitung.

Riesige Bandbreite der Europäer

In der Stahlindustrie Europas reicht das Angebot von vergleichsweise simplen Qualitäten für die Konservendosen-Herstellung oder die Bauindustrie bis zu hoch- und höchstfesten Stählen für die Automobilhersteller und die Maschinenbauer.

Stähle für Kraftwerke

In Kraftwerken kommen Stahlsorten zum Einsatz, die besonders darauf optimiert sind, hohen Temperaturen und Druckbelastungen zu widerstehen. Bei Baggerschaufeln garantiert Spezialstahl hohe Abriebfestigkeit, bei Stoßdämpfern hohe Formfestigkeit auch nach zahllosen Stoßbeanspruchungen. Stahl kann in so vielfältiger Weise verwendet werden, weil sich seine physikalischen und chemischen Eigenschaften in weiten Grenzen gezielt verändern lassen.

Autoindustrie als wichtigster Abnehmer

Die Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten siegelt sich in der Vielzahl der Kunden der Stahlindustrie wider. Die wichtigsten Abnehmerbranchen sind die Automobilindustrie, die Bauindustrie und der Maschinenbau. Auf sie entfallen zusammen fast drei Viertel des Stahlverbrauchs.

Die Karosserie des aktuellen VW Golf etwa besteht nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung zu 80 Prozent aus hoch- und höchstfesten Stahlsorten. Eine wichtige Rolle spielen dabei Mangan-Bor- Stähle, die hohe Crash-Sicherheit bei geringem Gewicht bieten.

(red mit dpa/apa)

In diesem Dossier:

1. Stahl ist nicht gleich Stahl: Riesige Produktvielfalt der Europäer >>

2. Gewaltige Verwerfungen am Weltmarkt >>

3. Strafzölle auf Stahl: Diese Folgen sind möglich >>

4. Das können WTO und EU tun >>

Stahlproduktion weitwelt

Bei den Anteilen der weltweiten Stahlproduktion gab es in den vergangenen Jahren gewaltige Verschiebungen - zugunsten eines einzigen Players.

Insgesamt hat sich die weltweite Produktion von Rohstahl zwischen 2000 und 2016 von 849 Millionen auf 1,63 Milliarden Tonnen nahezu verdoppelt, so die Zahlen der laut World Steel Association.

Der Produktionsanteil Chinas legte im Berichtszeitraum von rund 15 auf knapp 50 Prozent zu, jener der EU-28-Länder schrumpfte indes von fast 23 auf 10 Prozent. Die EU produziert rund drei Viertel für den Eigenbedarf.

Hier die Anteile 2000 und 2016 nach Daten des Weltstahlverbands:

Beim Stahlhandel weltweit nehmen die Exporte der Europäer und die Importe in die EU den größten Anteil ein - umso stärker sind für die Industrien Europas daher die großen Entwicklungen dieses Markts spürbar:

Die USA sind das größte Abnehmerland für Stahl. Mögliche Strafzölle auf Stahl sollen in erster Linie Chinesen treffen - doch weit stärker treffen sie Stahlhersteller aus Ländern wie Kanada, Brasilien oder auch Deutschland.

Voestalpine produziert in den USA vor Ort

Von österreichischer Seite ist die voestalpine der größte Stahlkonzern, der in den USA - aber auch in Mexiko - aktiv ist, vor allem als Automobilzulieferer. Allerdings unterscheide sich die Situation der Voestalpine von jener anderer Hersteller - weil die Linzer schon im Land produzieren.

Für die Fertigung in den USA muss das Unternehmen daher keine Strafzölle. Entsprechend gelassen gibt sich der Konzernchef: Die Aktivitäten der Voestalpine würde der Großteil der geplanten Maßnahmen nicht berühren, so Wolfgang Eder >>

Thyssenkrupp: Kaskadeneffekte möglich

Ähnlich äußern sich große Stahlhersteller in Deutschland. So erwartet der Konzern Thyssenkrupp, der gerade an der Fusion seiner Stahlsparte mit dem indischen Unternehmen Tata Steel arbeitet, keine unmittelbaren Auswirkungen der neuen US-Stahlzölle.

"Wir haben nur ein geringes Engagement in den USA", so ein Sprecher von Thyssenkrupp gegenüber der Nachrichtenagentur dpa-AFX. Allerdings könnte es zu möglichen "Kaskadeneffekten" kommen. Mehr zu den Folgen hier auf Seite 3.

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3. Strafzölle auf Stahl: Diese Folgen sind möglich >>

4. Das können WTO und EU tun >>

Die kurzfristig geplante Einführung von Importzöllen auf Stahl und Aluminium durch US-Präsident Donald Trump lässt die Wogen international hochgehen - das Vorgehen ist höchst umstritten. "Ich halte die Maßnahme aus ökonomischen Überlegungen für nicht sinnvoll", sagte Außenhandelsexperte Harald Oberhofer des Forschungsinstituts Wifo und der Wirtschaftsuni (WU) Wien zur APA.

"Von einem Handelskrieg wären letztlich alle Seiten negativ betroffen, auch die USA", ortet Oberhofer eine Abwärtsspirale. Sobald die internationalen Handelspartner zum Gegenschlag ausholen und ihrerseits Strafzölle auf US-Produkte einheben, "wird das auch andere Branchen in der US-Wirtschaft betreffen, weil sie höhere Zölle zahlen müssen". Das könnte die amerikanischen Exporte gehörig dämpfen, da sich die amerikanischen Produkte in den Zielländern verteuern würden.

Negative Auswirkungen auf Produzenten und Bevölkerung der USA

Zudem vergesse die aktuelle US-Politik, dass die angekündigten Einfuhrzölle auf Stahl (25 Prozent) und Aluminium (10 Prozent) auch direkt negative Effekte auf die amerikanische Bevölkerung nach sich zögen - in Form von höheren Preisen für Produkte wie etwa Autos und in Form von Arbeitsplätzen. Letztere könnten infolge von höheren Produktionskosten und gebremster Nachfrage in den betreffenden Branchen bedroht sein.

Produkte aus Stahl werden teurer

Produkte auf Stahlbasis werden jedenfalls teurer: "Der Zoll wird so wirken, dass die Stahlpreise in den USA generell steigen", erwartet der Wifo-Experte. Die Stahlproduzenten in den USA könnten höhere Preise verlangen. Dadurch erhöhten sich die Produktionskosten. Besonders massiv bekäme das die Automobilbranche zu spüren. Der japanische Autohersteller Toyota hat nach Trumps Ankündigung am Donnerstagabend postwendend vor höheren Autopreisen in den USA gewarnt.

Deutsche weit stärker betroffen als Voestalpine

Die Voest brauche sich vor den Maßnahmen kaum zu fürchten, wie Konzernchef Wolfgang Eder angedeutet hat. Dagegen sind in der Stahlindustrie Europas nach den Worten des Außenhandelsexperten Oberhofer vor allem deutsche Hersteller "sehr stark betroffen".

Immerhin ist Deutschland einer der Top-10-Stahllieferanten der USA. Deutschland stellte 2017 laut schottischem Analysehaus Wood Mackenzie 3,7 Prozent aller US-Stahlimporte im Volumen von 35,6 Millionen Tonnen und rangierte damit weltweit an achter Stelle.

Am härtesten trifft es aber Kanada, das mit 16,7 Prozent der Stahllieferungen in die Vereinigten Staaten den mit Abstand größten Anteil stellt. "Hinzu kommt die Facette, dass die Neuverhandlung der NAFTA (Nordamerikanischen Freihandelszone bestehend aus Kanada, USA und Mexiko, Anm.) gerade passiert."

Thyssenkrupp: Kaskadeneffekte möglich

Beim deutschen Stahlkonzern Salzgitter will man zunächst abwarten, wie Washington diese Entscheidung nun konkret umsetzen will. Der deutsche Industrieriese Thyssenkrupp, der gerade seine Stahlsparte mit dem indischen Unternehmen Tata Steel fusioniert, erwartet keine unmittelbaren Auswirkungen der neuen Stahlzölle. Allerdings könnte es zu möglichen "Kaskadeneffekten" kommen, so ein Sprecher.

Europas Problem mit Chinesen verschärft sich

Konkret bedeutet das, dass zunächst auch andere Märkte sich stärker schützen könnten, was von Nachteil für Exporteure wäre. Schlimmer allerdings wäre eine neue "Stahlschwemme" in Europa, auf deren Möglichkeit der deutsche Stahlverband hinweist.

Konkret: Während die USA dicht machen, drängen sämtliche Stahlexporteure auf den offenen und durch keine Schranken geschützten Markt Europas. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf die europäische Stahlindustrie.

"Ich glaube, der US-Präsident testet aus, wie weit er gehen kann, ohne Gegenreaktionen zu bekommen", sagte Oberhofer mit dem Hinweis auf den vor etwa einem Monat verhängten US-Importzoll auf Solarpaneele und Waschmaschinen. "Bei Stahl war das absehbar, dass gerade die EU reagieren muss."

(Von Birgit Kremser, APA, red)

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Was die WTO bei Strafzöllen tun kann

Handelskriege verhindern, bei Handelsstreitigkeiten schlichten: das ist eine der Kernaufgaben der Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz in Genf. Länder, die in den geplanten US-Stahlzöllen unfairen und unter WTO-Vereinbarungen illegalen Protektionismus sehen, können bei der WTO offiziell Beschwerde einreichen.

Handelskriege verhindern und schlichten

Seit Gründung der WTO 1995 gab es rund 540 Beschwerden. Zunächst versucht die WTO zu schlichten. Manche angeprangerte Maßnahmen werden zurückgenommen; oder die Streitparteien einigen sich auf Kompensation. Dann verhängt das klagende Land Zölle im gleichen Umfang. Rund 200 Fälle wurden so gelöst. Im Zusammenhang mit den US-Strafzöllen auf Waschmaschinen und Solaranlagen haben China, Südkorea, die EU und Taiwan Konsultationen mit den USA beantragt.

Wenn es keine Einigung gibt, kann ein Streitschlichtungspanel eingerichtet werden. Das prüft, ob die angeprangerten Handelseinschränkungen gegen WTO-Vereinbarungen über den freien Welthandel verstoßen. Seit 1995 gab es etwa 350 Urteile. Die Mitglieder müssen diese Bescheide umsetzen.

Schutzmaßnahmen sind erlaubt

Die WTO-Verträge erlauben Schutzmaßnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit. So argumentierte US-Präsident Donald Trump: die USA brauchten die Stahlproduktion für ihre Verteidigungsindustrie. Die USA finden, bei Fragen der nationalen Sicherheit sei die WTO nicht zuständig.

Der Vorstoß der Regierung Trump ist der erste Fall, in dem die nationale Sicherheit als Grund für Strafmaßnahmen angeführt wurde.

EU will "schnell und entschlossen" reagieren

Die EU-Kommission wird in wenigen Tagen die konkreten Schritte als Antwort auf die amerikanischen Strafzölle beschließen. Ein Sprecher erklärte dazu, die Reaktion der EU werde "schnell, entschlossen und mit geeigneten Maßnahmen" erfolgen, dabei sollte man sich "keine Sorgen" machen. Details könnten derzeit aber noch keine gegeben werden.

Generell müsse aber klargestellt werden, dass die EU internationalen Handel als win-win-Situation sehe und nicht als Spiel, wo ein Teil verliert und der andere gewinnt. Handel sei für jeden da, und es gebe grundlegende Regeln dafür. Deswegen glaube die EU an den fairen Freihandel.

(red mit dpa / APA)

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