Hintergrund : Brexit: Europa verliert ohne Briten an Wirtschaftsgewicht

Mit dem erstmaligen Ausscheiden eines Mitglieds aus der EU-Familie wird sich der schon länger laufende schleichende Verlust an wirtschaftlichem Gewicht der Union in der Welt beschleunigen.

Die EU, die das deutsche Wirtschaftsministerium noch vor drei Jahren vor China und den USA als Weltmeister in Sachen Wirtschaftsleistung sah, wird als "Europa der 27" klar auf Rang drei zurückfallen. Immerhin sind die Briten derzeit die zweitgrößte Volkswirtschaft der Union.

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Nach Zahlen der Industrieländerorganisation OECD kamen die 28 EU-Staaten 2015 zusammen auf ein Bruttoinlandsprodukt von 19,7 Billionen Dollar (18 Bill. Euro). China lag zu diesem Zeitpunkt mit 19,78 Billionen Dollar allerdings schon knapp vorne. Dahinter folgten die USA mit 18,04 Billionen Dollar. Ohne Großbritannien fallen bei der EU rund 2,8 Billionen Dollar Wirtschaftsleistung weg.

Auch ohne den Brexit zeigt der Anteil der EU an der globalen Wirtschaftsleistung - rechnet man Unterschiede in der Kaufkraft heraus - seit Jahren nach unten. Von über 21 Prozent im Jahr 2006 ging es auf unter 17 Prozent im vergangenen Jahr bergab. Beständig nach oben tendierte dagegen der Anteil Chinas, der zuletzt deutlich über 17 Prozent lag. Die USA wurden zuletzt mit unter 16 Prozent geführt.

EU ist heute der größte gemeinsame Markt der Welt

Bei den Warenausfuhren bekleidet die EU seit Jahren Spitzenpositionen, die durch den Brexit aber abschmelzen. Mit 15 Prozent an den weltweiten Warenexporten rangierte sie zuletzt auf Rang zwei knapp hinter China mit 16 Prozent. Und bei den Dienstleistungsexporten dominieren die Europäer sogar deutlich mit einem Anteil on 25 Prozent, wozu allerdings Großbritannien einen ganz wesentlichen Anteil beitrug, vor den USA mit 18 Prozent und China mit sechs Prozent.

Der EU-Binnenmarkt nennt sich mit seinen fast 510 Millionen Menschen der aktuell größte gemeinsame Markt der Welt. Ohne die Briten sind es nur noch 450 Millionen. An der 19 EU-Länder umfassenden Gruppe derer, die sich mit dem Euro eine gemeinsame Währung gegeben haben, ändert der Brexit nichts. Die Briten wollten von Anfang an nichts damit zu tun haben.

Der Binnenmarkt gilt gemeinhin als eine Kernerrungenschaft Europas und Quelle des Wohlstands. Alle EU-Bürger und -Unternehmen können nicht nur von einem freien Waren-, sondern auch einem freien Personen-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr profitieren. EU-weite Standards sichern das ab. Die Firmen der EU-Länder genießen auf den Märkten der Partnerländer freien Zugang, Zölle gibt es keine.

Daraus will sich Großbritannien mit seinen gut 65 Millionen Menschen nun in absehbarer Zeit verabschieden. Wie sich das auf das Handelsvolumen des Landes mit seinen EU-Partnern im Umfang von fast 500 Mrd. Euro auswirkt, ist noch offen, ebenso wie auf den Rest der EU.

Die Angst der Exporteure vor neuen Zöllen

Für deutsche Unternehmen ist nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) die allergrößte Angst, dass mit dem Brexit Zölle und Importsteuern den Handel mit dem langjährigen EU-Partner erschweren. Auch für die Kollegen in Großbritannien ist das ein zentraler Punkt. Denn mehr als die Hälfte der britischen Importe kommen aus der EU und für über 44 Prozent der britischen Exportgüter sind EU-Länder Abnehmer.

Profiteur des gemeinsamen Binnenmarktes sind besonders die Deutschen mit ihrer leistungs- und exportstarken Wirtschaft. "Ohne den EU-Binnenmarkt wäre die deutsche Wirtschaft längst nicht so erfolgreich, wie sie das heute ist", räumt das deutsche Wirtschaftsministerium ein. Doch auch viele britische Firmen profitierten von ihm und fürchten nun als Folge eines Ausstieges aus dem Binnenmarkt empfindliche Einbußen.

Vereinigtes Königreich war seit 1973 in der EU

Das Vereinigte Königreich war 1973 zusammen mit Irland und Dänemark zur EU gestoßen. In der Union ist das Land seither hinter Deutschland und noch vor Frankreich die zweitgrößte Volkswirtschaft. Bei den Warenexporten spielte Großbritannien, wo die Wiege der modernen Industrie stand, zuletzt aber mit gerade einem Drittel der deutschen Güterausfuhren von rund 1,33 Billionen Dollar, keine bestimmende Rolle mehr. Anders sieht es bei Dienstleistungen etwa im Finanzbereich aus, wo die Briten noch vor Deutschland zur weltweiten Spitze zählen. (reuters/apa/red)