Online versus stationär - Handelsformen im Spannungsfeld : Das selektive Vertriebssystem

Wie generell (siehe ausführlich Teil 2 der Artikelserie) ist eine vertikale Vereinbarung zwischen Hersteller und Abnehmer, die Fix- oder Mindestpreise vorsieht, unzulässig. Lediglich Höchstpreise oder unverbindliche Preisempfehlungen sind unter gewissen Voraussetzungen möglich. Bestpreisklauseln sind genauso unzulässig; Doppelpreissysteme (der Hersteller verlangt unterschiedliche Preise für Produkte abhängig davon, ob sie online oder offline verkauft werden) sind auch im selektiven Vertriebssystem nur dann zulässig, wenn zusätzliche Leistungen seitens des Herstellers erbracht werden, zum Beispiel eine Servicehotline oder die Übernahme von Garantien für die beziehungsweise gegenüber den Endkonsumenten.

Zwar ist auch im selektiven Vertriebssystem das Verbot des Verkaufs über das Internet rechtlich nicht möglich. Jedoch bietet sich hier ein anderer rechtlicher Rahmen: Den Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems kann nämlich sehr wohl verboten werden, die Waren ausschließlich über das Internet zu verkaufen. Und genau hier setzt der Gedanke der Qualität an, der im selektiven Vertrieb ausschlaggebend und so wichtig ist. Die stationäre Präsenz, die der Produktpräsentation dient, ist im selektiven Vertriebssystem nämlich durchsetzbar! Zudem besteht üblicherweise das Problem, das ein Verbot des Verkaufs über Auktionsplattformen nicht zulässigerweise vereinbart werden kann. Im selektiven Vertriebssystem wird diese Möglichkeit aber bestehen, sofern gut argumentierbar mit qualitativen Kriterien im Einzelfall – eine juristische Prüfung ist in diesem Fall unbedingt vorzunehmen!

Immer möglich – und damit auch außerhalb von selektiven Vertriebssystemen – ist die Vereinbarung von Qualitätsanforderungen für die Verwendung des Internets.

Somit zeigt sich, dass eine direkte Einflussnahme weder auf den Preis noch auf die Verwendung des Internets als Absatzkanal juristisch zulässig ist. Sehr wohl kann ein Hersteller aber mit seinen Abnehmern Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internets vereinbaren und im Rahmen des selektiven Vertriebssystems auch weitere Vorgaben machen. Dem Hersteller bleibt es natürlich immer unbenommen, seinen Vertrieb über ein eigenes Filialnetz zu organisieren oder sich Handelsvertretern zu bedienen; in beiden Fällen kann der Internetvertrieb ausgeschlossen oder nach Belieben kontrolliert werden. Andernfalls ist es dem Hersteller dringend zu empfehlen, nur gut überlegte und juristisch geprüfte Handlungen gegenüber seinen Vertriebspartnern einzusetzen.

Dr. Nina Ollinger, LL.M ist Rechtsanwältin und Inhaberin der Wienerwald Wohlfühlkanzlei in Purkersdorf und Klosterneuburg mit den Schwerpunkten Franchise- und Vertriebsrecht sowie Kartellrecht. Zusammen mit ihrem Mann Thomas Ollinger hat sie das Buch "Online versus stationär: Zwei Handelsformen im Spannungsfeld" zu vertrieblichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb veröffentlicht.