Wirtschaftskriminalität : Causa Alpine: Wirtschaftsprüfer Deloitte auf Millionen geklagt

Die Haftung von Wirtschaftsprüfern bei fahrlässiger Handlung ist mit 12 Mio. Euro gedeckelt - pro Firma und Jahr. Deloitte war von 2006 an Abschlussprüfer der Alpine-Gruppe und von 2010 bis 2012 auch mit der Erstellung der sogenannten Comfort Letter für die Begebung der Alpine-Anleihen in Höhe von 290 Mio. Euro befasst.

Der Baukonzern schlitterte im Sommer 2013 spektakulär in die Pleite. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sowie auch Anwälte von Anleihegläubigern gehen aber davon aus, dass das Unternehmen schon im Jahr 2010 zahlungsunfähig war, die finanzielle Schieflage aber in der Bilanz geschickt verborgen hat, indem etwa Forderungen aus Bauprojekten in Polen bilanziert wurden, die längst hätten wertberichtigt werden müssen.

25 Beschuldigte – vier Frimen

Die WKStA ermittelt deswegen gegen nunmehr 25 Beschuldigte und vier Firmen. Den verantwortlichen Managern der Alpine und des spanischen Mutterkonzerns FCC wird unter anderem schwerer Betrug und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen vorgeworfen.

Die Chefs des Baukonzerns sollen "zahlreiche Anleihegläubiger durch falsche Angaben zur finanziellen Lage der Alpine Holding GmbH und der Alpine Bau GmbH (allenfalls trotz bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit) und zur Verwendung der Nettoemissionserlöse sowie durch die Vorgabe, die Alpine Holding GmbH könne die Kapitalbeträge zurückzahlen, sohin durch Täuschung über Tatsachen ... zum Erwerb von Anleihen verleitet haben", heißt es im Anlassbericht des Bundeskriminalamts an die Staatsanwaltschaft, der nach der Razzia bei Deloitte im Dezember 2014 erstellt wurde und der APA vorliegt. Die Anleihegläubiger seien dadurch insgesamt um voraussichtlich 290 Mio. Euro geschädigt worden.

Die Ermittler nehmen aber auch Deloitte in die Pflicht. Die drei Alpine-Wirtschaftsprüfer hätte die Bilanzen 2009, 2010 und 2011 nicht absegnen dürfen, sondern den sogenannten Bestätigungsvermerk verweigern oder zumindest einschränken müssen. Deloitte wehrt sich gegen die Vorwürfe - u. a. Beihilfe zum Betrug und Bilanzfälschung: Man habe bei allen drei Jahresabschlüssen sehr wohl auf Risiken in dreistelliger Millionenhöhe hingewiesen, dies in Form von Ergänzungen zum Bestätigungsvermerk.

Deloitte hat gegen die Beschlagnahme der Unterlagen Rechtsmittel eingebracht. Bis das Gericht darüber entscheiden wird, dauere es erfahrungsgemäß Monate, sagte Deloitte-Partner Harald Breit der APA. Die Staatsanwältin habe aber versichert, die Unterlagen bis dahin nicht zu sichten.

Im theoretischen Fall, dass die Alpine-Masseverwalter mit ihrer Klage durchkommen und auch noch Anleihegläubiger, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen, vom Gericht einen Geldbetrag zugesprochen bekommen, müsste Deloitte zahlen.

Schlagend wird das ganze freilich nur, wenn der Prüfer fahrlässig seine Pflicht verletzt hat, den Jahresabschluss "gewissenhaft und unparteiisch" zu prüfen. Die Beschränkungen "gelten jedoch nicht für den Abschlussprüfer, der in Kenntnis oder in grob fahrlässiger Unkenntnis seiner Befangenheit oder Ausgeschlossenheit gehandelt hat." Bei einer strafrechtlichen Verurteilung entfiele der Haftungsdeckel sowieso.

Bei Alpine käme da selbst im Fall von Fahrlässigkeit des Prüfers – was dieser bestreitet - eine große Summe zusammen: Deloitte hat sowohl die Bau GmbH als auch die Holding geprüft, und das über mehrere Jahre. Auch aus den "Comfort Lettern" für die Anleihen könnte sich eine Haftung ergeben.

Karl Engelhart, Masseverwalter der Alpine Holding, hat daher Deloitte auf 68 Mio. Euro verklagt, sein für die Alpine Bau zuständiger Kollege Stephan Riel brachte eine weitere 24-Millionen-Klage ein. "Unsere Schadenersatzklage gründet sich darauf, dass sorgfaltswidrig Testate erteilt wurden, die so nicht erteilt hätten werden dürfen", so Engelhart am Mittwoch zur APA. Die Klage beziehe sich lediglich auf die Jahre 2010 und 2011, für die Bilanz 2009 "haben wir ein Beweisproblem gesehen". Auch sei nicht der Vorwurf erhoben worden, dass Deloitte vorsätzlich gehandelt habe.

Quoten im einstelligen Bereich

Wäre schon bei der Alpine Bau der Bestätigungsvermerk versagt worden, hätte die Holding die Erlöse aus der Anleihe nicht an die Bau GmbH weitergereicht, argumentiert der Masseverwalter. Die tausenden Anleihegläubiger und auch die Banken, die der Alpine Kredite gewährt haben, werden aber nur einen Bruchteil ihres Geldes wiedersehen. Engelhart, der auch die spanische FCC auf 186 Mio. Euro verklagt hat, geht von Quoten im einstelligen Bereich aus.

Juristisch nicht geklärt ist indes die Frage, wer im Falle einer Verurteilung von Deloitte - der Wirtschaftsprüfer geht aber davon aus, dass an den Vorwürfen nichts haften bleibt - zuerst an das Geld käme: Die Masse oder Privatanleger, die Deloitte klagen und/oder sich im Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen. "Das Höchstgericht sagt derzeit noch: wer zuerst kommt, mahlt zuerst", so Engelhart.

Deloitte bestreitet alle Vorwürfe vehement, es gilt die Unschuldsvermutung. (APA)