Industrieroboter : Der Kampf um den Mittelstand

Gerhard Lengauer Schinko
© Rainer Wegscheidler

Führt Daniel Devich durch den elterlichen Betrieb, dann packt einen die Ehrfurcht. Der Sieben-Mann-Betrieb, eine kleine Holzschuhproduktion im Ländle, ist einer der experimentierfreudigsten Automatisierer Österreichs. In Sachen Automatisierungsgrad brauchen sich die Vorarlberger nicht einmal vor den Automobilisten verstecken: Nach einer Fräsbearbeitung der Schuhe auf einer Werkzeugmaschine folgen weitere Fräs- und Schleifprozesse mit einem Roboter, in den schon der Chef, Devich senior, vor ein paar Jahren investierte.

„Der Roboter schleift unter anderem das gesamte Fußbett“, erklärt der Sohnemann. Er wird demnächst die Nachfolge im Betrieb antreten – und ist der Automatisierungstechnik noch aufgeschlossener als der Senior: Kürzlich investierte der Betrieb in einen zweiten Roboter, dessen Aufgabe deutlich herausfordernder sein wird: Er soll die Schuhsohlen vollautomatisch an die Oberteile nageln. Dass es den Devichs damit ernst ist, steht außer Frage: Seit kurzem absolviert Sohn Daniel eine Ausbildung für die Roboterprogrammierung bei ABB. Und weckte dafür innerfamiliäres Interesse: „Einmal dabei, war auch der Vater von der Investition in den zweiten Roboter überzeugt.“

Große Betriebe auf der Bremse

Forsche Junioren, die im eigenen Betrieb ans Ruder kommen und Automatisierungstechnik nicht mehr verteufeln: Auch Manfred Gloser, Chef der Robotersparte bei ABB Österreich, beobachtet, dass eingefahrene Denkmuster immer mehr aufbrechen. Immer öfter sei es der Fünf-Mann-Betrieb, „der sich über Automatisierungstechnik drübertraut“, sagt Gloser. Quer durch die gesamte KMU-Landschaft steigt die Nachfrage derart rasant, dass die Hersteller aufatmen können: Im Großkundengeschäft läuft derzeit nämlich nicht viel.

In Deutschland geht die Sorge vor einem Konjunkturknick um – dann wäre es mit den Megaaufträgen aus der Automobilindustrie verlässlich vorbei. Die Situation in Österreich ist noch angespannter. Die Alpenrepublik ist alles andere als eine Roboternation. Auch wenn Ersatzinvestitionen von Automobilisten wie Opel Wien oder Zulieferern wie Magna Steyr oder Nemak Linz das Automatisierungsgeschäft noch ankurbeln – „die Großen in Österreich haben ausgesorgt“, meint Gerhard Michlbauer, Chef des Roboter-Kompetenzzentrums am WIFI Oberösterreich. Die neue Absatzhoffnung ist der Mittelstand. Bei Automatisierungsprojekten weniger risikoscheu als Konzerne, verlangt er Herstellern aber deutlich mehr ab als Großbetriebe – von der Angebotslegung bis hin zum After Service. Nicht jeder Roboterbauer scheint gewappnet.

Riskante Projekte als Tabuzone

Auch wenn die Zahl abgesetzter Knickarmroboter laut dem Robotik-Verband IFR in Österreich zuletzt um 33 Prozent auf 835 Stück stieg – gegenüber Deutschland (2012: 20.000 Stück) gibt es der Heimmarkt deutlich kleiner. „Riesenstückzahlen hatten wir in Österreich nie“, heißt es bei einem Roboterspezialisten. Wer bei den Großen wie RHI, MAN oder BMW Motoren Steyr mit Rahmenverträgen einmal als Lieferant gesetzt war, hatte die sprichwörtliche goldene Gans erlegt. Doch längst hat sich das Geschäft „auf eine Standardbetreuung gemäß Pflichtenheft verlagert“, beobachtet ein Roboterhersteller. Und das heißt in erster Linie: Tausch älterer Roboter und Investitionen in Standardapplikationen – ja. Innovative und riskante Projekte – nein. Prozessintensive Bearbeitungsarten wie Polieren, Schleifen, Schneiden und Lasern gelten vielerorts noch immer als Tabuzone für Roboter – denn man könnte sich die Finger verbrennen. Projekte, wo sich die Ausgaben nicht innerhalb eines Jahres einspielen, „überlassen manche lieber gleich den Unis oder gehen sie bestenfalls in FFG-Projekten an“, berichtet ABB-Mann Manfred Gloser. Nicht nur die Firmenchefs, auch die Produktionsleiter seien mitverantwortlich: „Für sie ist in Konzernen eher die Torhüterrolle vorgesehen – sie sind risikoavers, meiden Situationen, wo etwas schiefgehen kann, weil die Produktion laufen muss“, sagt Ronald Naderer, Chef des Linzer Roboterbauers FerRobotics.

Bedienerfreundliche Roboter

Auf die Nase fallen wollen auch die Klein- und Mittelbetriebe nicht. Doch anders als Konzerne haben sie Mitarbeiter, die ohne die Last weltweiter Pflichtenhefte „Produktionsoptimierung betreiben können“, so ein Roboterexperte. Und Mitarbeiter, die keine Hemmungen haben, „dem Chef beim Mittagessen die automatische Beschickung einer CNC-Maschine vorzuschlagen“, sagt WIFI-Oberösterreich-Mann Gerhard Michlbauer. Mitunter sind auch längere Amortisationszeiten als bei Konzernen – Letztere lassen sich meist auf maximal zwölf Monate ein – akzeptiert. Möglich macht das aber erst der Preisverfall bei Industrierobotern. Der erste Roboter, der seinen Weg 1989 ins WIFI-Ausbildungszentrum antrat, „kostete noch rund 1,7 Millionen Schilling (120.000 Euro)“, erinnert sich Michlbauer. Jetzt seien Betriebe, „die gut verhandeln, ab 35.000 Euro dabei“, sagt der Roboterspezialist.

Und sie bekommen Geräte, die deutlich freundlicher zu Bedienern sind als noch vor ein paar Jahren. Zwar erfreut sich das WIFI Oberösterreich ungebrochen großer Nachfrage nach Roboterkursen. Im abgelaufenen Kursjahr gab es 550 Teilnehmer – allein Magna stellte mehr als hundert Leute. Doch mussten früher Roboterprogrammierer Hochsprachen wie C++ beherrschen, ist die Programmierung nun – auch grafisch – „viel einfacher gelöst“, schildert Keba-Mann Martin Schwarz. So entwickelten die Linzer ein raffiniertes Handbediengerät (KeTop T10 directMove), mit dem der Maschinenbediener den Roboter teachen kann – einfach per Joystick, und ohne sich „in Koordinatensystemen“ zurechtfinden zu müssen, weiß der Hersteller von einer kleinen Sensation zu berichten.

Taktzeitrekorde nicht oberstes Gut

Noch längst nicht alle Roboterhersteller freilich haben sich auf dem vermeintlich pflegeleichten KMU-Sektor akklimatisiert. Schon bei der Angebotslegung für KMU erleben manche ihr blaues Wunder. „Kleinbetriebe fordern Angebote in mehreren Varianten – das kennen viele Hersteller aus dem Großkundenbereich bis dato in dem Ausmaß nicht“, erzählt ein Roboterexperte. Ein Hersteller bestätigt: „Für eine Handvoll KMU sind spürbar mehr Verkäufer nötig als für zwei Betriebe wie Magna.“ Der starke Fokus der Hersteller auf die Automobilisten – also Standardprozesse, große Losgrößen und Gleichteile – ist ein zusätzliches Problem. „Viele sind in diesem Schema gefangen und haben für KMU mit ständig wechselndem Teilespektrum wenig bis gar keine Antworten“, meint ein Fertigungsexperte. Gerhard Lengauer, Geschäftsführer des Schaltschrankbauers Schinko, ist einer jener Firmenlenker, die sich eine KMU-freundlichere Automatisierungstechnik bisweilen wünschen würden. Der oberösterreichische 106-Mann-Betrieb produziert auf 7000 Quadratmetern Gehäuse aller Art – seit einigen Jahren wird die Automatisierung sukzessive vorangetrieben. Die Bleche werden Zuschnittmaschinen zugeführt und dort bearbeitet.

Seit einigen Wochen läuft diese Zuführung der Bleche automatisiert. Geschweißt wird einerseits manuell als auch mithilfe eines Roboters. Mit drei, vier Anbietern solcher Schweißrobotersysteme gab es konkrete Gespräche“, erinnert sich Lengauer. Handelseins wurde man mit jenem Anbieter, der Gerhard Lengauers Zugang verstand: Den Oberösterreichern geht es nicht darum, Rekorde bei den Taktzeiten zu erzielen – sondern ständig wechselnden Anforderungen gerecht zu werden. Bei Schinko kommen ständig verschiedene Losgrößen vor: „Einmal sind es Serien mit 30, dann 100, dann wieder mit 20 Teilen“, so Gerhard Lengauer. Wesentlich war daher die große Flexibilität einer Anlage. Der Betrieb schlug bei einem äußerst flexiblen Roboter-Schweißsystem eines japanischen Anbieters zu, das mit seiner Wechselvorrichtung allen Anforderungen für das MIG-, MAG- und WIG-Schweißen entspricht. Der Wunsch von Klein- und Mittelbetrieben an die Hersteller von Robotern sowie Automatisierungstechnik ist damit klar: Sie müssen die Branche des Kunden verstehen – „egal ob Labor oder Schlachthof“, so Gerhard Lengauer.