Österreich : Bundesanstalt für Verkehr: Verdacht auf Amtsmissbrauch und Untreue

Zahlreiche Missstände hat der Rechnungshofbericht zur bereits aufgelösten Bundesanstalt für Verkehr (BAV) zutage gebracht. Nachdem der RH die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat, wird gegen drei Beschuldigte wegen Amtsmissbrauch und Untreueverdacht ermittelt. So sollen Millionen zu viel überwiesen worden sein, knapp 350.000 Euro ohne Gegenleistung gezahlt und Untersuchungsberichte nie veröffentlicht worden sein.

Zwei dieser Beschuldigten - der ehemaligen Leiter der BAV, Gerald Pöllinger, und ein Unternehmer, dessen beiden Firmen das Geld gezahlt worden ist, sprachen gegenüber dem Ö1-Mittagsjournals von "entlastenden Polizeiberichten".

Vom damaligen Verkehrsminister Leichtfried 2017 aufgelöst

Seit Oktober 2017 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die drei Beschuldigten. Weitere Angaben machte eine Behördensprecherin unter Verweis auf das noch laufende Verfahren nicht. Die BAV unterstand bis zu ihrer Auflösung im Sommer 2017 dem Verkehrsministerium. Der ehemalige Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) löste sie im Sommer 2017 auf. Sie war zuvor für Untersuchungen von schweren Unfällen von Flugzeugen, Zügen und Schiffen zuständig.

"Zahlungen ohne erkennbare Gegenleistungen"

"Zahlungen ohne erkennbare Gegenleistungen", "nicht vertragskonforme Abrechnungen an private Dienstleister, "Verdacht auf strafrechtlich relevante Tatbestände". Auf diese Missstände stießen nun die RH-Prüfer. Im Zentrum stehen der ehemalige Leiter der BAV, der im Sommer 2017 suspendiert und mehrfach angezeigt wurde, sowie der Geschäftsführer zweier Firmen, die Geld vom Ministerium erhalten haben. So soll Pöllmann dem Unternehmen A 160.000 Euro und dem Unternehmen B 188.000 Euro überwiesen haben, "obwohl keine offenen Forderungen bestanden".

Außerdem zahlte die BAV für "technische Unterwegskontrollen", das sind Sicherheitskontrollen von Lkw, 5,3 Millionen Euro zu viel. Damit wurde "der gesamte vom Unternehmen B angegebene Personal- und Sachaufwand beglichen", kritisiert der Rechnungshof.

Pöllmann sagte gegenüber Ö1, dass ein Abschlussbericht vorliege, "in dem festgehalten wird, dass entgegen der Anzeige des Rechnungshofs sehr wohl Leistungen der angeführten Partner der ehemaligen BAV gegenübergestanden sind und es keine Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen gegeben hat". Auch der beschuldigte Unternehmer sprach gegenüber Ö1 von einem entlastendem Polizeibericht. Laut Stellungnahme des Ministeriums an den RH sei die Finanzprokuratur mit der Prüfung allfälliger Regressansprüche beauftragt worden.

Offenbar zahlreiche Missstände bei der Untersuchung von Unfällen mit Hubschraubern der Polizei

Besonders große Missstände gab es bei der Untersuchung von Flugunfällen. Der Fall des Absturzes eines Polizeihubschraubers in den Tiroler Achensee mit vier Toten im Jahr 2011 ist besonders brisant. Der Bericht zur Untersuchung des Unfalls wurde niemals veröffentlicht. Vielmehr erteilte der ehemalige BAV-Leiter eine schriftliche Weisung, den Bericht der Untersuchung an den Geschäftsführer des Unternehmens B zu übermitteln, "statt den unabhängigen Untersuchungsbeauftragten damit weiter zu befassen". Auch hier hätten laut Pöllmann die Ermittlungen ergeben, "dass es keine rechtswidrige Weisung von mir gegeben hat", sagte er.

Das Unternehmen B erbrachte regelmäßig Sachverständigenleistungen für die BAV. Es straffte den Bericht schließlich "von 58 auf 40 Seiten", beispielsweise wurden die Schlussfolgerungen gekürzt, schreibt der RH in seinem Endbericht. Wie der "Kurier" online berichtete, waren die 18 Seiten "insofern brisant, als dass damit der komplette Dienstbetrieb der Hubschrauberflotte des Innenministeriums aufgrund zahlreicher Sicherheitsempfehlungen überarbeitet hätte werden müssen".

Ein anderer Absturz eines Polizeihubschraubers 2009

Ebenso nicht veröffentlicht wurde ein Untersuchungsbericht zum Absturz eines Polizeihubschraubers in Deutschlandsberg im Jahr 2009. Damals gab es einen Toten und zwei Schwerverletzte. Die Untersuchung wurde 2016 mit dem Hinweis, "dass keine wesentlichen Erkenntnisse aus dem gegenständlichen Vorfall gewonnen werden konnten", eingestellt - obwohl es 2012 noch einen Entwurf gab. Genehmigt wurde dies vom suspendierten BAV-Leiter. Der RH kritisierte die Einstellung, "weil diese aufgrund der Unabhängigkeit der Sicherheitsuntersuchungsstelle durch den Leiter hätte erfolgen müssen". Damit sei die Unabhängigkeit infrage gestellt worden. Der RH betonte außerdem, dass "eine Sicherheitsuntersuchung erst mit dem endgültig veröffentlichten Untersuchungsbericht abgeschlossen ist".

Als "nicht nachvollziehbar" beurteilte der RH außerdem die Abrechnungen für Sachverständigeneinsatztage. Demnach bezahlte die BAV "für die Jahre 2013 bis 2016 wesentlich mehr Einsatztage, als von den drei im Unternehmen B beschäftigten Sachverständigen bewältigbar" waren. Im genannten Zeitraum lag die vergütete Mehrbetrag bei einer Million Euro", steht im Bericht. "Die Abrechnung erfolgte nicht nach den tatsächlich erbrachten Einsatztagen. Vielmehr vereinbarten der Dienststellenleiter der Bundesanstalt für Verkehr und der Geschäftsführer des Unternehmens B in regelmäßigen, meist zweiwöchigen Abständen die Anzahl der zu verrechnenden Einsatztage, um die vom Unternehmen B angegebenen anteiligen Unternehmenskosten für Sachverständigenleistungen für Sicherheitsuntersuchungen decken zu können", berichtete der RH.

Minister Hofer: Neue Behörde des Bundes mit "einer erfahrenen Ermittlerin" besetzt

Der Rechnungshof gab in seinem Bericht gleich 26 Empfehlungen ab. Das Verkehrsministerium - nunmehr unter Norbert Hofer (FPÖ) - betonte in einer Aussendung, dass die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) nach der Auflösung der BAV neu aufgestellt und im März 2018 mit "einer erfahrenen Ermittlerin als interimistische Leiterin" besetzt wurde. Dies ist Bettina Bogner, eine Kriminaltechnikerin des Landeskriminalamtes Wien.

Am 21. September wurde - zeitgleich mit der Veröffentlichung des RH-Berichts - im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" die Leitung der SUB neu ausgeschrieben. Bewerbungen können innerhalb eines Monats eingereicht werden.

Opposition: "Ungeheuerliche Zustände"

Die Liste Pilz bezeichnete die Causa in einer Aussendung als Skandal, für die NEOS herrschten in der BAV "ungeheuerliche Zustände". "Dass es Zahlungen ohne erkennbare Gegenleistung sowie nicht vertragskonforme Abrechnungen an private Dienstleister gegeben hat, ist unfassbar und stinkt nach Korruption", sagte NEOS-Verkehrssprecher Douglas Hoyos. "Neben den strafrechtlichen Folgen muss nun auch geklärt werden, ob die vom Rechnungshof genannten Missstände die einzigen gewesen sind und ob der Schaden möglicherweise noch weit höher ist", so Hoyos weiter.

Das gewichtigste Problem

Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Verdacht im Raum steht, Untersuchungsberichte zu tödlichen Flugzeugabstürzen und Bahnunfällen könnten geschönt worden sein, schrieben die NEOS in einer Aussendung.

"Wichtig ist neben der lückenlosen strafrechtlichen Aufklärung der Vorfälle auch die Rückforderung des Geldes in Angriff zu nehmen", sagte Liste Pilz-Klubobmann Wolfgang Zinggl. "Unerklärlich bleibt, dass überzogene Geldleistungen über Jahre im Ministerium niemandem aufgefallen sind. Das Ministerium ist dadurch jedenfalls gefordert, die internen Kontrollrichtlinien und Korruptionspräventionssysteme zu überarbeiten und zu verschärfen." (APA/red)