Rechtstipp : Der Onlinehandel im Fokus der Wettbewerbshüter

Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge machen grenzüberschreitende Online-Einkäufe innerhalb der EU nur vier Prozent des Marktes aus. Die europäischen Konsumenten shoppen fast ausschließlich im Inland oder bei US-stämmigen Anbietern. Hier entgeht also großes wirtschaftliches Potenzial. Die Kommission hat deshalb im Mai 2015 ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Schaffung eines "digitalen Binnenmarktes" vorgestellt, das sie bis Ende 2016 umsetzen möchte. Zur Beseitigung von Kartellrechtsverstößen wurde am 6. 5. 2015 mit der "E-Commerce-Sektoruntersuchung" die kartellrechtliche Überprüfung eines gesamten Wirtschaftszweiges eingeleitet.

Sollte es bei der hierbei durchgeführten Befragung von Unternehmen Hinweise auf Kartellrechtsverstöße geben, sind Geldbußen-Folgeverfahren möglich. Im Fokus der Ermittlungen stehen den Internet-Absatzkanal beschränkende Vereinbarungen zwischen Lieferanten, Marktplätzen und Preisvergleichsanbietern auf der einen und Einzelhändlern auf der anderen Seite ("vertikale Vereinbarungen").

Die Kommission hat bereits tausende Unternehmen mittels Auskunftsverlangen befragt. Da viele Rechtsfragen im E-Commerce strittig sind, ist der Bedarf nach einer europaweiten Klärung virulent. Nun wurden erste Untersuchungsergebnisse veröffentlicht. Bei der Befragung von 1.400 Händlern und Anbietern digitaler Inhalte in den 28 EU-Mitgliedsstaaten stellte sich heraus, dass der Ausschluss von Kunden aus dem Ausland (Geoblocking) längst keine Seltenheit darstellt.

Geldbußen in Österreich

Auch die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde ("BWB") geht gegen Kartellrechtsverstöße im Onlinehandel vor und leitet Verfahren ein, wie die vom Kartellgericht rechtskräftig verhängten Geldbußen über Samsung Electronics Austria (1,05 Millionen Euro) und die Hewlett-Packard GmbH (640.000,00 Euro) zeigen. Den Unternehmen wurde vorgeworfen, in die freie Preisgestaltung von Vertragshändlern eingegriffen und zur Erhöhung der Online-Verkaufspreise aufgefordert zu haben.

Österreichisches und europäisches Kartellrecht verbieten es grundsätzlich, Händlern Fest- oder Mindestverkaufspreise vorzuschreiben (unzulässige "vertikale Preisbindung"). Bislang wurden im Elektronik-Onlinehandel 6,86 Millionen Euro an Bußgeldern rechtskräftig verhängt; die zweithöchste Geldbuße (nach Philips – 2,9 Millionen Euro) fasste der Händler Media-Saturn aus (1,23 Millionen Euro). Bei einer Umfrage der Wirtschaftsuniversität Wien unter österreichischen Onlinehändlern gaben 47,2 Prozent an, von den Herstellern bei der Preisgestaltung unter Druck gesetzt worden zu sein. In Folge wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt und Bußgeldanträge beim Kartellgericht gestellt.

Auch 2016 wird der Onlinehandel einen Ermittlungsschwerpunkt der BWB bilden. Unternehmen sollten die E-Commerce-Sektoruntersuchung sowie die Ermittlungen der BWB im Onlinehandel zum Anlass nehmen, ihre E-Commerce-Vertriebspolitik einer genauen rechtlichen Prüfung zu unterziehen und Compliance-Maßnahmen zu setzen.

Im Fall Samsung hat sich bei der Berechnung der Geldbuße unter anderem mildernd ausgewirkt, dass das Management bereits vor Beginn der Kartelluntersuchung Compliance-Maßnahmen gesetzt hat. Damit wurden erstmals kartellrechtliche Compliance-Bemühungen bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigt.

Dr. Esther Sowka-Hold ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Preslmayr Rechtsanwälte und vorwiegend im Bereich Kartellrecht, Marktmachtmissbrauch und Fusionskontrolle tätig.

Das Ergebnis bestätigte die Vermutung, dass der Binnenmarkt hier noch längst nicht realisiert ist: 38 Prozent der Händler und 68 Prozent der digitalen Content-Provider wenden territoriale Beschränkungen an (sog. Geoblocking; darunter fallen sowohl Händler, die aus eigener Entscheidung nicht ins europäische Ausland verkaufen, als auch solche, die dies aufgrund der Vorgabe durch ihre Lieferanten nicht tun).

Nächste Schritte

Die bisherigen Untersuchungsergebnisse werden voraussichtlich Mitte des Jahres präsentiert, die Veröffentlichung des finalen Gutachtens ist für das erste Quartal 2017 vorgesehen. Am 18. Mai veröffentlicht die Kommission eine erste Gesetzesvorlage zu Geoblocking, die sowohl den Onlinehandel mit Gütern als auch Dienstleistungen umfassen wird.

Die wesentlichen Punkte sind:

• Verbot von technischem Geoblocking und automatischem Umleiten (Kunden müssen der Umleitung zustimmen).

• Händler dürfen den Verkauf an Kunden aus dem Ausland nicht verweigern. Der Versand ist vom Kunden abzuwickeln – somit werden auch die gesetzlichen Regeln wie Konsumentenschutz, Mehrwertsteuer etc. des Verkäufers angewendet.

• Ausländische Kreditkarten dürfen nicht verweigert werden.

• Beim Güterhandel sollen weiterhin verschiedene Preise auf verschiedenen Websites im jeweiligen Land gesetzt werden dürfen. Bei digitalem Content soll das Prinzip gelten: "same place, same location, same price".