Corona-Strategien : Christian Knill und der Brief an den Kanzler: „Mit Angst kann man kein Land regieren“

Weitsicht, Transparenz, Augenmaß und Offenheit. Das fordern 20 Industrieunternehmer von Bundeskanzler Kurz in einem offenen Brief. Es brauche jetzt „mittelfristige Perspektiven, eine positive Stimmung und Konjunkturprogramme, die die Wirtschaft jetzt wieder ankurbeln, nicht erst in zwei Jahren“, heißt es in dem Schreiben.

Unter den hochkarätigen Unterzeichnern sind etwa Plansee-Vorstand Karlheinz Wex, Pöttinger-Landtechnik-Eigentümer Heinz Pöttinger und EVVA-Chef Stefan Ehrlich-Adám. Christian Knill, Obmann der Metalltechnischen Industrie und Initiator des Schreibens: „Wir haben in Gesprächen mit Mitgliedern erkannt, dass nicht alle zufrieden sind mit dem aktuellen Kurs und das zu Papier gebracht“, sagt er dem INDUSTRIEMAGAZIN.

Die erste Phase, der Lockdown, sei von der Regierung sehr gut bewältigt worden, keiner wolle Zustände wie in Italien, räumt Knill ein. Und im internationalen Vergleich stünde Österreich auch mit der frühen Lockerung generell sehr gut da. Jetzt aber sei es an der Zeit, „ein gesamtheitliches Bild“ zu bekommen „und auch wieder stärker auf Ökonomen und Sozialexperten zu hören“, sagt Knill.

"Stimmung muss ins Positive drehen"

Statt Panikmache (O-Ton Knill: „Mit Angst lässt sich kein Land regieren“) sei es wichtig, die Stimmung im Land wieder in positive zu drehen. Rasche Grenzöffnungen zu Deutschland und Schweiz seien für die Exportnation Österreich überlebensnotwendig, nur so seien neue Aufträge zu akquirieren. „Bei den Grenzöffnungen muss die Regierung weiter drängen“, so Knill.

Auch auf den schnellen Wiederanlauf der öffentlichen Verwaltung pochen die Unterzeichner. „Es kann nicht sein, dass man auf eine Baubewilligung jetzt Wochen warten muss“, sagt Knill. In der Industrie stoßen die Forderungen im Schreiben jedenfalls auf Zustimmung. Man finde sich darin wieder, ist zu hören.

Die Unterzeichner: Hubert Bertsch, Johannes Collini, Stefan Ehrlich-Adám, Roland Feichtl, Karlo Fink, Christoph Hinteregger, Christoph Jordan, Max Kloger, Christian Knill, Stephan Kubinger, Dieter Lutz, Clemens Malina-Altzinger, Dieter Nemetz, Johann Michael Offner, Bernward Pichl, Heinz Pöttinger, Manfred Santner, Josef Stiegler, Thomas Welser, Karlheinz Wex

Der offene Brief im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

"Österreich wird auf Minimalbetrieb herunterfahren", sagten Sie am 10. März. Bald darauf wurden Veranstaltungsverbote und Ausgangsbeschränkungen verhängt, Bildungseinrichtungen, Geschäfte und Restaurants geschlossen und Unternehmen aufgefordert, ihre MitarbeiterInnen im Home Office arbeiten zu lassen.

Die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie bestimmt seit Wochen alles politische Handeln. Und das mit gutem Grund, denn niemand wollte und will Zustände wie in Italien, Spanien oder Frankreich. Ohne Zweifel sind wir erfolgreich in der Bekämpfung der Pandemie, die Menschen als auch wir Unternehmer haben die Einschränkungen kollektiv mitgetragen. Aber die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind verheerend und gefährden unsere Zukunft bald mehr, als es das Virus selbst tut.

Daher fordern wir mehr Weitsicht, Transparenz, Augenmaß und vor allem Offenheit. Wir sind Unternehmer und übernehmen jeden Tag Verantwortung. Dass wir das können, beweisen wir seit vielen Generationen. Wir unterstützen mit unseren Industriebetrieben die Bekämpfung des Coronavirus seit Wochen. Aber wir brauchen keine Bevormundung, sondern übernehmen und leben Eigenverantwortung (wenn nötig aber auch mit Konsequenzen für schwarze Schafe).

Wir appellieren an Sie und die gesamte Bundesregierung:

Die soziale Marktwirtschaft, Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam, bilden das finanzielle Rückgrat des Gesundheitssystems.

Im Expertenrat der Regierung müssen Ökonomen, Sozialexperten und Psychologen gleichberechtigt eingesetzt werden, Österreich darf nicht nur von Virologen und Mathematikern gelenkt werden.

Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungen sind transparent darzulegen, Pro- und Contra-Stimmen aufzuzeigen und abzuwägen.

Liefern Sie damit mündigen Menschen eine Basis für ihre Entscheidungen, um eigenverantwortlich zu handeln. Zu Beginn der Krise war sicher Geschwindigkeit ausschlaggebend und nicht viel Zeit für Erklärungen und Diskussionen. Das darf nun aber nicht mehr als Argument gelten.

Kurzarbeit und Liquiditätshilfen sind schnell wirksame Mittel, aber es braucht vor allem auch mittelfristige Perspektiven, eine positive Stimmung und Konjunkturprogramme, die die Wirtschaft jetzt wieder ankurbeln, nicht erst in zwei Jahren. Zur Vermeidung von „Warteeffekten“ sollten diese aber erst mit deren Start kommuniziert werden.

Gesellschaft und Wirtschaft brauchen „Luft zu Atmen“: freie Bewegung, offene Geschäfte, Restaurants, Industrie- und Gewerbebetriebe, Schulen und Universitäten – bei gleichzeitig klaren Sicherheitsmaßnahmen.

Die gesamte öffentliche Verwaltung, von der Justiz bis zu den Gemeinden, sollte umgehend wieder zur Gänze geöffnet und für Wirtschaft und Gesellschaft leistungsbereit sein.

Europa muss geeint agieren und es braucht rasche Lösungen für den Grenzverkehr mit unseren wichtigsten Handelspartnern und Nachbarländern.

Wir brauchen keine Angstparolen, sondern Zuversicht und Zukunftspläne.

Bringen wir Österreichs Wirtschaft rasch und vernünftig wieder in Betrieb, nur so sichern wir die Zukunft von uns allen!