Lohnfertigung : Der Preisdruck eskaliert

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Den Kunden als nur mäßig begabt hinzustellen – das hätte dann doch zu weit geführt. Franz-Xaver Bernhard sagte es lieber durch die Blume: Die MPA(Metallpulver-Auftragsverfahren)-Technik erfordere „ein gewisses Know-how“, so der Hermle-Vorstand. Aus dem Grund – und weil der Maschinenbauer es nun mal „beherrscht“ – bieten die Deutschen das thermische Spritzverfahren für Metallpulver seit dem Sommer nun als Dienstleistung für Kunden an. 20 Mitarbeiter, drei MPA-Maschinen: Die Deutschen – also die abwickelnde Tochter Hermle Maschinenbau – scheinen für den Ansturm gewappnet. Auf den Maschinen könne der Betrieb für Kunden „wiederholgenau Bauteile fertigen, bei Auftragsraten von drei Kubikzentimeter pro Minute“, heißt es aus dem Haus durchaus kämpferisch. Die Integration einer Auftragseinheit in das Fünfachszentrum C 40 erlaube „hybride“ Fertigungsprozesse. Materialauftrag und Zerspanung seien „in einer Maschine kombiniert“.

Experimentierphase

Der Maschinenbauer startet damit – wenn schon kein gefährliches – ein zumindest ungewöhnliches Experiment: Sind Maschinenbauer die besseren Lohnfertiger? Kennen sie ihre eigenen Maschinen so viel besser, dass sie Lohnfertigern gleich die ganze Arbeit abnehmen können? Zumindest agiert der Maschinenbaugigant nach außen hin so souverän, als hätte er in seiner über 75-jährigen Geschichte immerzu das eine getan: Lohnfertigung. Das Hermle-Verfahren eigne sich „bestens für großvolumige Bauteile mit nahezu beliebiger Innengeometrie“, reden die Deutschen – in der Branche nicht unbedingt eine Ausnahme – ihren Leistungskatalog alles andere als klein.

Müssen sie auch nicht. Sei es die „Teileprogrammierung“ oder das „Handling von Spannvorrichtungen“ – beides würden Maschinenbauer alles andere als aufs Geratewohl „beherrschen“, so ein Fertigungsexperte. Hinzu kommt: Maschinenbauer könnten solche Aufträge im Idealfall auch ganz geschickt „zwischen andere Aufträge hineinzwicken“. Das spricht für die Lohnfertigung als neues Geschäftsfeld – zumal sich der Service zum immer entscheidenderen Umsatzfaktor auswächst. Doch die Skepsis bei heimischen Maschinenbauern bleibt, milde gesagt. Tatsächlich ziehen sich Hersteller aus dem Lohnfertigungsgewerbe seit Jahren fast fluchtartig zurück.

Sorgenvolle Zeit

Einer davon ist Adolf Schacherleitner. Er ist jener Mann, der seinem Maschinenbaubetrieb Sema in Traunkirchen als erster Maschinenbauer ein Feng-Shui-Konzept verpasste – also nachweislich mit sich im Reinen sein dürfte. Trotzdem machte er seine Zehn-Mann-Lohnfertigung für einfache Drehteile, die Sema Präzisionsteile GmbH, 2010 fast überstürzt dicht: Die Lohnkonkurrenz zog bis zur Zerreißprobe an, begründet Schacherleitner, dessen Firma unter anderem Werkzeugmaschinen für die Sonderbearbeitung oder Entgratanlagen herstellt, den Schritt. Heute nennt Schacherleitner statt der Lohnfertigung eine acht Mann starke Servicefirma sein eigen – und freut sich über die besseren Deckungsbeiträge, „die der „Maschinen- bau abwirft“.

Auch Anger Machining assoziiert mit der Lohnfertigung eher eine sorgenvolle Zeit. „Wir hatten eine Lohnfertigung, die Protan GmbH, deren Geschäftsführer ich war“, schildert Klaus Dirnberger, mit Dietmar Bahn nun endlich Hundert-Prozent-Eigentümer des Trauner Transferzentrenherstellers. Der Bruch mit dem Teile-Business kam schon 2007 – die Erleichterung darüber, den Klotz am Bein los zu sein, hält bis heute an: „Ich bin froh, dass es zu Ende ist“, sagt Dirnberger – trotz schöner Jahre.

Für klingende Namen fielen Teile aus der Maschine: Darunter Georg Fischer und Miba. Der volumenmäßig größte Auftrag war ein Audi-Teil – ein Leiterrahmen für den Dreiliter-Turbodiesel. „Da liefen unsere Maschinen rund um die Uhr“, erinnert sich Dirnberger. Der Ausstieg aus der Lohnfertigung erfolgte durch Verkauf des Auftrags samt der Fertigungsmaschine für einen BMW-Deckel. Einer der Gründe, warum die Trauner schleunigst aus dem Geschäft rauswollten: Die mangelnde Fertigungstiefe am Standort. „Wir hätten bald in einen Anlagenpark investieren müssen“, so Dirnberger. Das wiederum hätte den Maschinenbauer zu sehr „beengt“.

Tabuzone

Und was mindestens ebenso schwer wiegt: Die Gefahr, sich durch die Lohnfertigung die eigene Kundschaft abzuschießen. „Wir wollten nicht mehr länger mögliche Kunden konkurrenzieren“, heißt es beim Maschinenbauer Anger Machining. Auch beim Paschinger Biegemaschinenhersteller Trumpf Maschinen Austria ist ein Vorstoß in die Lohnfertigung aus diesem Gesichtspunkt tabu. „Der Blechbearbeitungsmarkt wäre dafür ohnehin viel zu umkämpft, um hier gut zu verdienen“, argumentiert Produktmanager Harald Böck. Mitgrund: Die kleinstrukturierte Struktur der Blechbearbeitungsbranche. „Kleine und mittlere Lohnfertiger verfügen über hohe zeitliche – und mitunter auch große kostenseitige – Flexibilität“, sagt Böck. Einzige Ausnahme: In Asien betreibt Trumpf Blech-Job-Shops – also klassische Lohnfertigungen.

Service statt Kannibalisierung

Ist Hermle mit der Taktik, das Metallpulver-Auftragsverfahren als Dienstleistung anzubieten, also auf dem Holzweg? Mitnichten. Bei jedem zweiten Maschinenbauer liegt der Serviceumsatz noch bei unter zehn Prozent, so das Fazit des Beraters Roland Berger. Alarmierend – denn im Service liegt in durchwachsenen Jahren, in denen Maschinen bleischwer im Lager stehen, der rettende Umsatzpolster. Das dürfte Maschinenbauern mit Lohnfertigung dann zugute kommen. Die MPA-Technik nickten Kunden auf der traditionellen Hausausstellung der Deutschen mehr als nur freundlich ab. Anlass genug, den Service noch ernster zu nehmen. Laut Hermle-Vorstand Franz-Xaver Bernhard sei es nun das Ziel, weitere Bauteile ausfindig zu machen, die „mit anderen generativen Verfahren oder zerspanend nicht herstellbar“ seien. Das Experiment läuft.

Daniel Pohselt