Standort Österreich : Coronakrise hat Arbeitsmarkt fest im Griff - aber Aufhellung spürbar

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© AMS, Fotostudio B&G

Die Coronakrise hat die Arbeitslosigkeit Mitte April auf ein historisches Hoch steigen lassen, seitdem sinken die Zahlen. Ende Juni waren 463.500 Personen arbeitslos oder in Schulung, das sind immer noch um 139.300 mehr als im Vorjahresmonat. Der coronabedingte Höchststand lag in Österreich bei 588.000 Arbeitslosen, ein Rekordwert seit dem Jahr 1945.

Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen und das Wiederhochfahren der Wirtschaft haben teilweise zu einer Entspannung am Arbeitsmarkt geführt. Im Vergleich zum Vormonat ging die Zahl der Arbeitslosen um 54.000 zurück. Die stärksten Rückgänge gab es im Tourismus und in der Gastronomie. "Wir sehen, dass die Arbeitslosigkeit Schritt für Schritt zurückgeht. Es ist aber noch viel zu tun", sagte Arbeitsministerin Christine Aschbacher bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) in Wien.

Aktuell ist Kurzarbeit für rund 752.000 Beschäftigte möglich

Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten ging im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat laut vorläufiger Prognose um 3,3 Prozent auf 3,702 Millionen zurück. Die Anzahl der sofort verfügbaren Stellen schrumpfte um 25 Prozent auf rund 63.000. Die Arbeitslosenquote lag mit 10,1 Prozent um 3,6 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.

Die Arbeitslosenzahlen sind im Tourismus coronabedingt aber weiterhin sehr hoch. Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer im Bereich Beherbergung und Gastronomie lag Ende Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 110 Prozent höher bei rund 73.200. Kräftig stieg die Arbeitslosigkeit auch am Bau (+52,7 Prozent) und im Verkehr und Lagerwesen (+68,6 Prozent). Den relativ niedrigsten Anstieg gab es im Gesundheits- und Sozialwesen (+33,5 Prozent), im Handel (+39,1 Prozent) und bei Leiharbeit (+39,8 Prozent),

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Aktuell ist Kurzarbeit noch für über 752.000 Beschäftigte möglich. Ende Mai lag die Zahl noch bei 1,35 Millionen. "Derzeit verzeichnen wir rund 23.400 Verlängerungsanträge. Wir sehen, dass vor allem größere Betriebe die Kurzarbeit nicht für alle Mitarbeiter verlängern", sagte Aschbacher. Die Abrechnung der Kurzarbeit schreitet voran. Bisher hat das Arbeitsmarktservice (AMS) rund 3 Mrd. Euro an über 100.000 Unternehmen ausgezahlt. Von den eingelangten Abrechnungen seien 92 Prozent bearbeitet, sagte Arbeitsministerin Aschbacher. Bearbeitet wurden rund 250.000 Abrechnungen.

Neuer Lehrstellenbonus

Aufgrund der coronabedingten wirtschaftlichen Unsicherheit stellen Unternehmen weniger Lehrlinge ein. Die Zahl der sofort verfügbaren, offenen Lehrstellen ging im Juni um rund 13 Prozent auf knapp 5.000 zurück, die Anzahl der aktuell Lehrstellensuchenden schnellte hingegen um ein Drittel auf knapp 7.700 hinauf. Wirtschaftsministerin Schramböck erklärte, dass der Anfang Juni angekündigte Lehrstellenbonus von Unternehmen beantragt werden kann. Firmen, die einen Lehrling zwischen 16. März und 31. Oktober 2020 neu einstellen, erhalten einen Bonus von 2.000 Euro. Die Wirtschaftsministerin appellierte an die Unternehmen, vom Lehrlingsbonus Gebrauch zu machen.

Die Wirtschaftskammer sieht den Lehrlingsbonus als "wichtiges Signal" an die Ausbildungsbetriebe. "Der Ausbildungsort Betrieb kann durch nichts ersetzt werden. Denn die Vielfalt am heimischen Wirtschaftsstandort kommt aus unser Berufsbildung, aus den mehr als 200 Berufsbildern, die in der Lehre stecken", so die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel in einer Aussendung.

Angesicht der hohen Arbeitslosenzahlen forderte die FPÖ neben einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes "eine sektorale und temporäre Schließung" des Arbeitsmarktes. "Es gibt genug Menschen in Österreich, die Jobs suchen, die wir schulen können und genug junge Leute, die eine Lehre machen wollen. Derzeit importieren wir zusätzlich die Arbeitslosigkeit aus anderen Staaten nach Österreich", sagte die FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Gewerkschaft und Arbeiterkammer wollen höheres Arbeitslosengeld

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch fordert "nachhaltige Maßnahmen wie ein höheres Arbeitslosengeld oder Arbeitszeitverkürzung". Die Regierung mache "immer nur Einzelmaßnahmen wie die Einmalzahlung oder einen Lehrlingsbonus für Unternehmen, die viel zu wenig und ein Tropfen auf den heißen Stein sind".

Auch Gewerkschaft und Arbeiterkammer drängen auf eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Die Arbeiterkammer fordert drei Arbeitsmarkt-Maßnahmen: "Erstens ein höheres Arbeitslosengeld als Gebot der Menschlichkeit und der Vernunft, weil ein Einbruch der Kaufkraft eine volkswirtschaftliche Kettenreaktion in Gang setzen würde", so AK-Präsidentin Renate Anderl. Außerdem will Anderl "ein neues, gutes Kurzarbeitsmodell" und öffentliche Investitionen in Pflege, Gesundheit und soziale Dienstleistungen.

Für den Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) ist der Rückgang der Juni-Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat "positiv, aber kein Grund zur Entwarnung". Neben der Schaffung neuer Stellen wäre es endlich Zeit, die unverschuldet arbeitslos gewordenen Menschen in Österreich vor einem Totalabsturz zu bewahren und das Arbeitslosengeld zu erhöhen, so die leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl. (apa/red)