Es war ein Tag nach Masahiko Moris Geschmack. Aus aller Welt waren die Gäste angereist, hierher, ins Herz der japanischen Maschinenbauwelt: Nara, eine 360.000-Einwohner-Stadt südlich von Kyoto, Hauptsitz des Werkzeugmaschinenbauers DMG Mori. 58 Bearbeitungszentren konnten hier, im größten Kundenzentrum, das ein Maschinenbauer jemals gebaut hat, im Rahmen der feierlichen Eröffnung besichtigt werden. Japanische Technik, hochwertig und ehrlich – weit weg von „Monozukuri“ – dem schnellen Ver- schlanken, wie es dem detailversessenen Techniker Mori immer schon ein Greuel war. Spielerisch, mal chevaleresk, mal ganz Kosmopolit, unterhielt Mori seine Gäste. So gelöst wirkte der agile Japaner wohl nicht grundlos: Nur wenige Wochen zuvor, im letzten April, streckte Mori seine Hand noch ein wenig weiter zum deutschen Langzeit-Kooperationspartner Gildemeister aus: Mit 52,53 Prozent sicherten sich die Japaner die Mehrheit am deutschen Traditionsbetrieb.
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Machtkonzentration
Dass Masahiko Mori Bushidō, den altehrwürdigen Verhaltenskodex japanischer Militäradeliger, verinnerlicht hat, ist heute auch in Bielefeld allen klar: Aus Moris nie verhehlter Bewunderung für den früheren deutschen Konkurrenten wurde schlagartig ein Besitzanspruch: Über einen angestrebten Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag will man sich volle Durchgriffsrechte auf das deutsche Traditionsunternehmen sichern. Auf der Strecke bleibt jener Mann, der schleichenden Machtverlust nicht mehr länger hinnehmen wollte: Rüdiger Kapitza, 61, warf nach 20 Jahren an der Spitze des Bielefelder Unternehmens das Handtuch. „Das verbleibende Jährchen hätte er vermutlich noch ganz gern abge- rutscht“, heißt es in der Branche. Doch die allzu offensichtliche Degradierung zum „Abteilungsleiter vor Ort“ sei dann wohl doch unvereinbar mit den Vorstellungen Kapitzas gewesen.
Überraschend kommt Moris Durchmarsch für Brancheninsider trotzdem nicht. „Ich vermutete immer, dass Mori der eigentliche Treiber der Fusion war“, meint etwa ein langjähriger Kenner des Unternehmens. Der für seinen Fleiß berüchtigte Japaner legte stets Initiative an den Tag, wenn es darum ging, den Einfluss in der deutschen Maschinenbauwelt zu mehren. „Mori flog mit seinem Stab schon zu den Hauptversammlun- gen, als er noch gar nicht im Aufsichtsrat der Bielefelder saß“, erzählt er. Wohin das führte, ist bekannt: Aus dem über 144 Jahre alten deutschen Traditionsbetrieb wird womöglich ein japanischer.