Reporting : Das sind die besten Unternehmensreports 2016
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Nicht jeder hat so viel Arbeit hineingesteckt wie die Strabag-Mitarbeiter: Rund 70 Arbeitstage waren vier Personen zusammengerechnet mit der Erstellung des Geschäftsberichts beschäftigt, die Vorarbeit des Rechnungswesens noch gar nicht mitgezählt. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind die externen Leistungen, die man sich von verschiedenen Agenturen für Unterstützung beim Kreativkonzept, beim Lektorat und natürlich für Produktion und Druck holte. Doch Strabag-Kommunikationschefin Diana Neumüller-Klein und ihr Team ernten auch gebührend Lohn für ihre Mühen.
Denn das Ergebnis ist ein Geschäftsbericht, der unsere Juroren quer durch die Bank überzeugte: Von der Darstellung der nackten Zahlen bis hin zu Corporate Governance und Anlegerschutz landete das Unternehmen in allen Kategorien unter den besten fünf, was der Strabag SE den Sieg unter den börsennotierten Unternehmen beim heurigen Austrian Public Reporting Award (APRA) eintrug.
Doch nicht nur ein Konzern mit 13,1 Milliarden Euro Umsatz und 73.315 Mitarbeitern im Jahr 2015 kann im APRA-Ranking eine Top-Platzierung schaffen. Die WEB Windenergie AG etwa, die mit knapp 66,6 Millionen Euro Umsatz und 106 Mitarbeitern nur über einen Bruchteil der Ressourcen der Strabag verfügt, erreichte den zweiten Platz unter den nicht börsennotierten Unternehmen. Ein anderes Unternehmen derselben Branche, die oekostrom AG, kam mit 44 Millionen Umsatz und 35 Mitarbeitern immerhin auf Rang fünf.
Die Vorgangsweise
Insgesamt wurden beim Bewerb, den der INDUSTRIEMAGAZIN Verlag heuer zum dritten Mal durchführte, fast 150 Geschäftsberichte analysiert. In einem ersten Schritt prüfte das Controller Institut die Finanzinformationen auf Vollständigkeit und Aussagekraft. Dazu zählt, wieweit eine Eigenkapital-Veränderungsrechnung vorhanden ist, ob die einzelnen Geschäftssegmente nachvollziehbar gegliedert sind oder wie konkret der Ausblick gehalten ist.
Erst wer diesem kritischen Blick, der streng nach einem wissenschaftlich erstellten Bewertungskatalog vorgeht, standhält, gelangt in Runde zwei. In dieser nehmen hochkarätige Juroren aus den Bereichen Kapitalmarkt, Anlegerschutz, integrierte Nachhaltigkeit, Corporate Governance, Infografik sowie Design & Publizistik die Rechnungsabschlüsse auseinander.
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Was ein guter Bericht können muss
Die Juroren sind sich dabei einig: Ein guter Bericht ist transparent, klar strukturiert und weiß, rund um sein Produkt eine Story zu erzählen. Das heißt, es werden neben den harten Zahlen und Fakten auch Unternehmenswerte vermittelt, die sowohl glaubwürdig sind als auch zum Lesen einladen. Vor allem die Darstellung der Unternehmensstrategie, der Beschreibung des Geschäftsmodells sowie die Einschätzung der künftigen Geschäftsentwicklung sind dabei Dinge, auf die kundige Leser achten.
Manch Jahresabschluss allerdings scheitert bereits an den sogenannten Basics, nämlich der Vollständigkeit seiner Finanzinformation. "Wir beobachten eine Drei-Klassen-Gesellschaft der Geschäftsberichtswelt", sagt Josef Baumüller vom Controller Institut. Die Linien verlaufen ihm zufolge entlang der Unterteilung in die drei verschiedenen Kategorien des APRA, also zwischen den börsennotierten Unternehmen, den nicht börsennotierten und den NPOs. Das mag zwar logisch erscheinen, da nicht gelistete Firmen auch nicht so viele Veröffentlichungspflichten haben, "aber es ist schade, dass die Chance zu mehr Transparenz von so wenigen genützt wird", so Baumüller. Einige NPOs würden sich vor der Bekanntgabe von Finanzkennzahlen sogar völlig drücken. Ein Grund, warum diesmal unter den NPOs nur die Universität Wien ausgezeichnet wird, alle anderen erreichten zu geringe Punktezahlen.
Defizite bei Nachhaltigkeit
In der Basisanalyse hatte heuer übrigens der Bereich Nachhaltigkeit mehr Gewicht, da ab 2017 die EU-Richtlinie zur nicht finanziellen Leistungsbeschreibung umgesetzt werden muss und sich immer mehr Unternehmen der Integration von Umwelt-, Sozial- und Gesellschaftsaspekten in den Geschäftsbericht widmen. Die Richtlinie verpflichtet größere Unternehmen, die im öffentlichen Interesse stehen, nicht finanzielle Informationen in ihre Berichterstattung aufzunehmen und stellt frei, ob dies in einem separaten Nachhaltigkeitsbericht oder im Geschäftsbericht umgesetzt wird. Derzeit jedoch, so stellte der APRA-Juror für integrierte Nachhaltigkeit Philipp Gaggl fest, haben viele gravierende Defizite in puncto glaubhafter Integration.
Denn nur zwei der 38 Unternehmen, die es in Runde zwei geschafft hatten, erreichten in seiner Bewertung eine sehr gute Integration der Nachhaltigkeit in den Geschäftsbericht. Das sind Stromerzeuger EVN und Kranhersteller Palfinger. Weitere zehn Unternehmen oder 26 Prozent weisen Gaggl zufolge eine moderate Integration auf. "Und fast 70 Prozent haben eine geringe bis keine glaubhafte Integration ökologischer, sozialer und gesellschaftlicher Aspekte in den Geschäftsbericht. Es zeigt sich hier also eine sehr hohe Bandbreite im Reifegrad der österreichischen Unternehmen", sagt Gaggl, der bei seiner Bewertung streng nach internationalen Standards im Bereich ESG (Environmental, Social and Governance) vorging.
Hang zur Schönfärberei
Nachholbedarf gibt es außerdem, was die Visualisierung von Finanzdaten betrifft. Zum einen ist die Anzahl der Diagramme, die in einem durchschnittlichen österreichischen Geschäftsbericht verwendet werden, mit 21 im internationalen Vergleich gering. Zum anderen wird mitunter an der Optik gedreht, um einzelne Zahlen schönzufärben. "17 der analysierten 38 Unternehmen verwenden immer noch abgeschnittene Achsen", sagt Heimo Losbichler, Professor an der FH Oberösterreich. Andere optische Verzerrungen entdeckte er in 26 Geschäftsberichten. "Zum Beispiel wurden Aktien mit einer Euro-Achse und einer indexierten Prozent-Achse dargestellt oder es wurden zusammengehörende Informationen uneinheitlich skaliert", illustriert es Losbichler.
Mausgrau in der Optik
Von einer anderen Möglichkeit, sich in bestem Licht darzustellen, machen hingegen zu wenige Unternehmen Gebrauch, nämlich insgesamt einen Geschäftsbericht abzuliefern, "wo ich mir erstens denke, dich will ich lesen, und zweitens, deine Geschichte fesselt mich", sagt Dominik Cofalka. Der Geschäftsführer der Mensalia Unternehmensberatung war Mitglied der Jury Design & Publizistik und ortete wenige Rechnungsabschlüsse, "die sich vom mausgrauen Einheitsbrei abheben". Positive Beispiele sind für ihn die Bundesforste und Zumtobel. Sie würden Fotos bieten, die in Erinnerung bleiben, wenngleich beim Lichthersteller Zumtobel dem optisch besonderen Teil des Berichts ein magerer Zahlenteil gegenübersteht. Die Story hinter dem Produkt zu erklären, ist für Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken Generali Investment GmbH, wiederum Leiterplattenhersteller AT&S gut gelungen: Das Produkt von AT&S ist nicht so leicht erklärbar, doch der Geschäftsbericht sei so aufbereitet, "dass nicht nur Techniker, sondern auch Finanzleute es verstehen."
Vage im Ausblick
Wögerbauer hat allerdings einen anderen Kritikpunkt und dieser betrifft so gut wie alle untersuchten Geschäftsberichte: "In den Aussagen, wohin die Zukunft geht, sind alle Unternehmen sehr oberflächlich und vage", so Wögerbauer. Das sei allerdings der Gesetzeslage geschuldet, die 2016 erneut verschärft wurde. Die Folge: Unternehmen trauten sich im Ausblick kaum mehr konkret zu werden, "denn sonst ist gleich die Finanzmarktaufsicht da."
Dürftig fällt oft auch die Beschäftigung mit Risikomanagement aus. "Beim Flughafen Wien, der Telekom Austria oder der Buwog wäre das Thema Risikomanagement noch ausbaufähig", sagt etwa Paul Severin, Mitglied des Vorstands der Österreichischen Vereinigung für Finanzanalyse (ÖVFA). Ebenso könnten ihm zufolge die Mitarbeiter mehr herausgestellt werden. Das helfe, Emotionen und damit Interesse am Geschäftsmodell zu wecken.
Sehr gerne oder sogar zu gerne, wie Wilhelm Rasinger findet, wird hingegen der Vorstand abgelichtet: "Es reicht, wenn er einmal vorkommt. Viele Geschäftsberichte sind sehr vorstandszentriert", kritisiert der Präsident des Interessensverbands für Anleger. Nicht zuletzt aufgrund der Überfrachtung mit gesetzlichen Auflagen ortet Rasinger generell viele Redundanzen in den Berichten. Dabei sei weniger oft mehr: "Die Briefe des Aufsichtsrats etwa könnten kürzer und prägnanter sein", so Rasinger.
Abschreibübungen
Eine weit verbreitete Sünde des Unternehmensreporting ist außerdem, ganze Passagen aus dem Corporate Governance Kodex wortwörtlich zu übernehmen – auch wenn die Geschäftsberichte 2015 hier gegenüber dem Jahr davor etwas besser geworden sind. "In Bezug auf Corporate Governance gibt es eine bemerkenswerte Qualitätssteigerung. Transparenz hat offenbar einen neuen Stellenwert bekommen", resümiert Corporate-Governance-Expertin Viktoria Kickinger, die Transparenz unter anderem daran misst, wie genau im Vergütungsbericht die Vorstandsgehälter inklusive Boni veröffentlicht sind.
Dass solche Genauigkeit nicht überall hochgehalten wird und sich auch Fehler und Tricks in die Geschäftsberichterstattung einschleichen, ist übrigens nicht nur in Österreich so. Laut den Experten aus der APRA-Jury können die heimischen Geschäftsberichte im internationalen Vergleich durchaus mithalten. "In Summe ist die Qualität bei den börsennotierten Unternehmen sehr hoch und auch ÖBB und Universität Wien stechen heraus", sagt etwa Paul Severin von der ÖFVA. Die wirklich Guten schaffen es darüber hinaus, Freude am Produkt und Geschäftsmodell zu wecken – wie etwa beim Gesamt-Punktesieger Strabag geschehen. Dieser hat es laut Rasinger geschafft, einen gut lesbaren Report zu gestalten, der aber "ohne große Exzesse der Werbeabteilung auskommt", denn solche passten zu einem Geschäftsbericht nicht.