Österreich : Debatte um mögliche Ausweitung der Maut wird schärfer

Diskussionen um eine mögliche flächendeckende Maut für Lkw und Busse auf Landes- und Gemeindestraßen sorgen für Streit zwischen den Parteien und den beteiligten Interessensvertretern und sogar zwischen den einzelnen Bundesländern. Selbst innerhalb der Wirtschaftskammer bringen sich Befürworter und Gegner gerade mit Argumenten in Stellung.

Die Gegner der Maut kommen kaum überraschend aus jenem großen Teil der Transportwirtschaft, die ihr Geschäft über die Straße abwickelt. Eine flächendeckende Lkw-Maut wäre eine Verteuerung des Standorts und besonders für KMU schwer verkraftbar, meint Johannes Höhrhan, Chef der Industriellenvereinigung Wien.

Große Kampagne der Wirtschaftskammer

Die Wirtschaftskammer wehrt sich nach Kräften gegen die Einführung. In der Vorwoche kamen alle zehn Präsidenten der Wirtschaftskammer zusammen, um ein Zeichen gegen die mögliche Lkw-Maut zu setzen. WK-Chef Christoph Leitl meinte, dies wäre ein Angriff auf die ländlichen Regionen: "Wir zahlen genug, darum haben wir auch ein Recht darauf zu fahren."

Für die heimischen Betriebe würde eine Ausdehnung der Maut Mehrkosten von 650 Millionen Euro bedeuten, glaubt Leitl. Demnach würden für die Konsumenten die Kosten steigen, vermeldet die Wirtschaftskammer und verweist auf eine einschlägige Studie der Wirtschaftsuniversität Wien. Demnach würde eine Bemautung der Bundesstraßen, die sich im Besitz der Länder befinden, jeden Bürger 77 Euro im Jahr kosten.

Belebung der Transportwirtschaft nicht gefährden

Protest gegen die Pläne für eine neue Maut kommt vor allem von der WK-Bundessparte für Transport und Verkehr. Die aktuelle Belebung der heimischen Transportwirtschaft sei "ein zartes Pflänzchen", meint Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte.

Die Zahl der Unternehmer, die eine positive Nachfrage melden, überwiege wieder, auch die Geschäftslage sei laut jüngsten Umfragen positiver als zuletzt. Dieses Wachstum dürfe nicht durch zusätzliche Belastungen der Unternehmen aufs Spiel gesetzt werden, so Klacska.

Auch Klacska zeigt sich überzeugt, dass Endkunden die Maut zahlen müssten und kritisiert in diesem Zusammenhang die Positionen der Arbeiterkammer und des ÖGB. Demnach würden Güter des täglichen Bedarfs, Waren und Dienstleistungen teurer.

Nicht alle wollen diese Zahlenbeispiele nachvollziehen. Die jüngste Kampagne der Wirtschaftskammer sorgt vielmehr sogar für Streit innerhalb ihrer Sparten.

Bahngewerkschaft: "Ein Affront" aus der eigenen Sparte

Die mögliche Einführung einer flächendeckenden Lkw-Maut lässt nicht nur die Bundesländer untereinander streiten, es sorgt auch für einen Konflikt zwischen Bahngewerkschaft und Wirtschaftskammer (WKÖ). Die Bahngewerkschafter fordern von der Wirtschaftskammer nun die Kammerumlagen der Bahnbetreiber zurück

So folgte auf den Vorstoß der Bundessparte für Transport und Verkehr öffentlicher Protest der Bahnbetreiber. "Wieso erlaubt sich ein für den gesamten Transportbereich zuständiger Spartenobmann in der WKÖ, öffentlich gegen eine einzelne Branche aus seinem Bereich zu reden?", fragt der oberste Eisenbahngewerkschafter Roman Hebenstreit.

Es sei ein "Affront", wenn "jemand, der eigentlich auch die Interessen der Eisenbahnbranche und ihrer Unternehmen mit über 55.000 Arbeitsplätzen vertreten sollte, diese stattdessen für die Interessen der Straßenfrächter gegen eine flächendeckende Lkw- und Bus-Maut in Geiselhaft nimmt", so Hebenstreit.

Der Vertreter der Bahnbranche erinnert die Wirtschaftskämmerer daran, dass die Eisenbahnunternehmen im Jahr 3,6 Mio. Euro an Kammerbeiträgen zahlen.

Praktisch keine Mehrkosten für Verbraucher

Auch die Warnungen der Wirtschaftskammer, dass mit einer Maut alle Waren teurer werden würden, kann die Verkehrsgewerkschaft Vida in keiner Weise nachvollziehen: Das Potenzial für einen solchen Preisanstieg liege allenfalls in einer Größenordnung zwischen 0,1 und 0,2 Prozent.

"Folgt man zudem dieser Logik der Wirtschaftskammer, hätte der aktuell niedrige Dieselpreis zu einem Preisverfall bei den Gütern des täglichen Bedarfs führen müssen. Das Gegenteil ist aber der Fall", so Roman Hebenstreit, der auch der stellvertretende Vorsitzende bei Vida ist.

Branche will Vorteile des billigen Diesel nicht weitergeben

Ein schiefes Bild ergibt sich Hebenstreit zufolge auch bei den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen. Dort sei bis jetzt keinerlei Bereitschaft der Wirtschaftskammer zu bemerken, den Vorteil der niedrigen Dieselpreise zumindest in Teilen als bessere Entlohnung und veränderte Arbeitsbedingungen an die Lenker weiterzugeben.

Die Gewerkschaft Vida schätzt die entstehenden Einnahmen über die Maut auf rund 500 Millionen Euro pro Jahr. Dieses Geld solle für weitere Lohnsteuersenkungen verwendet werden, damit Kaufkraft und Konsum steigen und damit auch die Auftragslage bei den Frächtern besser wird.

Verkehrslandesrat: Großer Sanierungsbedarf im Straßenbau

Schwerer wiegt die Kritik des parteilosen Salzburger Verkehrslandesrats Hans Mayr. Mayr bestätigt, dass Verbraucher die Kosten praktisch gar nicht spürenn würden: "Die durchschnittliche Preissteigerung des Warenkorbs beträgt durch die Maut rund 0,15 Prozent, die Transportkosten steigern sich um durchschnittliche 0,2 Prozent."

Dagegen würden die Vorteile stehen, etwa weniger Schadstoffe, eine Stärkung der Schiene und vor allem mehr Geld für den Straßenbau. "Die Wirtschaftskammer berücksichtigt in keiner Weise, dass die Einnahmen im Straßenbau verwendet werden können und dort auch dringend notwendig sind", sagt Mayr.

Die ihm vorliegende Studie beziffere den Sanierungsbedarf alleine für die österreichischen Landesstraßen mit mindestens 318 Mio. Euro im Jahr. "Das ist Geld, das laufend investiert werden muss, um die Straßen in der Qualität erhalten zu können." Der Betrag beinhalte auch Sanierungen von Brücken und Stützmauern, nicht aber des Straßenunterbaus: Dann kämen noch einmal rund 100 Mio. Euro hinzu. "Jedes Hinauszögern des Problems verschärft die Situation."

Mittel sollen zweckgebunden sein

Die jährlichen Einnahmen aus der Schwerverkehrsabgabe werden in der Studie mit 651 Mio. Euro, die jährlichen Kosten mit rund 74 Mio. Euro beziffert. "Das heißt, dass für Straßensanierung und Öffentlichen Verkehr rund 577 Mio. zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen würden", sagte Mayr.

Die Mittel müssten zweckgebunden eingesetzt werden, einzig der Aufteilungsschlüssel der Einnahmen auf öffentlichen Verkehr und Straßenerhalt sei Sache der Länder. "Zusätzliche Mittel im Straßenbau kommen ja auch der regionalen Wirtschaft zugute."

(red/apa/ots)