Autoindustrie : Daimler: Konzernumbau sorgt für Unruhe in den Werken

Der absehbare Wegfall von Arbeitsplätzen durch die Umstellung auf Elektromobilität stößt beim deutschen Autobauer Daimler auf Widerstand. Im größten Mercedes-Komponentenwerk Stuttgart-Untertürkheim soll bis 2025 die Zahl der Beschäftigten von rund 19.000 um 4.000, also fast 20 Prozent, schrumpfen, wie der Betriebsrat in dieser Woche in einer Mitarbeiterinformation erklärte. Das Unternehmen stelle vereinbarte Produkte infrage.

Es solle keine weiteren Investitionen in konventionelle Antriebe mehr geben, während im Feld Elektromobilität neue Beschäftigung entstehen soll. Außerdem wolle Daimler die schon geltenden Vereinbarungen zum Umbau der Produktion verändern oder sogar aufheben, erklärte Betriebsratschef Michael Häberle. "Dieser harte Schnitt raubt uns die notwendige Zeit, die wir für eine faire Transformation benötigen – das können wir Arbeitnehmervertreter nur als Provokation auffassen."

Auch beim Mercedes-Motorenwerk in Berlin geht die Sorge über massiven Stellenabbau um. Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall wollten die Beschäftigten am Vormittag über den Verhandlungsstand informieren und sich danach öffentlich äußern, erklärte Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin.

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Daimler will Berliner Werk trotz Sparkurs nicht schließen >>

Daimler äußerte sich nicht zu den konkreten Plänen für die Werke, die bisher auf Teile für Verbrennungsmotoren spezialisiert sind. "Die Standorte Untertürkheim und Berlin stehen im zentralen Fokus der Transformation", hieß es in einer Stellungnahme. Mercedes-Benz müsse erheblich in den Umbau zu Elektrifizierung und Digitalisierung der Autos investieren und gleichzeitig seine Kostenstruktur nachhaltig verbessern und effizienter werden. Mit dem Start der neuen Organisationseinheit "Mercedes-Benz Drive Systems" seien erste wichtige Weichen für die Neuordnung der Antriebssparte gestellt.

Der Stuttgarter Konzern hat noch stärker als Volkswagen und BMW mit der Transformation zu kämpfen, die durch den Geschäftseinbruch in der Coronakrise noch beschleunigt wird. Daimler war schon vor der Pandemie ins Schleudern gekommen, weil der globale Autoabsatz mit der Schwäche des wichtigsten Marktes China schon seit 2018 auf Talfahrt ging und bei den Schwaben Kosten des Dieselskandals jetzt zu Buche schlagen. (reuters/apa/red)

Ungeachtet seines harten Sparkurses schließt der deutsche Autobauer Daimler ein von Gewerkschaftsseite befürchtetes Ende für sein Berliner Motoren- und Antriebswerk derzeit aus. "Aus heutiger Sicht ist das nicht der Plan, das Werk Berlin zu schließen", sagte Vorstandsmitglied Markus Schäfer in einer Telefonkonferenz vor Journalisten.

Nach Arbeitnehmerangaben sollen in Berlin, wo das älteste produzierende Werk des Daimler-Konzerns steht, nach Daimler-Wünschen in den nächsten Jahren rund 1.000 von 2.500 Stellen wegfallen. Die IG Metall hatte sogar die Frage aufgeworfen, ob das Hauptstadt-Werk möglicherweise ganz vor dem Aus stehe.

Auch an anderen Standorten plant Daimler den Abbau zahlreicher Stellen - etwa am Konzernstammsitz in Stuttgart-Untertürkheim. Hier will der Konzern nach Betriebsratsangaben bis 2025 rund 4.000 von 19.000 Stellen streichen. Standortübergreifend war zuletzt der Abbau von 10.000 bis 15.000 der weltweit rund 300.000 Stellen kolportiert worden. Medien hatten sogar von bis zu 30.000 Stellen berichtet. Die Zahlen kommentierte der Autobauer nicht, man strebe jedoch möglichst sozialverträgliche Lösungen an, hieß es.

Die Coronakrise sorgt für tiefrote Zahlen bei Daimler und zwingt den Autobauer zur Verschärfung seines sowieso geplanten Sparkurses. Im zweiten Quartal fuhr der Konzern rund zwei Milliarden Euro Verlust ein. Schäfer sagte, es gehe jetzt um die Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität des ganzen Konzerns. "Das ultimative Kriterium ist die Gesundheit dieses Unternehmens", sagte er zum Sparkurs.

Die Coronakrise beschleunigt in der ganzen Branche die Transformation von Verbrenner- zu Elektromotoren. "Wir können die Realität nicht ignorieren, die sich draußen im Markt bildet", sagte Schäfer. Bei vielen bestehenden Motoren werde man die Produktion herunterfahren oder sich ganz verabschieden - dies beispielsweise für den Sechszylinder-Dieselmotor, der nur noch bis 2021 in Berlin gefertigt werde. Im Gegenzug werde man stärker beispielsweise in die Batteriezellforschung investieren. Im Gespräch ist, dass in Stuttgart-Untertürkheim eine Zellproduktion angesiedelt wird.

Schäfer sagte, dass Mercedes-Benz in den Jahren mit starkem Wachstum bewusst Produktion in Osteuropa oder China angesiedelt hat, um mit einer "Mischkalkulation" der deutschen Hochlohnstandorte mit personalkostengünstigeren im Ausland die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Kein Werk könne deshalb davon ausgehen, für immer den Personalstand zu halten. Die Montagewerke müssen sich vorerst keine Sorgen machen, Stellen in den kommenden Jahren zu verlieren. "Wir gehen derzeit von keinem Einfluss auf die Beschäftigung aus", sagte Schäfer. Die Aufbauwerke seien voll ausgelastet. Sie müssten aber im Rahmen der bestehenden Personalstärke andere Wege zu Kosteneinsparungen finden.

Der Daimler-Gesamtbetriebsrat warf dem Vorstand vor, gar nicht mehr in Bereiche der herkömmlichen Antriebe investieren zu wollen. "Und wenn überhaupt, dann in Polen oder Rumänien." Das Unternehmen wolle mit der Begründung, dass zu wenig Geld für Investitionen in herkömmliche Bereiche da sei, Komponenten verlagern oder fremd beziehen. Mitarbeiter in diesen Bereichen müssten akut um ihre Jobs bangen. Der Betriebsrat machte seine Haltung klar: "Die herkömmlichen Produkte finanzieren unseren Weg in die Zukunft." Man lehne es ab, diese "Nabelschnur aufgrund des aktuellen Kostendrucks ohne Beschäftigungsalternativen für uns radikal abzuschneiden". (dpa/apa/red)