Logistik : Der Paketmarkt boomt - und schafft neue Knochenjobs

Wenn Pakete fliegen könnten - diese Zustelloption bleibt für die Dienstleister auf dem florierenden Markt vorerst ein Traum. Es gibt zwar den Roboter, die Drohne oder den Autokofferraum, doch massentauglich ist noch keine dieser Alternativen. Die Zustellung an der Haustür, beim Nachbarn oder in den Paketshop ist die erste Wahl - und zugleich Nadelöhr in der Versandkette der online bestellten Waren.

Dabei setzt das dynamische Wachstum die Anbieter und am Ende auch jeden Paketboten zusätzlich unter Druck. Welche Dimension das Paketgeschäft in Deutschland inzwischen hat, zeigt die neueste Studie über den Markt für Kurier-, Express- und Paketdienste 2017 des Bundesverbands Paket & Expresslogistik (BIEK), die kürzlich in Berlin veröffentlicht wurde.

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Demnach beförderten die Zusteller im vergangenen Jahr erstmals mehr als 3 Mrd. Sendungen, rund 7,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei erzielten sie einen Umsatz von 18,5 Mrd. Euro.

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Mehr als vier Fünftel des Geschäfts entfallen mittlerweile auf den Paketbereich. Tendenz weiter steigend. BIEK-Chef Florian Gerster prophezeit: "Unser Wachstum wird weiter gehen." Die Unternehmen haben sich lange darauf eingestellt - mit Investitionen in Paketzentren, Paketnetze und den Ausbau ihrer emissionsfreien Fahrzeugflotten.

Tatsächlich ist E-Mobilität in der Logistik ein großes Thema. Eine BIEK-Sprecherin sieht hier "ein prädestiniertes Einsatzfeld für Elektrofahrzeuge im städtischen Verkehr". Hauptproblem sei, dass es bisher kaum geeignete Fahrzeuge gebe.

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Die Deutsche Post ist schon einen Schritt weiter. Mit ihrem eigenen Streetscooter - einem kleinen elektrobetriebenen Zustellfahrzeug - haben die Bonner einen Hit gelandet. Jährlich rollen aus den Produktionshallen in Aachen bald 20.000 Fahrzeuge. Erst vor wenigen Tagen kündigte Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes zudem eine Kooperation mit Ford zum Bau eines größeren E-Transporters an und gab das Ziel aus: "Wir arbeiten weiter an einer komplett CO2-neutralen Logistik."

Die Fahrzeuge werden dringend benötigt, denn ein Ende des Paketbooms ist nicht in Sicht. Der Online-Handel hat seine Grenzen nach Einschätzung von Experten noch lange nicht ausgereizt. So rechnet der Handelsverband Deutschland im laufenden Jahr in diesem Bereich mit einem Umsatzanstieg um 11 Prozent auf 48,8 Mrd. Euro. Vor zehn Jahren waren es 17,8 Mrd. Euro, bis 2020 könnten 60 Mrd. Euro im Internet-Geschäft erlöst werden. Dabei hat zum Beispiel der Lebensmittel-Einzelhandel gerade erst das Online-Potenzial entdeckt.

Ein Boom - auch bei miserabel entlohnten Knochenjobs

Die massive Expansion auf dem Paketmarkt hat laut BIEK auch zahlreiche neue Jobs gebracht. Ende 2016 seien knapp 220.000 Menschen in der Branche beschäftigt gewesen, 10.000 mehr als 2015, wie es in der Studie heißt.

Doch für die vielen Paketboten in Deutschland bedeutet der Job vor allem auch: Knochenarbeit, Hektik und Stress.

So spricht die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis von katastrophalen Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen der Paketdienste. Unter anderem würden vermehrt Beschäftigte aus Osteuropa als Zusteller angeheuert. Nur zwei der fünf großen Paketdienste arbeiteten mit eigenen festangestellten Zustellern, die nach Tarif bezahlt würden.

Die Gewerkschafterin kennt sich in der Branche bestens aus. Sie ist seit Jahren stellvertretende Chefin des Aufsichtsrates der Deutschen Post DHL. Das Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in der Fleischwirtschaft müsse "zur Blaupause für alle Branchen werden", forderte Kocsis.

Selbst Firmensprecher erwähnen "kriminelle Energie"

Ingo Bertram vom Paketdienstleister Hermes verweist dagegen auf ein funktionierendes Zertifizierungssystem. Wenn sich die Partnerfirmen nicht daran hielten, werde die Zusammenarbeit beendet. Doch auch Bertram weiß, dass dieses System "mit krimineller Energie unterlaufen werden kann".

Verdi-Frau Kocsis bleibt an diesem Punkt hart: Es könne nicht hingenommen werden, dass das Wachstum in der Paketbranche überwiegend über prekäre Arbeitsbedingungen stattfinde.

Löhne von 300 Euro im Monat - bei Arbeitszeiten fast rund um die Uhr

Dass ein zentraler Grund für die Nachwuchssorgen der Paketlogistiker in dem miserablen Lohnniveau liegen könnte, sagen Vertreter der großen Konzerne ungern. Dabei beschäftigen große Pateklogistiker in Deutschland unzählige Fahrer aus Osteuropa, die für umgerechnet 300 Euro im Monat fahren - oft in der Nacht und oft bei Arbeitszeiten von 20 Stunden am Tag und mehr.

Dabei schlafen und kochen die Fahrer direkt in ihren Lieferwagen - und zwar monatelang. Auf den großen Parkplätzen auf dem Firmengelände der Konzerne, etwa bei der Deutschen Post, werden sie dabei großzügig geduldet. Hier abrufbar: Die Dokumentation "Leben auf der Raststätte - die Sprinterkolonnen aus Osteuropa" des Westdeutschen Rundfunks.

(red/apa/Agenturen)