Digitalisierung : „Der CDO ist ein Querschnittsdenker“

business team concept success city teamwork exposure double partnership partner together cooperation businesspeople cityscape collaboration young ceo building advertising businessman businesswoman ad achievement advertisement boss colleague group people corporate happy professional handshake creative culture architecture women construction modern blurry executive men silhouettes urban work community coworker coworking toning filter multiexposure business team concept success city teamwork exposure double partnership partner together cooperation businesspeople cityscape collaboration young ceo building advertising businessman businesswoman ad achievement advertisement boss colleague group people corporate happy professional handshake creative culture architecture women construction modern blurry executive men silhouettes urban work community coworker coworking toning filter multiexposure
© Fotolia

Woran denken Sie beim Begriff „kombinatorische Explosion“? Diese findet dann statt, wenn viele Variablen mit noch viel mehr möglichen Ausprägungen zu einem optimalen Ergebnis kombiniert werden sollen und das menschliche Gehirn damit überfordert ist. An diesem Punkt sollten Excel-Tabellen, Taschenrechner und Stift beiseitegelegt werden. Jetzt geht es darum, echte Digitalisierungsarbeit zu leisten. Ein Job, der seit wenigen Jahren in mittlerweile recht vielen Unternehmen von einem Chief Digital Officer (CDO) koordiniert wird.

Vanessa Langhammer bekleidet diese Position bei Rail Cargo. Sie sieht für die Logistikbranche zwei Themenschwerpunkte: Echtzeitkollaboration sowie datengetriebene Optimierung und Simulation. Letzteres hat Potenzial für eine kombinatorische Explosion und wird in verschiedenen geförderten Forschungsprojekten adressiert. Wenn man in einem komplexen internationalen Umfeld trotz vieler regulatorischer Restriktionen und volatilen Märkten Lokomotiven und Güterwagen optimal einsetzen möchte, dann ist das ohne intelligente Technologien kaum noch zu bewältigen. Die richtigen Modelle zu entwickeln ist hierbei nur die halbe Miete, denn von theoretisch berechneten Optimierungspotenzialen zu anwendbaren Applikationen zur Unterstützung der Planer und Disponenten ist es meist ein langer und steiniger Weg.

„Kein Wünsch dir was“

„Da haben wir eine heilige Kuh geschlachtet“, erklärt Vanessa Langhammer den für sie wesentlichen Erfolgsfaktor im Rahmen der Digitalisierungsprojekte. Es ist jetzt nicht mehr die Technik, die den Weg zu möglichen Problemlösungen vorgibt, sondern der Mitarbeiter, der die Lösung in seiner täglichen Arbeit anwendet. „Das ist natürlich kein ‚Wünsch dir was!‘, aber die Usability-Themen stehen nun mehr im Vordergrund als früher.“ Methodisch baut sie hier auf Design-Thinking-Ansätze und Prototypenentwicklung mit enger Einbindung verschiedener Anwender.

Und weil Planer und Disponenten zu diesen Anwendern gehören und diese weder zehn Tage herumrechnen noch bei Ad-hoc-Änderungen gerne unter Druck geraten, wurde ein Projekt für die Lokeinsatzoptimierung in Kooperation mit der TU Wien, der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, der Hex GmbH und der dwh GmbH – Simulation Services and Technical Solutions im Rahmen des FFG-Programms „Mobilität der Zukunft“ ins Leben gerufen. Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Entwicklung eines Tools, das eine rasche, automatisierte, effiziente und intelligente Lokumlauf- und Routenplanung ermöglicht sowie Mehraufwand und zusätzlichen Kosten, einer negativen Beeinflussung der Dekarbonisierung und verlängerten Lieferzeiten entgegenwirkt.

„Spannende Projekte draufsetzen“

Für die richtige Dimensionierung des Güterwagenportfolios läuft derzeit außerdem noch ein Projekt in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research GmbH, der Wirtschaftsuniversität Wien und craftorks GmbH – Industrial Artificial Intelligence, welches ebenfalls durch die FFG gefördert wird. Hier geht es primär um die bedarfsorientierte Portfolioplanung über verschiedene Güterwagentypen hinweg, um für zukünftige Verkehre die richtigen Wagen in der benötigten Menge zur Verfügung stellen zu können.

Das ist ganz nach dem Geschmack von Vanessa Langhammer, die Simulations- und Forecasting-Modelle, neben der kollaborativen Arbeit und dem Usability-Prinzip, als die Kernelemente ihrer Digitalisierungsarbeit bezeichnet. Sie weiß aber auch, dass Rail Cargo im Bereich der geförderten Projekte noch nicht das volle Potenzial ausschöpft. „Prinzipiell spielt das Forschungsthema eine große Rolle“, sagt sie, „aber zunächst müssen wir unsere Hausaufgaben machen.“ Im Bereich der Digitalisierung bedeutet das vor allem, dass man die eigene Datengrundlage und Datenqualität optimiert. „Dann kann man spannende Projekte draufsetzen. Jetzt gehen wir mal erste Schritte.“

Das ist eine Kerbe, in die auch der CDO der Semperit AG Holding, Wolfgang Fischer, schlägt. Die Neuartigkeit des Berufsbildes eines CDO und die Jugend des Themas „Digitalisierung“ machen es notwendig, zu Beginn die eigene Position und den eigenen Weg festzulegen. „Die erste Aufgabe ist es, die Rolle zu definieren“, so Wolfgang Fischer.

Sein Fokus liegt nicht auf dem Bereich von Simulation und Forecasting, sondern darauf, die Interaktion der Kunden mit dem Semperit-Konzern auf ein digitales Niveau zu heben. Aber auch in diesem Kontext spielen geförderte Projekte eine Rolle. Bei Semperit arbeitet man konkret am Einsatz von Augmented-Reality-Konzepten; etwa bei der Entwicklung von Produktkatalogen oder bei der Ausbildung von Technikern.

Grundsätzlich sieht Wolfgang Fischer die Rolle eines CDO als „koordinierende Funktion“, vor allem zwischen IT, Produktion und Prozessmanagement. „Die Aufgabe kann man nicht hart abgrenzen. Es geht darum, die Fäden zusammenzuhalten“, meint er. Eine Beschreibung, der sich auch Vanessa Langhammer anschließen kann: „Der CDO ist ein Querschnittsdenker, der die richtigen Leute im Unternehmen zusammenbringt.“

Digital Pro Bootcamps

Förderungsstellen wie die FFG sind dabei die natürlichen Verbündeten. Sie stellen Forschungspartner und budgetäre Mittel zur Verfügung, ohne die sich viele Projekte nicht rechnen würden. Und sie unterstützen bei einer der größten Herausforderungen der Digitalisierung: der notwendigen Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Dazu starten dieser Tage österreichweit von der FFG abgewickelte „Digital Pro Bootcamps“ mit dem Ziel, Mitarbeiter zu digital kompetenten Fachkräften auszubilden.

„Das große Interesse an der Ausschreibung hat den Bedarf an maßgeschneiderten und praxisnahen Formaten zur Aus- und Weiterbildung im IT-Bereich deutlich unterstrichen“, erklärt FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth. „Die geförderten Bootcamps decken inhaltlich die drei zentralen ‚S‘ ab: Data Science, Data Security und Sustainability.“

Eine Initiative, die angesichts des um sich greifenden Fachkräftemangels nicht hoch genug einzuschätzen ist. Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich wird auch davon abhängen, wie viele digitale Experten mit Begriffen wie der „kombinatorischen Explosion“ etwas anfangen und dieser auch zu Leibe rücken können.